Wirtschaft

Der OTC-Markt der Zukunft

Trendstudie: Vertrieb und Vermarktung rezeptfreier Arzneimittel in 2017

Für die Apotheken ist der Markt der rezeptfreien Arzneimittel (OTC) seit 2004 aufgrund der Entlassung dieser Arzneimittelgruppe aus der GKV-Erstattungspflicht rückläufig – zwischen 2003 und 2011 sank der Umsatz im OTC-Apothekenmarkt laut dem Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie von 6,3 Milliarden Euro auf 4,7 Milliarden Euro. Zusätzlich ist das OTC-Geschäft für die Apotheken aufgrund des geringen durchschnittlichen Umsatzanteils von unter 20 Prozent meist von nachgeordneter wirtschaftlicher Bedeutung.

Dennoch halten die Apotheken einen Marktanteil von knapp 70 Prozent am gesamten OTC-Markt. Der Verkauf rezeptfreier Medikamente kann ein wichtiges Instrument zur Positionierung einer Apotheke im Wettbewerbsumfeld darstellen. Dazu kommt eine zunehmende Bedeutung des OTC-Geschäftes für Apotheken aufgrund der Rückgänge, die die Apotheken in den letzten Jahren im rezeptpflichtigen Bereich in Kauf nehmen mussten.

Da OTC keiner Preisregulierung unterliegen und die Werbung für diese Präparate durch das Heilmittelwerbegesetz nicht verboten ist, ist den Herstellern eine aktivere Steuerung ihres Absatzes über entsprechende Vertriebs- und Marketingmaßnahmen möglich.

Die Studie

Die Hochschule Fresenius führte mit Unterstützung der UGW Consulting GmbH Wiesbaden die Studie „Vertrieb 2017 – Trends und Herausforderungen in Vertrieb und Vermarktung von rezeptfreien Arzneimitteln“ durch. Wesentliche Inhalte waren die erwartete Entwicklung des OTC-Marktes und der innerhalb des Marktes verwendeten Maßnahmen bis 2017. Befragt wurden dazu insgesamt 26 Experten von Herstellern rezeptfreier Arzneimittel (Vertriebsleiter, Marketingleiter und Geschäftsführung). Der Schwerpunkt der Befragung lag auf der Entwicklung der Vertriebs- und Marketingaktivitäten der Unternehmen innerhalb des OTC-Marktes.

Außendienst wird wichtiger

Etwa drei Viertel der Befragten erwarten für den OTC-Markt innerhalb der kommenden vier Jahre ein leichtes, aber stabiles wert- und mengenmäßiges Wachstum. Ein Treiber für dieses Wachstum ist unter anderem das „grüne Rezept“, welches bei Patienten hohe Bekanntheit und Akzeptanz besitzt. Es überrascht daher nicht, dass etwa zwei Drittel der befragten Unternehmen dem „grünen Rezept“ eine wichtige bis sehr wichtige Rolle als Instrument zur Erlangung von Kundenaufmerksamkeit und -vertrauen einräumt.

Da das „grüne Rezept“ ausschließlich von Ärzten verordnet wird, erwartet die Hälfte der befragten Unternehmen auch eine zunehmende Bedeutung der Beratung von Ärzten durch den Außendienst. Für die Beratung der Apotheken erwarten mehr als ein Drittel der Befragten eine Zunahme der Beratung über den Außendienst. Schon heute erfolgt die Beratung durch den Außendienst auf einem hohen Niveau: So räumen gegenwärtig 80 Prozent der befragten Unternehmen dem Apotheken-Außendienst eine wichtige bis sehr wichtige Rolle ein. Beim Ärzte-Außendienst sind es immerhin 45 Prozent.

Die Außendienst-Aktivitäten werden sich bis 2017 stärker in Richtung der Ärzte verschieben. Hier erwarten 50 Prozent der Befragten eine Zunahme, während es bei den Apotheken nur etwa 37 Prozent sind, was sicherlich dem bereits hohen Niveau in der Apothekenbetreuung geschuldet ist. Diese Entwicklung beruht vermutlich darauf, dass sowohl Vertrauen als auch Kaufentscheidung des Kunden vorrangig durch die Empfehlung von Fachpersonal (Ärzte, Apotheker, PTA) beeinflusst werden. Daher wäre es für Apotheken überlegenswert, sich noch stärker als bisher als Berater der Endkunden zu profilieren, um im Unterschied zu Versandapotheken nachhaltig eine stärkere Vertrauensbasis zu den Kunden zu etablieren. Da die Beratung durch den Apotheker einen großen Einfluss auf die Kaufentscheidung des Kunden hat, könnte dies in eine Win-Win-Situation zwischen Apotheke und OTC-Hersteller münden.

Interne oder externe Betreuung?

