Gesundheitspolitik

Betriebsprüfung – was hat sich geändert?

Interview zum Beschluss des Finanzgerichts Dessau

Berlin (jz). Seit Langem herrscht zwischen Steuerberatern und Betriebsprüfern Uneinigkeit über die Grenzen des Datenzugriffsrechts durch die Finanzverwaltung. Im Januar entschied das Finanzgericht SachsenAnhalt nun in einem Eilverfahren, dass der Finanzverwaltung im Rahmen einer Betriebsprüfung Datenzugriff in die Kassenauftragszeile des Warenwirtschaftssystems des Apothekers zu gewähren ist (Az. 1 V 580/12 – siehe AZ Nr. 8/2013 S. 1). Die AZ sprach mit Steuerfachanwalt Dr. Bernhard Bellinger, der das Verfahren vor dem Finanzgericht führt, über die praktische Bedeutung der Entscheidung für Apotheker.

Steuerfachanwalt Dr. Bernhard Bellinger: Datenzugriffsrechte noch nicht abschließend geklärt.
Foto: Bellinger

AZ: Ändert sich durch die Entscheidung des Finanzgerichts bereits jetzt etwas für Apotheker?

Bellinger: Nein, nach jetzigem Stand der Dinge nicht. Das Gericht hat bisher nur in einem parallel zum Klageverfahren laufenden Eilverfahren entschieden. Die Ausgangsfrage, wie weit die Datenzugriffsrechte der Finanzverwaltung tatsächlich gehen, ist keineswegs rechtskräftig entschieden. Denn die Frage des Umfangs der Datenzugriffsrechte für die Marktteilnehmer kann nur vom Bundesfinanzhof entschieden werden. Dieses Hauptsacheverfahren wird Klarheit bringen.


AZ: Warum wehren sich die Steuerberater gegen den Zugriff des Betriebsprüfers auf die Kassenauftragszeile?

Bellinger: Das hat im Kern zwei Gründe. In einem Rechtsstaat muss die Frage erlaubt sein, ob die Finanzverwaltung ein allumfassendes oder ein eingeschränktes Datenzugriffsrecht hat. Der Bundesfinanzhof hat in einem Urteil aus dem Jahr 2009 eindeutig festgestellt, dass es ein allumfassendes Datenzugriffsrecht nicht gibt und jedes Datenzugriffsrecht eine gesetzliche Aufzeichnungspflicht des Apothekers voraussetzt. Eine solche gesetzliche Aufzeichnungsvorschrift kann ich für die Kassenauftragszeile nicht erkennen.


AZ: Und der zweite Grund ?

Bellinger: … liegt in dem Excel-Sheet mit dem Titel "Verprobung", welches die Finanzverwaltung bei der Betriebsprüfung bundesweit verwendet. Durch die falsche Aufbau-Logik und ein offenkundig irrtümliches Auslesen digitaler Daten sind durchschnittlich rund 70 Prozent der relevanten Zahlen in diesem Excel-Sheet falsch. Die Verwendung des Excel-Sheets führt in allen mir bekannten Fällen immer zu dem Ergebnis, dass der Apotheker wahrscheinlich Einnahmen am Fiskus vorbei erzielt habe und eine Hinzuschätzung deshalb unausweichlich sei. Die dabei aufgerufenen Hinzuschätzungsbeträge sind teilweise schlichtweg absurd hoch. Bereinigt der Steuerberater das Excel-Sheet um die Fehler, bleibt für eine Hinzuschätzung regelmäßig überhaupt kein Raum.


AZ: Welche Folgen hätte es, sollte sich der Bundesfinanzhof am Ende dem Beschluss des Finanzgerichts anschließen – gäbe es dann den "gläsernen Apotheker"?

Bellinger: Das würde dem Fiskus den totalen Datenzugriff auf alles, was im Warenwirtschaftssystem einer Apotheke gespeichert wurde, eröffnen – ja, der Apotheker wäre dann gläsern. Es entstünde eine auszuhändigende Datenflut mit der Konsequenz, dass Betriebsprüfungen faktisch nur noch von Steuerberatern begleitet werden könnten, die versierte Daten-Analysten sind. Es müsste dann allerdings auch die Frage gestellt werden, wie die Systeme so strukturiert werden können, dass der Apotheker noch den Datenschutz einhalten kann.


AZ: Herr Dr. Bellinger, vielen Dank für das Gespräch!



AZ 2013, Nr. 9, S. 3

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