Recht

Weihnachtsgeld

Von irrtümlicher Zahlung, freiem Ermessen und „betrieblicher Übung“

bü | Das Weihnachtsgeld gilt als freiwillige Sonderzahlung des Arbeitgebers an seine Mitarbeiter. Ob dieses „Extra“ zum Jahresende bezahlt wird, hängt von vielen Faktoren ab – und beschäftigt immer wieder die Gerichte. Nachfolgend einige Urteile.

Auch wer nur bis September gearbeitet hat, ist noch dabei – Leistet der Arbeitgeber ein freiwilliges Weihnachtsgeld, das nach den Regeln an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gezahlt werden soll, „die sich am 31. Dezember in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis“ befinden, so kann auch einem Ende September Ausgeschiedenen die Gratifikation – anteilig – zustehen. Dies dann, wenn Beschäftigte „für jeden Kalendermonat einer bezahlten Arbeitsleistung ein Zwölftel des Bruttomonatsgehalts erhalten“ sollen. Das darf nämlich nicht nur für die im Laufe des Jahres eingetretenen Arbeitnehmer gelten, sondern auch für diejenigen, die vor Jahresende aus dem Betrieb ausscheiden. Der Vergütungsanspruch werde nämlich „nach den Richtlinien monatlich anteilig erworben“. (BAG, 10 AZR 848/12)

„Ausgleichsklausel“ kann auch nicht erkennbare Ansprüche „mitbereinigen“ – Schließt ein Arbeitnehmer mit seinem Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag, der vorsieht, dass „alle wechselseitigen Ansprüche“ ausgeschlossen sein sollen, so geht er damit das Risiko ein, dass auch Ansprüche „mitbereinigt“ werden, die für ihn „nicht erkennbar“ waren. Dies insbesondere dann, wenn sich die Klausel auch auf Ansprüche „... seien sie bekannt oder unbekannt, fällig oder nicht fällig, entstanden oder nicht entstanden“, erstreckt. Mit dem Ausschluss auch unbekannter Ansprüche brächten die Parteien zum Ausdruck, dass es sie nicht störe, wenn sie Tragweite, Umfang, Bedeutung und Gewicht eventuell schon bestehender oder noch fällig werdender Ansprüche, „deren sie sich nicht bewusst“ seien, nicht kennen. (Hier gegen einen Arbeitnehmer entschieden, der Ende September aus dem Unternehmen ausgeschieden war und dem später erst einfiel, dass für die Arbeitszeit in den ersten neun Monaten noch eine anteilige Weihnachtsgratifikation hätte gezahlt werden müssen.) (LAG Rheinland-Pfalz, 10 Sa 464/10)

Auch irrtümliche Zahlungen können zu „betrieblicher Übung“ führen – Zahlt ein Arbeitgeber seinen Beschäftigten irrtümlich über mehrere Jahre Weihnachtsgeld, obwohl er dazu weder nach Betriebsvereinbarung noch nach Tarifvertrag verpflichtet war, so kann sich auch daraus eine „betriebliche Übung“ ergeben – so wie wenn er von vornherein freiwillig die Gratifikation ausgeschüttet hat. Die Arbeitnehmer müssen allerdings darlegen, dass sie davon ausgehen konnten, ihnen seien über das tarifliche Weihnachtsgeld plus Sonderzulage – hier mehr als ein Jahrzehnt lang – zusätzliche übertarifliche Zulagen gezahlt worden. Dass dies versehentlich geschehen war, spiele dann keine Rolle mehr, weil sich die Mitarbeiter nach so langer Zeit darauf hätten einstellen können, auch künftig mit solchen Zahlungen rechnen zu können. (BAG, 10 AZR 571/11)

Wenn der Vertrag das „13.“ und das Weihnachtsgeld unterschiedlich regelt – Enthält ein Arbeitsvertrag die Formulierung, dass der Arbeitgeber ein Weihnachtsgeld zahlen will, dies aber unter einem „Freiwilligkeitsvorbehalt“ steht, wird aber zugleich ein „13. Monatsgehalt“ als Rechtsanspruch durch die Formulierung „ist ... zu zahlen“ zugebilligt, so ist der Zusammenklang der Zusagen „nicht klar und verständlich“. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: In einem solchen Fall ist nicht hinreichend erkennbar, ob sich der Vorbehalt überhaupt auf das 13. Monatsgehalt bezieht oder lediglich eine etwaige, darüber hinausgehende Weihnachtsgratifikation betrifft. Diesbezügliche Zweifel gehen zulasten des Arbeitgebers, der „freiwillig“ nicht mit der Zahlung (hier des 13. Monatsgehalts) aussetzen darf. (Hier gab es noch eine Nachzahlung für zwei vorausgegangene Jahre.) (LAG Rheinland-Pfalz, 8 Sa 591/11)

