Recht

Unzulässige Werbung mit Selbstverständlichkeiten

Werben mit Tätigkeiten, zu denen man ohnehin verpflichtet ist – ein schmaler rechtlicher Grat

Eine Berliner Apothekerin warb für ihre Apotheke u.a. mit der „Bearbeitung aller Rezepte“ und wurde deswegen von der Wettbewerbszentrale abgemahnt. Eine solche Aussage stelle eine wettbewerbsrechtlich unzulässige Werbung mit Selbstverständlichkeiten dar, da jeder Apotheker nach § 17 Absatz 4 der Apothekenbetriebsordnung dazu verpflichtet sei, Verschreibungen innerhalb einer angemessenen Zeit auszuführen. Auch wenn die genannte Einordnung in der Sache Zustimmung verdienen mag, kann dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich letztlich um eine Einzelfallentscheidung handelt. Der vorliegende Beitrag kann deshalb nur den Anspruch haben, den Apotheker für den schmalen Grat einer derartigen Werbung zu sensibilisieren.

Gesetzliche Rahmenbedingung

Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verbietet unlautere geschäftliche Handlungen. Als geschäftliche Handlung gilt gemäß § 2 Absatz 1 Nr. 1 UWG jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. Unlauter ist eine solche Handlung dann, wenn sie irreführend ist, was gemäß § 5 Absatz 1 S. 2 Alt. 2 UWG unter anderem dann der Fall ist, wenn sie sonstige zur Täuschung geeignete Angaben enthält. Dass diese Angaben in aller Regel den Tatsachen entsprechen, bleibt dabei unberücksichtigt. Eben in jene Fallgruppe ordnet die Rechtsprechung die Werbung mit Selbstverständlichkeiten ein.

Foto: ABDA
Keine Grundlage für die Apothekenwerbung Rezepte einzulösen gehört zur Pflicht der Apotheke. Werbung mit derlei „Selbstverständlichkeiten“ kann abgemahnt werden. Allerdings gibt es Ausnahmen ...

Werbung mit wahren Tatsachen

Die Werbung mit zutreffenden Tatsachen wie beispielsweise der Eigenschaft einer Sache, dem Anbieten von bestimmten Dienstleistungen oder das Gewähren von besonders günstigen Preisen ist als existenzielle Ausformung der grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit im Grundsatz stets zulässig. Wettbewerbsrechtliche Relevanz erfährt eine solche Bewerbung erst dann, wenn sie bei dem Werbeadressaten den Eindruck vermittelt, es würden z.B. solche Eigenschaften, Dienstleistungen oder Preisvorteile beworben, die der Werbende exklusiv anbietet, obwohl das Gegenteil der Fall ist. Andererseits muss der Werbende auf bestimmte Tatsachen hinweisen dürfen, da der Verbraucher ansonsten davon ausgehen könnte, der Unternehmer biete beispielsweise eine markt- und branchenübliche kostenlose Zusatzleistung gerade nicht an. Ob die Gerichte eine Werbung vor diesem Hintergrund als unlauter oder als nicht wettbewerbswidrig ansieht, ist – wie einleitend angesprochen – immer nur im konkreten Einzelfall zu beurteilen bzw. zu prognostizieren (s. Praxistipp I und Exkurs).

Praxistipp I

Die Bewerbung von wahren Tatsachen ist dann zulässig, wenn sie den Kunden nicht ausnahmsweise durch ihre Aufmachung irreführt.

Exkurs: Verbraucherleitbild des UWG

Wichtig für das Verständnis der Vorschriften des UWG ist es, dass seitens des Gesetzes nicht die konkret individuelle Irreführung eines bestimmten Kunden entscheidend ist, als vielmehr die abstrakte Irreführungsgefahr bezogen auf einen (Durchschnitts-)Verbraucher. Das von der Rechtsprechung entwickelte Verbraucherleitbild geht dabei von einem der Situation angepasst aufmerksamen, durchschnittlich informierten und durchschnittlich verständigen Verbraucher aus. Maß gibt bei der Feststellung des „konkreten“ Durchschnittsverbrauchers dabei in der Regel die jeweilige Situation, die sich bei Erwerbsgegenständen wiederum entscheidend am Preis ausrichtet.

