Arzneimittel und Therapie

Personalisierte Medizin hilft gegen Lungenkarzinom

Patienten mit einem nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom und positivem EGFR-Mutationsstatus profitieren von einer Therapie mit dem neuen irreversiblen EGFR-Tyrosinkinase-Blocker Afatinib. Im Vergleich mit der derzeit effektivsten Chemotherapie führt Afatinib zu einem längeren progressionsfreien Überleben, einer besseren Symptomkontrolle und einer höheren Lebensqualität.

Beim nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC, non-small cell lung cancer) sind zahlreiche Mutationen bekannt, die das Ansprechen auf bestimmte Therapien prädestinieren. So weisen 10 bis 15% der Kaukasier und 30 bis 40% der Asiaten, die an einem Adenokarzinom der Lunge erkrankt sind, Mutationen am epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptor (EGFR) auf. In 90% der Fälle sind dies del19- oder L858R-Mutationen. Die Mutationen am EGF-Rezeptor führen zu einer gestörten Signaltransduktion und in der Folge zu unkontrolliertem Zellwachstum. Mithilfe von EGFR-Inhibitoren versucht man, diese Vorgänge zu blockieren. Derzeit werden drei EGFR-Inhibitoren zur Therapie des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms eingesetzt: Gefinitib (Iressa®), Erlotinib (Tarceva®) und Afatinib. Afatinib ist im Gegensatz zu Gefinitib und Erlotinib ein irreversibler Erb-Familien-Blocker, der alle relevanten Rezeptor-Tyrosinkinasen inhibiert (siehe Kasten). Er ist noch nicht zugelassen, seine Wirksamkeit und Sicherheit werden derzeit in mehreren Studien untersucht. Aktuelle Daten der zulassungsrelevanten Lux-Lung-3-Studie wurden bei einer von Boehringer Ingelheim unterstützten Pressekonferenz in Wien vorgestellt.


Familie der ErbB-Rezeptoren


Die Familie der ErbB-Rezeptoren besteht aus den vier Rezeptor-Tyrosinkinasen EGFR (ErB1), HER2 (ErB2), ErB3 und ErB4. Ihre aktive Form kommt durch eine Dimerisierung zustande (Bildung von Homo- oder Heterodimeren). Die so aktivierten Rezeptoren initiieren intrazelluläre Wachstumssignale für Proliferation, Migration, Metabolismus und Überleben von Zellen. ErbB-Rezeptoren sind bei verschiedenen Tumorarten überexprimiert oder mutiert. Über die vermehrte Stimulation der entsprechenden intrazellulären Tyrosinkinasen werden unkontrollierte Wachstumssignale weitergeleitet. Mithilfe von EGFR-Tyrosinkinase-Inhibitoren werden diese Vorgänge unterbunden. Afatinib hemmt intrazellulär die durch Tyrosinkinasen vermittelte Signaltransduktion aller vier ErbB-Rezeptoren und unterbindet dadurch das Wachstum von Tumorzellen.

Die LUX-Lung-3-Studie

An dieser globalen, multizentrischen, randomisierten, offenen Phase-III-Studie nahmen 345 Patienten mit nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom (Adenokarzinom) und positivem EGFR-Mutationsstatus teil. Sie wurden im Verhältnis 2:1 zwei Gruppen zugeordnet und erhielten

  • Afatinib oral (Afatinib-Gruppe) oder
  • die derzeit beste Chemotherapie mit Cisplatin und Pemetrexed (Vergleichsgruppe).

Das mediane progressionsfreie Überleben lag in der Afatinib-Gruppe bei 11,1 Monaten vs. 6,9 Monaten in der Vergleichsgruppe (HR 0,58; 95% Konfidenzintervall 0,43 bis 0,78). Lagen die klassisch aktivierenden Mutationen (del19 und L858R) vor, betrug das mediane progressionsfreie Überleben unter Afatinib 13,6 Monate, unter der Therapie mit Cisplatin/Pemetrexed 6,9 Monate. Die objektive Ansprechrate lag unter der Behandlung mit Afatinib bei 56% vs. 23% unter Cisplatin/Pemetrexed (p < 0,001). Die häufigsten Nebenwirkungen waren Diarrhö und Hautreaktionen (rash), die charakteristisch für eine Therapie mit EGFR-Inhibitoren sind. Diese Reaktionen waren vorhersehbar, beherrschbar und reversibel und führten nur in wenigen Fällen zu einem Abbruch der Therapie.

Im Rahmen der Zulassungsstudie wurden auch charakteristische krankheitsbedingte Symptome wie Husten, Dyspnoe und Kurzatmigkeit sowie Schmerzen mithilfe eines Fragebogens erfasst. Auch hier wurden mit einer Afatinib-Therapie bessere Resultate erzielt als unter der Behandlung mit Cisplatin/Pemetrexed. So erfuhren 67% der Patienten unter Afatinib eine signifikante Besserung des Hustens (vs. 60% unter Cisplatin/Pemetrexed; p = 0,244) und der Kurzatmigkeit (64% vs. 50%; p = 0,0103) sowie eine Verringerung der Schmerzen (59% vs. 48%; p = 0,0513). Ferner konnte durch die Afatinib-Gabe der Zeitraum bis zur Verschlechterung des Hustens und der Kurzatmigkeit verlängert werden.

Auch im Hinblick auf körperliche, kognitive und rollenspezifische Funktionen profitierten die Patienten von einer Afatinib-Therapie. Die Erhebung der Lebensqualität mithilfe zweier Standardfragebögen ergab, dass die Afatinib-Behandlung mit einer signifikant besseren Lebensqualität (in Bezug auf die Arbeit oder häusliche Aktivitäten) einherging.

Mutationstestung vor Therapiebeginn

Die Ergebnisse der Lux-Lung-3-Studie zeigen, dass durch die Berücksichtigung des EGFR-Mutationsstatus und durch die Wahl des geeigneten EGFR-Inhibitors die Therapieergebnisse beim nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom eindrucksvoll verbessert werden können. Wie Dr. Vera Hirsh, Montreal, betonte, sollte ein Test auf das Vorliegen aktivierender EGFR-Mutationen beim nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom genauso zum Standard werden wie die HER2-Bestimmung beim Mammakarzinom.


Apothekerin Dr. Petra Jungmayr



DAZ 2013, Nr. 1/2, S. 40

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