Gesundheitspolitik

Von Entrückten, Verdrossenen, Wundertüten und Überraschungen

Freiberuflichkeit im Koalitionsvertrag erwähnt, aber ohne Nennung des Apothekerberufs

Andreas Kaapke ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Standort Stuttgart, und Inhaber des Beratungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte. E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de

Die Bundestagswahl ist seit nahezu drei Monaten vorbei und wir haben – endlich – eine neue Regierung. Dies muss man sich nicht zuletzt vor dem Hintergrund einer nur vierjährigen Legislaturperiode und der nun gebildeten Großen Koalition auf der Zunge zergehen lassen. Bedauerlicherweise wird von den meisten Journalisten die Phase der Sondierung gar nicht mehr erwähnt, die schon geschlagene vier Wochen gedauert hatte. Danach war klar, dass CDU/CSU und SPD in Verhandlungen eintreten würden, die Grünen waren aus eigener Ansicht noch nicht weit genug. Mit Verlaub – hätten die Grünen dies nicht schon zuvor wissen können? Es macht beklommen zu hören, dass jemand, der sich zur Wahl stellt, sich danach selbst als noch nicht weit genug einschätzt. Die SPD leistete sich aber noch Unmöglicheres. Hat denn den Partei-Granden niemand erklärt, dass wir uns in einer Parlamentarischen Demokratie befinden und deren Wesensmerkmal die stellvertretende Wahl ist. Die teilweise Einführung basisdemokratischer Elemente hebelte schlichtweg die Verfassung aus. Das dies geduldet und hingenommen wird, muss man nun der CDU/CSU anlasten. Was ist das für ein Koalitionspartner, der das Votum seiner Mitglieder braucht, um in eine Regierung einzuziehen. Offensichtlich ist die SPD auch noch nicht weit genug. Die Schwäche der CDU/CSU war und ist, dass sie dies mitgemacht hat.

Nun haben die SPD-Mitglieder tatsächlich für die Große Koalition votiert. Sigmar Gabriel hat das Votum nun hinreichend gelobt, sich selbst gefeiert und würdigt die hohe staatsbürgerliche Verantwortung, die die SPD-Mitglieder gezeigt haben. Bei einem schlechten Ergebnis wären alle SPD-Mandatsträger demontiert gewesen. Noch fataler wäre es allerdings gewesen, wenn das Ergebnis negativ ausgefallen wäre und die SPD-Mitglieder gegen den Koalitionsvertrag gestimmt hätten. Dann hätte man schlicht und ergreifend drei Monate verloren. Das vorgeführte Spektakel hat vor allem eines erzeugt: Verdrossenheit, tiefe Verdrossenheit. Die Politik ist entrückt. Indem die SPD die Basis bemühte, hat sie die Basis verloren, ist sie der Basis entrückt. Indem es die anderen Parteien zuließen, haben sie der Entrückung Nahrung gegeben. Ich hätte nicht geglaubt, dass ich jemals zu den Verdrossenen zählen würde, denn Politik ist ein schwieriges Geschäft, das muss man akzeptieren. Aber was sich nun abgespielt hat, spottet jeder Beschreibung. Macht das Beispiel SPD Schule, wird bei passender Gelegenheit die Basis befragt, für jeden Mumpitz. Damit hat man sich in dynamischen Zeiten der notwendigen Handlungsfähigkeit jeder Regierung beraubt. Dann haben SPD-Mitglieder oder insgesamt Parteimitglieder mehr in der Demokratie zu sagen als Nicht-Parteimitglieder, das darf nicht sein.

Nun ist endlich auch die Kabinettsliste bekannt und das Gesundheitsministerium wird als Wundertüte und Überraschungs-Ei besetzt. Zwischenzeitlich lief alles auf Ursula von der Leyen zu. Das wäre ein Fortschritt gewesen, denn – ob man sie nun mag oder nicht – sie hat bislang noch immer einem Ministerium Glanz verliehen. Nun kommt aber der Parteisoldat Hermann Gröhe als Ressortchef zum Zug. Der Vorteil: es ist ein Merkel-Vertrauter, damit hat er einen guten Zugang zur Kanzlerin und kann manches Thema zur Chefsache machen. Der Nachteil seiner Person: er hat sich weder als Gesundheitspolitiker hervorgetan noch in irgendeiner Weise bislang durch Gesundheitsthemen geglänzt. Auch ist bitter, dass es alle Spatzen von den Dächern pfeifen. Für Frau von der Leyen wäre das unbeliebte Gesundheitsministerium ein Abstieg gewesen, da musste und durfte es schon ein bisschen mehr sein. Gröhe wird für einen gut organisierten und im Ergebnis zufriedenstellenden Wahlkampf mit einem wenig beliebten Ministeramt belohnt. Aber man sollte kein Trübsal blasen: denn Lauterbach ist es nicht geworden und das Ministerium wird auch nicht von der SPD geführt, was mit hoher Wahrscheinlichkeit im Bereich Gesundheit eher die Diskontinuität gestärkt als die Kontinuität befördert hätte. Man kann Hermann Gröhe nur eine glückliche Hand und der Standesvertretung Geschick im Umgang mit ihm wünschen.

Nun noch kurz zu den Inhalten, die in zig Gruppen und ebenso vielen Verhandlungsrunden vorbereitet und dann in einen Koalitionsvertrag gegossen wurden. Auf der Ebene der Gesundheitspolitik werden die Apotheker noch nicht einmal erwähnt – auch nicht beim Thema Freiberuflichkeit, das explizit thematisiert wurde. Das ist alles andere als gut, es war davor schon wenig bis nichts, was man zu Apotheken in den Wahlprogrammen nachlesen konnte. Von daher bleibt es spannend, wie die neue Regierung den Apothekern begegnen wird. Den zusehends entrückten Politikern kann der zunehmend verdrossene Bürger und noch verdrossenere Apotheker nur in bester Tradition zurufen: vergesst uns nicht, denn wir sind das Volk.  

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