Entscheidende Kriterien in der Rechtsprechung

Zur normativen Anknüpfung der Entscheidung, ob es sich bei einer Bewerbung von Tatsachen um eine unzulässige Werbung mit Selbstverständlichkeiten handelt, haben sich einige maßgebende Merkmale herauskristallisiert:

  • Aufmachung der Werbung

Eine erhebliche Rolle bei der Bewertung der Werbung spielt die Frage nach deren optischer Gestaltung. Beschreibt der Apotheker das eigene Leistungsspektrum im Rahmen einer eher informativen Aufzählung, in der beispielsweise auf die Möglichkeit der Vorbestellung von Arzneimitteln über das Internet, des kontrollierten Blutdruckmessens für Hypertonie-Patienten, der kostenlosen Begutachtung der kundenindividuellen Multimedikation und dem Vorhandensein eines Botendienstes hingewiesen wird, so stellt dies in der Regel auch dann keine irreführende Werbung dar, wenn die Leistungen entweder teilweise gesetzlich vorgeschrieben sind oder sie von einer Vielzahl von Apotheken angeboten werden, derlei also „selbstverständlich“ sind.

Stellt der Apotheker innerhalb der Werbung eine Leistung oder Eigenschaft optisch heraus (Fettdruck, Alleinstellung, Highlight, etc.), so sollte diese auch eine Herausstellung verdienen, d.h. eben eine ganz besondere Leistung oder Eigenschaft des Apothekers beschreiben.

  • Eigenschaft oder Leistung gibt bloß gesetzliche Pflicht wieder

Hinsichtlich dieser Fallgruppe gilt es zwei weitere Besonderheiten zu beachten. Einerseits stellt die Rechtsprechung darauf ab, inwieweit dem Kunden die gesetzliche Verpflichtung des Werbenden zum Anbieten der hervorgehobenen Leistung oder zur Sicherstellung von bestimmten (Produkt-)Eigenschaften vertraut ist. Kennt der Verbraucher die Pflicht, so hat die Werbung deutlich weniger Irreführungspotenzial inne, da er sich mutmaßlich durch diese nicht unsachlich beeinflussen lässt. Ist die Verpflichtung dem Kunden unbekannt, wird er sie eher als besonderes Entgegenkommen des Apothekers verstehen, was eine unlautere Irreführung bedeuten kann. Analog gilt das Vorgesagte auch für die Marktüblichkeit – je vertrauter dem Kunden diese ist, desto weniger Irreführungspotenzial hat die Werbeaussage.

  • Aufklärende Hinweise

Bewirbt der Apotheker solche Tatsachen, die durchaus als selbstverständlich einzustufen und dem Kunden weniger geläufig sind, können aufklärende Hinweise die Werbung dennoch als zulässig gestalten. Denkbar wäre – wenn es dem Apotheker ganz entscheidend auf die Bewerbung einer bestimmten (allerdings gesetzlich vorgeschriebenen) Leistung ankommt – diese mit einer Fußnote zu verbinden und dort die gesetzliche Verpflichtung aufzuschlüsseln (s. Praxistipp II).

Praxistipp II

Bei der Bewerbung von gesetzlich vorgeschriebenen oder marktüblichen Eigenschaften und Leistungen kommt es entscheidend darauf an, wie die Werbung optisch dargestellt wird, ob die „Selbstverständlichkeit“ der Tatsachen dem Durchschnittskunden geläufig ist und ob einer Irreführung durch erläuternde Hinweise entgegengewirkt werden kann.

Fazit

Der Umgang mit der Bewerbung von vermeintlichen Selbstverständlichkeiten birgt unbestreitbare Risiken, eine abstrakte Beurteilung der Zulässigkeit einer Werbung ist nahezu unmöglich. Orientiert sich der Apotheker indes bereits bei der Planung an den oben genannten Kriterien, kann das Abmahnrisiko beträchtlich gesenkt werden. 

Rechtsanwalt Andreas Frohn, Kanzlei am Ärztehaus, Frehse Mack Vogelsang, Köln, www.kanzlei-am-aerztehaus.de

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