DAZ aktuell

Clopidogrel-Ruhendanordnung war rechtswidrig

KÖLN/BERLIN (jz). Vor fast drei Jahren ordnete das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) das Ruhen von Clopidogrelbesilat-Zulassungen aus einer indischen Betriebsstätte an. Laut der Behörde wiesen die betroffenen Generika nicht die nach den anerkannten pharmazeutischen Regeln angemessene Qualität auf. Das war falsch, entschied das Verwaltungsgericht Köln nun nach zweijährigem Verfahren. Im Zeitpunkt der Anordnung seien keinerlei Anhaltspunkte dafür erkennbar gewesen, dass die Arzneimittel nicht die angemessene Qualität aufgewiesen haben. (Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 3. Dezember 2012, Az. 7 K 432/11)

Im Februar 2010 hatte die Zentrale Arzneimittelüberwachung Bayern auf Verlangen des Ausschusses für Humanarzneimittel (CHMP) im Namen der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) eine GMP (Gute Herstellungspraxis)-Inspektion in der Betriebsstätte Glochem Industries im indischen Visakhapatnam durchgeführt. Dabei wurden ein kritischer und acht schwerwiegende Mängel festgestellt. Im Inspektionsbericht wurde jedoch vermerkt, dass sämtliche Verstöße nachweislich nicht zu einer Qualitätsbeeinträchtigung der betroffenen Arzneimittel führten – eine Gefahr für die Patientensicherheit sei ausgeschlossen.

Gleichwohl ordnete das BfArM im April 2010 das befristete Ruhen der nationalen Zulassung für Arzneimittel mit Clopidogrelbesilat aus der Betriebsstätte Glochem an. Zur Begründung verwies die Behörde auf § 30 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz und Satz 4 in Verbindung mit § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AMG (jeweils alte Fassung). Die festgestellten, weitreichenden Verstöße gegen die GMP-Richtlinien seien geeignet, die pharmazeutische Qualität der Präparate infrage zu stellen. Ein mögliches gesundheitliches Risiko dürfe nicht zulasten der Anwender gehen, so das Argument. Dagegen wehrte sich Hexal und bekam nun recht.

Keine Aussetzung "auf Verdacht"

Der vom BfArM angeführte Versagungsgrund lag nach Ansicht der Verwaltungsrichter im Zeitpunkt der Ruhensanordnung nicht vor: Anders als im Zulassungsverfahren, bei dem ein abstraktes Modell geprüft und zugelassen werde, nach dem die Herstellung des Arzneimittels erfolgen soll, sei bei der Überprüfung bereits zugelassener Arzneimittel die konkrete Umsetzung dieses Modells entscheidend. Denn für eine entsprechende Aussetzung müsste nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AMG (a. F.) das Arzneimittel nicht die nach den anerkannten pharmazeutischen Regeln angemessene Qualität aufweisen. Eine befristete Aussetzung der Zulassung "auf Verdacht" sei daher ausgeschlossen.

Keine Anhaltspunkte auf Qualitätsminderung

Anhaltspunkte dafür, dass die produzierten Chargen und das Arzneimittel tatsächlich qualitätsgemindert waren, waren nach Auffassung der Richter jedoch "nicht ansatzweise" erkennbar – ganz im Gegenteil. Der zuständige Inspekteur der Regierung von Oberbayern habe dem BfArM vielmehr noch am 24. März 2010 per E-Mail mitgeteilt, dass es "nach heutigem Stand keinen begründeten Verdacht auf schädigende Wirkung (Abs. 1 Nr. 4) und auch keinen Nachweis über einen Qualitätsmangel (Abs. 1 Nr. 2)" gebe.

Entsprechende Anhaltspunkte ergaben sich auch nicht aus den festgestellten Verstößen gegen die Grundsätze der Guten Herstellungspraxis in Indien. Soweit sich – was vorliegend nicht belegbar eingetreten war – hieraus ein Risiko in Bezug auf die Arzneimittelsicherheit ergebe, sei es an der zuständigen (Landes)Überwachungsbehörde, die notwendigen Maßnahmen (§ 69 Abs. 1 AMG a. F.) zu ergreifen, stellen die Richter im Urteil klar. Ein Tätigwerden der hier tätig gewordenen Bundesoberbehörde hätte zudem einen Versagungsgrund vorausgesetzt – tragfähige Anhaltspunkte habe es allerdings gerade nicht gegeben.

Lediglich klarstellendes Urteil

Hexal freut sich über die "gewünschte Klarstellung". Das Urteil habe nachträglich die Rechtsauffassung des Unternehmens bestätigt, erklärte ein Sprecher. "Insofern sind wir mit der Kölner Entscheidung sehr zufrieden." Während das Gericht über die im Zeitpunkt der Anordnung geltende Rechtslage zu entscheiden hatte, hat diese sich mit Inkrafttreten der 16. AMG-Novelle im Oktober 2012 geändert: Inzwischen kann auch die Bundesoberbehörde im Benehmen mit der zuständigen Behörde Zulassungen widerrufen, wenn sich herausstellt, dass das Arzneimittel nicht nach den anerkannten pharmazeutischen Regeln hergestellt worden ist bzw. es kann das Ruhen der Zulassung befristet angeordnet werden (§ 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und Satz 4 AMG).


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