Wirtschaft

Kooperationen – auch für Apotheken eine strategische Option?

Teil I: Von vertikalen und horizontalen Netzwerken

Viele Apotheker betrachten Kooperationen als "zweischneidiges Schwert". Heute verwendet man diesen Begriff, um auszudrücken, dass etwas sowohl von Vorteil als auch von Nachteil sein kann. Wenn wir uns die ursprüngliche Bedeutung ansehen, dann bot ein Schwert, dessen Klinge beidseitig geschliffen war, mehr Möglichkeiten im Angriff. Denn jeder Schlag, ob mit der einen oder mit der anderen Seite der Klinge, konnte erfolgreich sein.

Und sollte eine Seite der Klinge stumpf geworden sein, weil sie bevorzugt genutzt worden war, so konnte man immer noch mit der anderen, der scharfen Seite weiterkämpfen. Neben dem Schwert war es sinnvoll, einen Schild zu nutzen. Er diente der Verteidigung und signalisierte zugleich mit seinem Wappen, zu wem man gehörte. Diese Ausrüstung findet sich auch in einer Kooperation wieder: Das Schwert stärkt die Partner für den Wettbewerb, der Schild verdeutlicht die Partnerschaft nach innen wie nach außen.

Deutschland – das Land der Kooperationen

Offenbar haben sich in Deutschland viele Unternehmen dafür entschieden, Partner in einer Kooperation zu werden. Das belegen die Mitgliederzahlen im Deutschen Franchise Verband (DFV), im Mittelstandsverbund (ZGV) und im Genossenschaftsverband. Viele Kooperationen können mittlerweile auf etliche Jahrzehnte an Erfahrungen zurückblicken. Die Geschichte der Kooperationen im Apothekenbereich ist dagegen eine jüngere – aber offenbar erfolgreiche. Nach Dr. Stefan Hartmann, dem Vorsitzenden des Bundesverbandes Deutscher Apothekenkooperationen (BVDAK), haben sich derzeit rund 16.000 der 21.200 Apotheken in Deutschland einer Kooperation angeschlossen, das sind 75 Prozent. Zudem gehören etwa 3200 Apotheken sogar mehr als einer Kooperation an (DAZ 2012, Nr. 45, S. 30). Wer vor diesem Hintergrund bestimmten Apothekerinnen und Apotheker per se den strategischen Weitblick abspricht, hat vielleicht diese Zahlen nicht vor Augen oder kennt den Nutzen nicht, den Kooperationen bieten können.

Kooperationen sind Netzwerke

Das wesentliche Merkmal einer Kooperation ist, dass die Mitglieder ihre rechtliche und grundsätzlich auch wirtschaftliche Selbstständigkeit behalten. Allerdings ist die Bandbreite groß, auf der sich der Grad der wirtschaftlichen Selbstständigkeit abbilden lässt. Die Pole bilden Kooperationen, die ihren Partnern große Freiräume lassen, und Kooperationen, die ihren Partnern weitgehend alle Parameter des Marktauftritts – mit Ausnahme des Preises – und der Gestaltung der rückwärtigen Prozesse vertraglich vorgeben. Jeder potenzielle Partner ist frei, sich solchen Vereinbarungen zu unterwerfen. Es hat sich aber gezeigt, dass besonders jene Kooperationen erfolgreich sind, die ihre Mitglieder an ein einheitliches Vorgehen binden, sowohl bei den rückwärtigen Prozessen als auch im Marktauftritt.

Zur Charakteristik von Kooperationen: Vertikale Kooperationen arbeiten über zwei Wirtschaftsstufen hinweg zusammen, wie z. B. Industrie und Handel in der Automobilwirtschaft oder beim Category Management in der Lebensmittelbranche. Horizontale Kooperationen sind Kooperationen auf derselben Wirtschaftsstufe, wie z. B. im Handel mit Lebensmitteln, Bekleidung, Baustoffen, Elektro- und Elektronikartikeln. Als vertikal kann man im Apothekenbereich solche Kooperationen bezeichnen, bei denen eine enge Verbindung zwischen Pharmagroßhandel und Apotheken besteht. Beispiele sind Gehe und gesund leben, Sanacorp und meine apotheke sowie Alliance Healthcare Deutschland (ehemals Anzag) und vivesco. Wenn sich durch die Zusammenarbeit mit einem Pharmagroßhändler Einkaufsvorgänge und größere Mengen bündeln lassen, entstehen Skaleneffekte. Solche Kostenvorteile sind auch bei anderen Prozessen der Betriebsführung möglich, sobald größere Mengen und Erfahrungen zusammenkommen.

Beispiele für horizontale Apothekenkooperationen sind die Guten Tag Apotheken und die easyApotheken. Horizontale Kooperationen können ihre Aktivitäten auch ausgliedern und eigenen Gesellschaften übertragen. Sobald eine Organisationseinheit vorhanden ist, die für andere Apotheken Aktivitäten bündelt, kann man von einem Systemkopf oder einer Systemzentrale sprechen, unabhängig davon, ob es sich um eine vertikale oder eine horizontale Kooperation handelt.

Apothekenkooperationen können auch selbst die Produktion (i. d. R. als Auftragsfertigung) oder den Großhandel mit pharmazeutischen Produkten betreiben. Sie integrieren dann vorgelagerte Wirtschaftsstufen und werden somit zu einem vertikal integrierten System. Ein Beispiel hierfür ist die Gesund ist bunt-Apothekenkooperation mit ihrer GIB Pharma GmbH. Die Entwicklung zeigt, dass Apothekenkooperationen im Laufe der Zeit ihre Strukturen ändern. Sie können als "einfache" Horizontalkooperation begonnen, zunehmend Funktionen gebündelt und die vertikale Kooperation (z. B. Category Management mit der Industrie) sowie schließlich die vertikale Integration (z. B. Produktion von Eigenmarken) betrieben haben.

