Gesundheitspolitik

Gleich zu gleich gesellt sich gern oder Gegensätze ziehen sich an – das Verhältnis von Arzt und Apotheker

Prof. Dr. Andreas Kaapke

Beide sind Naturwissenschaftler, beide haben ein langes, schweres und von Entbehrungen geprägtes Studium hinter sich, beide müssen diverse Stufen erklimmen, bevor sie ein eigenes "Geschäft" eröffnen können, beide arbeiten medizinisch, beide direkt mit Menschen und am Menschen, beide kümmern sich um das wichtige Thema Gesundheit, und wenn beide Fehler machen, kann dies verheerende Auswirkungen auf die davon betroffenen Personen haben. Es mangelt also nicht an Gemeinsamkeiten, wenn in einem Atemzug über Arzt und Apotheker gesprochen wird und doch hat man allzu oft den Eindruck, dass das Verhältnis seltsam verkrampft ist. Apotheker sehen sich häufig nicht auf Augenhöhe mit den Ärzten, sicher kommt es daher, dass sie in der Wahrnehmung vieler als die Vollstrecker ärztlicher Entscheidungen gesehen werden. Aber ist das Verhältnis wirklich so eindimensional wie diese Einschätzung glauben machen möchte? Eine Studie des Instituts für Handelsforschung, Köln, zur Selbstmedikation aus dem Jahr 2011 hat eindeutig gezeigt, wie wichtig die richtige Beratung im Bereich der Selbstmedikation ist, also in jenem Fall, in dem die Kunden/Patienten zunächst in die Apotheke kommen. Hier kann die Apotheke entweder durch die Abgabe eines besonders brauchbaren, auf den Bedarf des Patienten abgestimmten Arzneimittels oder durch den Rat des Apothekers, besser einen Arzt zu konsultieren, punkten.

Während Apotheken noch vergleichsweise gut das Geschäftsmodell Praxis eines Arztes durchblicken, ist das Geschäftsmodell Apotheke für weite Teile der Bevölkerung, aber auch für Ärzte häufig eine Black Box. Wenn man Ärzte zur Situation von Apotheken befragt, geht es oft nicht über das allgemeine Verständnis hinaus, wie man es aus allen Bevölkerungskreisen kennt und dies, obgleich die Zusammenarbeit zwischen Arzt und Apotheke täglich erfolgt.

Oftmals muss die Zusammenarbeit zwischen beiden Berufsgruppen sehr eng erfolgen, in Zukunft wird diese Zusammenarbeit, beispielsweise beim Medikationsmanagement mit Sicherheit noch zunehmen. Und oft bügeln Apotheken das aus, was ein einzelner Arzt oder das Zusammenspiel mehrerer Ärzte durch eine Verschreibung an höchst gefährlichen Folgen auslösen würde.

Zu der nicht flächendeckenden, aber erschreckend häufig vorkommenden Unkenntnis über die wesentlichen Betätigungsfelder des jeweils anderen Berufes kommt eine bisweilen spürbare Antipathie. Vielleicht ist dies damit zu erklären, dass Ärzte wohl in der Bevölkerung einen noch höheren Rang als Apotheker einnehmen. Sich dessen gewahr sind Pharmazeuten aus Sicht der Ärzte gewissermaßen Mini-Ärzte, für Apotheker ist der Arzt kein echter Naturwissenschaftler. Man kennt dieses zugewiesene Rollenverständnis aus anderen verwandten Disziplinen. Der Jurist lächelt über den Notar, der BWLer über den VWLer. Zwar hat dieser den höheren theoretischen Anspruch, gilt aber als nicht praxistauglich. Der VWLer versagt der Betriebswirtschaft gar den Rang einer Wissenschaft. Und innerhalb der BWL beschimpfen die Marketing-Leute die Steuerfachleute als Erbsenzähler, währenddessen diese die Marketing-Experten als "Rampensäue" diskreditieren.

Vermutlich liegen aber hinter all den emotionalen, irrationalen Gründen für das suboptimale Verhältnis handfeste ökonomische Gründe. In einem gesetzlich stark regulierten System geht es um Verteilungskämpfe, was Ressourcen und Vergütungen anbetrifft. Jeder Euro, der in das Apothekensystem gepumpt wird, kommt nicht bei den Ärzten an – et vice versa. Da die letzten Jahre von Kostendämpfungen im Gesundheitssystem geprägt waren, sind eben Großzügigkeiten anderen Disziplinen gegenüber immer auch mit der Gefahr einer budgetären Einschränkung im eigenen Bereich verbunden. So sind die institutionellen Animositäten auf zwischenmenschlicher Ebene oft halb so schlimm, im Gegenteil, tolle Beispiele belegen, dass das Zusammenspiel wunderbar funktioniert.

Die letzten Jahre haben aber auch eines gelehrt: Allen Akteuren im Gesundheitswesen stünde es gut zu Gesicht, den Blick über den eigenen Tellerrand nicht nur zu wagen sondern aktiv zu vollziehen. Das Gesundheitssystem der Zukunft muss horizontal wie vertikal vernetzt sein, weil es den Kampf gegen das "Knapper werden" der Ressourcen bei zunehmendem Bedarf aufgrund demografischer Veränderungen ansonsten nicht gewinnen kann. Den Apothekenlobbyisten muss deshalb angedient werden, Projekte zu fördern und zu suchen, die nicht im eigenen "Saft verharren", sondern den Blick über das Apothekenwesen hinaus suchen. Bei dann sinnvollen Vorschlägen wird sich das Verhältnis an der einen oder anderen Stelle weiter verhärten, aber insgesamt wird das Verständnis für die jeweiligen Aufgaben erhöht. Ob dies zu einer dauerhaften Liebe zwischen Arzt und Apotheker führen kann, ist unwahrscheinlich – aber zum Kuscheln könnte es reichen.


Andreas Kaapke


Andreas Kaapke ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Standort Stuttgart, und Inhaber des Beratungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte. E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de



AZ 2013, Nr. 7, S. 2

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