Gesundheitspolitik

BMI legt sich quer

Berlin (lk). Seitdem das Bundesinnenministerium grundsätzliche Einwände gegen die vom Bundesgesundheitsministerium präsentierte Umsetzung der Not-und Nachtdienstpauschale erhoben hat, läuft die Suche nach einer Alternativlösung auf Hochtouren. Zur heutigen (Montag) Koordinierungsrunde der Gesundheitspolitiker der Koalition mit dem BMG soll ein aktueller Bericht vorliegen. Letzte Woche zitierte die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ) aus einer Stellungnahme des Bundesinnenministeriums (BMI). Die versprochene Pauschale sei "mit dem Wesen des Beihilferechts des Bundes nicht vereinbar", heißt es darin.

Gesetz statt Verordnung

Auch politisch sehen die Beamten von CSU-Innenminister Hans-Peter Friedrich laut FAZ keine Umsetzungschance: Überhaupt sei "eine Zustimmung der Bundesländer zu dem Gesetzentwurf nicht zu erwarten". Inzwischen sind sich Fachleute und Politiker offenbar einig, dass die neue Nacht- und Notdienstpauschale nicht mit einer Verordnung eingeführt werden kann. Ein Gesetz muss her, und das wäre wegen der Einbeziehung aller staatlicher Ebenen in der Länderkammer zustimmungspflichtig.

Das Innenministerium sieht laut FAZ aber auch weitere Probleme und fürchtet den Vorbildcharakter der versprochenen Pauschale: Auch andere könnten auf die Idee kommen, mit Verweis auf Daseinsvorsorge finanzielle Forderungen zu stellen: "Entsprechende Forderungen anderer Anbieter der Daseinsvorsorge wie der Ärzteschaft oder gar von Tankstellenbetreibern (die durch einen flächendeckenden Notdienst im ländlichen Raum die Einsatzfähigkeit der Rettungsfahrzeuge sicherstellen) könnten folgen", zitiert die FAZ. Außerdem bemängelt das BMI, dass das BMG eine Steuerfinanzierung erst gar nicht geprüft habe.

Erneute Honorarerhöhung?

Unklar ist derzeit, wie die Koalitionspolitiker jetzt ihr auch zuletzt noch bekräftigtes Versprechen umsetzen wollen, 120 Millionen Euro den Apothekern als zweiten Teil der Honorarrunde zukommen zu lassen. Laut übereinstimmenden Berichten hat Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) im Zuge der Honorarerhöhung auf 8,35 Euro im vergangenen Herbst zugesagt, gegebenenfalls das Apothekenhonorar auf 8,55 Euro anzuheben. Fraglich erscheint jedoch, ob eine zweite Erhöhung innerhalb so kurzer Frist in einem wichtigen Wahljahr politisch durchsetzbar ist.

BAK-Appell an die Bundesregierung

Angesichts der unklaren Sachlage appellierte die Bundesapothekerkammer (BAK) an die Bundesregierung, ihre Zusage einzulösen. Es müsse ein finanzieller Ausgleich für die Zusatzbelastungen durch die zahlreichen Nacht- und Notdienste herbeigeführt werden, hieß es letzte Woche in einer Pressemeldung. "Die Koalition hat uns die Notdienstpauschale für 2013 fest zugesagt – und die Apotheker warten dringend auf einen Umsetzungsvorschlag aus dem Bundesgesundheitsministerium", sagte BAK-Präsident Dr. Andreas Kiefer: "Wir vertrauen darauf, dass die Bundesregierung einen Weg findet, diese Bedenken auszuräumen. Für die praktische Umsetzung stehen die Landesapothekerkammern bereit."

"Partei- und länderübergreifend ist der Notdienst der Apotheken als wichtige Gemeinwohlpflicht anerkannt und seine Unterfinanzierung unbestritten", so der BAK-Präsident weiter. "Gerade die Regierungen der Flächenländer – ob schwarz-gelb oder rot-grün – brauchen und wollen eine zukunftsweisende Versorgung ihrer Bevölkerung auch fernab der großen Städte." Die Landesapothekerkammern sorgten für eine gleichmäßige, bürger- und patientennahe Dienstverteilung in der Fläche. Sie – da ist Kiefer sicher – würden die Notdienstpauschale "ebenso gerecht von Rügen bis zum Berchtesgadener Land verteilen". Die Hoffnung der Apotheker auf die Stärkung der wenig lukrativen Versorgungsstandorte auf dem Land dürfe nicht enttäuscht werden, so sein Appell.

ABDA weiter protestbereit

Unterdessen hat die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) ihre Protestbereitschaft unterstrichen: "An der Absicht, am 28. Februar 2013 einen bundesweiten Protesttag durchzuführen, möchten wir bei dieser Sachlage mehr denn je festhalten und hoffen, dass dies Ihre Zustimmung findet." Bis dahin werde man sich "weiter bemühen, die konkreten Lösungsvorschläge des BMG übermittelt zu bekommen, damit wir diese auch eigenständig bewerten können und nicht auf die über die Presse vermittelten Einschätzungen des Bundesinnenministeriums angewiesen sind", heißt es in einer aktuellen Information an alle Mitgliedsorganisationen.

Bei mehreren Gesprächsmöglichkeiten zum Jahresbeginn, zuletzt bei dem "Gesundheitspolitischen Jahresauftakt 2013" der Deutschen Apotheker- und Ärztebank, habe Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr nochmals bekräftigt, die Notdienstpauschale einführen und ein entsprechendes Gesetzesvorhaben auf den Weg bringen zu wollen, heißt es im Schreiben weiter. Schon im vergangenen Jahr habe die ABDA aus dem BMG dazu erfahren, dass entsprechende Entwürfe im Ministerium diskutiert würden, es aber noch zu klärende Detailfragen auf der Seite der Mittelbeschaffung für die Pauschale gebe. "Bis heute liegt uns bedauerlicherweise kein konkreter Entwurf aus dem BMG vor", so die Information an die Mitgliedsorganisationen.

Umsetzung mit Beteiligung des Bundesrats?

Der unklare Sachstand bekräftige die ABDA darin, "den Druck auf die Bundesregierung in dieser Frage sukzessive zu erhöhen". Die ABDA werde "strikt" auf der bisherigen Linie bleiben: "Die Apothekerschaft erwartet die zugesagte zusätzliche Honorierung des Nacht- und Notdienstes mit einem Volumen von 120 Millionen Euro und wir legen uns nicht auf bestimmte Wege der inhaltlichen Ausgestaltung oder technischen Abwicklung fest. Vielmehr werden wir jeden Vorschlag tatkräftig unterstützen, den die Bundesregierung für die Umsetzung macht." Es stehe im Raum, dass die gesetzestechnische Umsetzung dieses Vorhabens möglicherweise die Beteiligung des Bundesrates erfordere, so die ABDA. Da aus vielen Bundesländern die Aussage vorliege, dass sie die Förderung des Nacht- und Notdienstes begrüßten, "müssten die Länderregierungen abseits parteipolitischen Geplänkels eigentlich diesem Vorhaben auch im Bundesrat zustimmen können", zeigt man sich im Apothekerhaus in Berlin optimistisch.



AZ 2013, Nr. 5, S. 1

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