Ein genereller „Ermessens“-Hinweis verhindert die „betriebliche Übung“ – Ist in einem Arbeitsvertrag im Abschnitt „Gratifikationen und ähnliche Zuwendungen“ (etwa Weihnachts- und Urlaubsgeld) vorgesehen, dass solche Zahlungen „im freien Ermessen“ des Arbeitgebers liegen und selbst dann keinen Rechtsanspruch begründen, wenn sie wiederholt und ohne ausdrücklichen Freiwilligkeits-Vorbehalt geleistet wurden, so kann daraus keine betriebliche Übung bestehen. Das heißt: Der sonst nach mindestens dreimaliger vorbehaltloser Zahlung entstehende Rechtsanspruch auf solche Zuwendungen ist nicht gegeben – der Arbeitgeber kann jedes Jahr neu entscheiden, ob er die Gratifikation zahlt und gegebenenfalls in welcher Höhe. (LAG Schleswig-Holstein, 6 Sa 329/11)

Nach 13 Jahren „ohne Vorbehalt“ nicht den Spieß einfach umdrehen – Aus jahrelang freiwillig gezahlten Urlaubs- und Weihnachtsgeldern, die ein Arbeitgeber jeweils in Höhe eines halben Monatsgehalts ohne einen wirksamen Freiwilligkeitsvorbehalt geleistet hat, kann er nicht von einem ihm genehmen Zeitpunkt an aussteigen. Es hatte sich bereits nach der dritten Zahlung eine betriebliche Übung ergeben, die einem Rechtsanspruch gleichkam. Dass der Arbeitgeber die Zahlungen zwei Jahre lang komplett ausfallen ließ, ohne dass sich die Mitarbeiter darüber beschwerten, ändert daran nichts. Es war ihnen (wie hier einem langjährigen Beschäftigten) auch möglich, die Ansprüche für die betreffenden Jahre noch ein beziehungsweise zwei Jahre später gerichtlich geltend zu machen. Dem konnte der Arbeitgeber nicht mit der Begründung entgegentreten, durch eine „gegenläufige betriebliche Übung“ (zwei Jahre lang „unbeanstandet“ keine Zahlungen) habe sich der Rechtsanspruch erledigt. (LAG Hamm, 15 Sa 1826/11)

Arbeitsunterbrechung darf nicht unbedingt zu einer Kürzung führen – Sieht ein Tarifvertrag vor, dass Arbeitnehmer Anspruch auf Weihnachtsgeld gegen ihren Arbeitgeber haben, wenn sie am 1. Dezember in einem Arbeitsverhältnis stehen, so gilt das auch, wenn das (hier: befristete) Arbeitsverhältnis im Laufe des Jahres unterbrochen war. Das Bundesarbeitsgericht segnete aber die weitere Regelung im Tarifvertrag ab, dass für jeden Monat, in dem die oder der Beschäftigte einen Entgeltanspruch hatte, eine Kürzung um ein Zwölftel vorgenommen werden könne. (Diese Zusatzklausel durfte hier aber nicht angewendet werden, weil die klagende Mitarbeiterin vom Jahresbeginn bis zum 16. August sowie vom 31. August bis zum 31. Dezember beschäftigt - und folglich keinen „Monat lang“ dem Betrieb unbezahlt fehlte.) (BAG, 10 AZR 922/11)

Wenn der „1. Dezember“ ein Dogma ist, dann gilt dies auch für ältere Arbeitnehmer – Ein langjährig Beschäftigter, der wegen Erreichens der Regelaltersrente im Herbst eines Jahres aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist, hat keinen Anspruch auf Weihnachtsgeld gegen seinen Arbeitgeber, wenn der Arbeitsvertrag vorsieht, dass für die Zahlung ein am 1. Dezember bestehendes Arbeitsverhältnis Voraussetzung ist. Auch eine anteilige Zahlung muss dann nicht geleistet werden. Bei dieser Regelung handelt es sich ferner nicht um eine Diskriminierung wegen des Alters, wenn dem Ausscheiden vor dem Stichtag der Rentenbezug folgt. Denn in anderen Konstellationen gilt dasselbe Recht, etwa wenn Mitarbeiter wegen Ablaufs eines befristeten Arbeitsverhältnisses den Stichtag nicht mehr „erreichen“. (BAG, 10 AZR 718/11) 

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