Schwerpunkt Abnehmen

Per OP zum Wunschgewicht

Chancen und Grenzen der bariatrischen Chirurgie

Massive Gewichtsabnahme, normalisierter Stoffwechsel, bessere Lebensqualität: Keine konservative Maßnahme bei Adipositas erreicht die Erfolge der bariatrischen Chirurgie. Der operative Umbau des Verdauungstraktes setzt aber eine strenge Indikationsstellung und motivierte, aufgeklärte Patienten voraus. Denn Nachsorge und Nährstoffsupplementation bleiben lebenslange Aufgaben.

"Adipositaschirurgie ist keine Lifestylemedizin zum schnellen Abnehmen, sondern eine erfolgreiche Behandlung der Adipositas und ihrer folgenschweren Komorbiditäten wie Diabetes", stellte Priv.-Doz. Dr. Thomas Hüttl, Adipositaszentrum München-Bogenhausen, beim Update Ernährungsmedizin 2012 fest. Mit Fettabsaugen haben die komplexen Eingriffe nichts zu tun: Die "metabolische Chirurgie" baut Verdauungsorgane um und neu auf. Je nach Verfahren verlieren operierte Patienten zwischen 20 % (Magenband) und 32 % (Magenbypass) ihres Anfangsgewichts. Hingegen gilt die konservative Therapie schon bei 5 bis 10 % Gewichstabnahme nach einem Jahr als erfolgreich. Die Operation wirkt zudem nachhaltiger: Langfristig pendelt sich, je nach Art des Eingriffs, der Gewichtsverlust bei 13 bis 27 % ein.

Metabolische Effekte

Wichtiger noch erscheint der Rückgang der Komorbiditäten. Gute belegt wurde dies in der schwedischen SOS-Langzeitstudie, die 2010 operierte und 2037 konservativ behandelte morbid Adipöse (BMI > 40 kg/m2) verglich: Die Diabetiker unter den operierten Patienten erzielten zu 70 % eine Normalisierung ihres Stoffwechsels binnen zwei Jahren; 30 % von ihnen waren auch nach 15 Jahren noch in Remission. Von chirurgischer Intervention profitierten insbesondere Typ-2-Diabetiker mit einem hohen BMI und hoher Insulinresistenz. Denn nach der Ausschaltung gewisser Magen-Darm-Segmente kommt es zu einem Rückgang der Insulinresistenz; gastrointestinale Hormone wie GLP-1, PYY und Ghrelin scheinen hierbei eine Rolle zu spielen. "Bemerkenswert ist auch, dass die jüngsten Daten aus der SOS-Studie eine Verringerung der Neuentstehung des Diabetes bei operierten Patienten belegen", so Hüttl.

"Nachsorge beginnt vor der Operation"

Vor allem im ersten postoperativen Jahr ist eine engmaschige Nachsorge notwendig. Es können chronische Nährstoffdefizite auftreten, die zeitlebens eine Supplementierung von Vitaminen (insbesondere Vitamin B12) und Mineralstoffen indizieren. Blutzucker- und Blutdruckkontrollen sind ebenfalls erforderlich, um antidiabetische und antihypertensive Medikamente rechtzeitig zu reduzieren.

Strenge Indikationsstellung

Nach der S3-Leitlinie zur Chirurgischen Therapie der Adipositas ist ein Eingriff indiziert bei Patienten mit einem BMI ≥ 40 kg/m2 ohne Kontraindikationen, nach Erschöpfung der konservativen Möglichkeiten und nach umfassender Aufklärung. Liegen Adipositas-assoziierte Begleiterkrankungen vor, kommt eine Operation schon bei geringergradig Adipösen infrage, bei Typ-2-Diabetikern unter Umständen schon ab einem BMI von 30. Konservative Möglichkeiten gelten als erschöpft, wenn durch Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie binnen sechs bis zwölf Monaten das individuelle Therapieziel verfehlt wurde. Die Leitlinie fordert zudem die interdisziplinäre Stellungnahme von erfahrenen Chirurgen und gegebenenfalls Psychologen.


Supplementation mit Mikronährstoffen


Magenband:

  • Multivitamine + Spurenelemente, ggf. täglich

Schlauchmagen:

  • täglich Multivitamine + Spurenelemente
  • ggf. alle 3 Monate 1000 µg Vitamin B12 i.m.

Magenbypass/BPD

  • täglich Multivitamine + Spurenelemente
  • Calciumgluconat/-citrat 1,5 g/d
  • Eisen(III) 500 mg i.v. nach Laborwert 1 - 2 x jährlich
  • Vitamin D3 1200 IE/d
  • Vitamin B12 1000 µg i.m. alle 3 Monate
  • Vitamin-B-Kombination 2 x/Woche

Quelle: nach PD Dr. med. Thomas Hüttl, München


Ein großes Problem sieht Hüttl in der mangelnden Umsetzung der wissenschaftlichen Erkenntnisse, insbesondere der restriktiven Genehmigungspraxis der Krankenkassen. "Selbst bei Patienten mit einem BMI über 60 werden in Deutschland medizinisch wie humanitär nicht nachvollziehbare Hürden aufgebaut, während die OP in unseren Nachbarländern bei einem BMI über 35 und Begleiterkrankungen eine Regelleistung darstellt", beklagte der Chirurg.

Radikale Eingriffe

Man unterscheidet zwischen Verfahren, die das Magenvolumen verkleinern und solchen, die die Resorptionsstrecke des Dünndarms verkürzen. Das Magenband, ein von außen verstellbares Silikonband knapp unterhalb der Speiseröhre, ist die einzige reversible Option. Bei der Schlauchmagen-Operation werden über vier Fünftel des Fundus entfernt, so dass nur ein schlauchförmiger Restmagen bleibt. Komplexere Eingriffe sind der Magenbypass (Roux-en-y-Gastric Bypass) und die biliopankreatische Teilung (Bilio pancreatic diversion = BPD), bei denen sowohl Magenvolumen als auch Resorptionsstrecke des Dünndarms verkleinert werden.


Quelle: Update Ernährungsmedizin, veranstaltet vom Else Kröner-Fresenius-Zentrum für Ernährungsmedizin und der ZIEL-TUM-Akademie der TU München, 12. Oktober 2012

Autor

Ralph Schlenger, Apotheker

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