Apothekenkooperation – Für und Wider im Überblick

Wenn Apothekerinnen und Apotheker kooperieren, dann heißt das für jeden Partner: Nehmen und Geben. Sie erhalten durch die Zentrale Entlastung und damit mehr Freiräume für die Tätigkeiten vor Ort, müssen aber gleichzeitig Freiheiten aufgeben. Eine Befragung von Apotheken durch das Kölner Institut für Handelsforschung (IfH) ergab, dass die Hauptgründe für den Eintritt in eine Kooperation die Verbesserung des Einkaufs (88%) sowie des Marketings (58%) seien. Weniger wichtig seien die Finanz- und Investitionsberatung sowie Hilfen bei der Personalplanung. Als Gründe gegen eine Kooperation wurden zu hohe Kosten (70%) und der Wunsch, unabhängig zu bleiben (66%), genannt. Wir gehen im Folgenden auf das Nehmen und Geben etwas detaillierter ein.

Was Apotheken nehmen: Die Leistungen der Zentrale

Das Ziel der Kooperationen ist, wie es der Mittelstandsverbund (ZGV) beschreibt, die "Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der Mitglieder zu stärken und so zu deren Existenzsicherung beizutragen." Die inhaltlichen Unterschiede zwischen den Verbundgruppen ergeben sich vor allem durch den Umfang des Dienstleistungsangebotes der Verbundgruppenzentrale und durch das Ausmaß, in dem sich die Mitglieder einer Kooperation vertraglich binden.

Die Systemzentrale einer Kooperation kann zahlreiche Leistungen anbieten, die vom Einkauf über Logistik, Zentralregulierung, Delkredere, Werbung, Marktforschung, Weiterbildung, Beratung und IT-Unterstützung bis hin zur Entwicklung von Handelsmarken, Betriebstypen und einer Markenstrategie für die Kooperation reichen.

Worin liegen die Vorteile für die Apotheken, wenn sie solche Leistungen in Anspruch nehmen? Da sind zunächst monetäre Vorteile. Wenn größere Beschaffungsmengen gebündelt werden, lassen sich günstigere Einkaufspreise bei den Lieferanten aushandeln. Monetäre Vorteile ergeben sich auch daraus, dass der Apotheker nicht der Generalist für alle betrieblichen Prozesse in seiner Offizin sein muss, sondern diese Tätigkeiten Spezialisten in der Zentrale übertragen kann. Deren Fachwissen hilft, Aufgaben in kürzerer Zeit und mit größerer Effizienz zu lösen.

Eine wesentliche Entlastung entsteht bereits dadurch, dass die einzelnen Apotheker nicht mehr die Kontakte zu bestimmten Anbietern von Waren und Dienstleistungen unterhalten müssen, sondern dass dies die Zentrale übernimmt. Gleichzeitig entlastet die Zentrale auch die Anbieter von Waren und Dienstleistungen, da sich deren Aufwand für die Pflege von Kontakten zu den Mitgliedern der Kooperation reduziert.

Die Aufgabenteilung zwischen der Zentrale und den Mitgliedsbetrieben ist dann sinnvoll zugeschnitten, wenn jeder das macht, was er am effizientesten, das heißt mit dem geringsten Einsatz an Ressourcen, bearbeiten kann: die Zentrale die rückwärtigen Prozesse und den gemeinsamen Marktauftritt als Verbundgruppe, die Apotheker die Betreuung der Kunden vor Ort, ihr Kerngeschäft.

Was Apotheken geben: Die Beiträge der Mitglieder

Die Mitglieder leisten monetäre und nicht-monetäre Beiträge. Je nach Geschäftsmodell bezahlen sie erstens Geld für die Aufnahme in die Kooperation, zweitens monatliche bzw. jährliche Beiträge, in denen bestimmte Leistungen der Zentrale bereits enthalten sein können, sowie drittens Geld für einzelne von der Zentrale abrufbare Leistungen.

Mindestens ebenso notwendig wie die monetären sind die nicht-monetären Beiträge der Mitglieder. Diese fangen an bei der Umsetzung vertraglich vereinbarter Pflichten wie z. B. die Verwendung der Kooperationsmarke in und an der Apotheke, gehen weiter über die freiwillige Teilnahme an Maßnahmen, wie z. B. von der Zentrale geplante Werbeaktionen, bis hin zur Entsendung von Personal in Ausschüsse und zur Initiierung und Umsetzung von Maßnahmen vor Ort oder in der Region, um die Marke und damit die Verbundgruppe zu stärken. So ist zu beobachten, dass die Apothekerinnen und Apotheker einer Kooperation in einzelnen Regionen zusammenarbeiten, um gemeinsam Zeitungswerbung oder Verkehrsmittelwerbung zu schalten oder um Veranstaltungen für die Verbraucher zu organisieren. Auf diese Weise kombinieren sie die regionalen Besonderheiten mit den Vorteilen einer überregional ausstrahlenden Kooperationsmarke.


Univ.-Prof. Dr. Hendrik Schröder, Universität Duisburg-Essen, Lehrstuhl Marketing und Handel


In Teil II des Beitrags zu Kooperationen lesen Sie nächste Woche, welchen Sinn die Nutzung einer gemeinsamen Kooperationsmarke haben kann und wie Apotheker die Leistungen der Kooperationszentralen beurteilen. Sie finden ihn in Apotheker Zeitung Nr. 8 vom 18. Februar 2013, S. 4



AZ 2013, Nr. 7, S. 6

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