Die Betreuung der Apotheken seitens der Hersteller wird dabei vorrangig von einem eigenen Außendienst wahrgenommen werden. Bereits heute bewerten über 60 Prozent der Befragten die Betreuung der Apotheken über den eigenen Außendienst als wichtig oder sehr wichtig. Von den übrigen Unternehmen erwarten dagegen 80 Prozent, dass die Betreuung über den eigenen Außendienst bis 2017 zunehmen wird (Abb. 1). Eine Ursache für diesen Bedeutungszuwachs wird unter anderem in der steigenden Bedeutung von Apothekenkooperationen gesehen, die von den Herstellern durch ein Key Account Management (Großkundenbetreuung) betreut werden.

Der Bedeutungszuwachs des Außendienstes kann dabei unterschiedliche Ausprägungen haben: sowohl eine größere Anzahl, eine kleinere Anzahl (durch stärkere Fokussierung auf die strategisch wichtigen Apothekenkunden) als auch eine höhere Qualifikation der Außendienstmitarbeiter wurden als mögliche Hebel zur Optimierung der Betreuung genannt.

Abb. 1: Entwicklung der Apothekenbetreuung über den eigenen Außendienst bis 2017

Internet wird wichtiger

Als zentrales Informations- und Service-Instrument wird das Internet weiterhin an Bedeutung gewinnen. Bereits aktuell spielt dieses Medium bei knapp 50 Prozent der befragten Unternehmen eine wichtige bis sehr wichtige Rolle. Mehr als 80 Prozent der Befragten erwarten, dass diese Bedeutung weiter zunimmt. Als Gründe werden unter anderem genannt, dass Apotheken und insbesondere Kooperationen in Zukunft Serviceaufgaben sowie Informationen und Schulungsprogramme für neue Arzneimittel aktiver über das Internet einfordern werden. Dazu sollen spezielle Onlineportale für Trainingszwecke eingesetzt und genutzt werden.

Das Internet spielt auch für die Endkunden eine immer größere Rolle. Diese informieren sich in Diskussionsforen oder sozialen Netzwerken über Arzneimittel. Internetbasierte Marketingwerkzeuge (wie z.B. Apps) werden von vielen Unternehmen bereits heute und in zunehmendem Maße in Zukunft als Substitute für klassische Medien wie TV, Radiowerbung oder Printmedien angesehen.

Auch die aktive Telefonbetreuung von Apotheken spielt eine wichtige Rolle. Vor allem der effektive und effiziente Service im Bereich Reklamationen soll hier zur Verbesserung der Kundenloyalität ausgebaut werden.

Der Großhandel (GH) ist und bleibt aus Sicht der Hersteller der primäre Absatzweg für rezeptfreie Arzneimittel. 2012 machte mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen mehr als 50 Prozent des Umsatzes über diesen Kanal (Abb. 2). Das Direktgeschäft mit Apotheken ist dahinter der zweitwichtigste Vertriebskanal. Während größere Unternehmen mit breitem Portfolio häufig eine Mischung aus Direktgeschäft und GH-Belieferung bevorzugen, sind insbesondere kleinere Hersteller auf die Distribution über den GH angewiesen. Dieser Weg ist zwar vergleichsweise kostengünstiger, aber meist weniger effektiv, was den aktiven Verkauf und direkte Einflussnahme auf den Apotheker angeht.

Abb. 2: Vertriebsstruktur der befragten Unternehmen in 2012

Versand wächst weiter

Mehr als 90 Prozent der befragten Hersteller erwarten das größte Wachstum weiterhin bei Versandapotheken (Abb. 3). Bereits in den Jahren 2010 bis 2012 lag das durchschnittliche jährliche Wachstum in diesem Vertriebskanal laut Zahlen von IMS Health bei über 8 Prozent, während die übrigen Vertriebskanäle eher stagnierten. Die Versandapotheken beanspruchen dabei aktuell bereits etwa 12 Prozent des Marktvolumens der rezeptfreien Arzneimittel. Allerdings haben einige Unternehmen ihr Geschäft über diesen Kanal bereits vollständig ausgebaut und planen daher keine weiteren Investitionen. Daher wird vermutlich das Wachstum im Bereich der Versandapotheken auf lange Sicht eher stagnieren.

Abb. 3: Entwicklung der Vertriebsstruktur des OTC-Marktes bis 2017

Fazit

Es kann erwartet werden, dass die Apotheken im OTC-Markt auch in Zukunft eine zentrale Rolle spielen werden. Allerdings werden sie auf die Veränderungen der Marketing- und Vertriebsstrukturen der Hersteller einerseits und des steigenden Leistungsanspruchs der Endkunden andererseits reagieren und ihre zukünftige Rolle an einigen Stellen neu definieren müssen.

  

Alexander Eden, Hochschule Fresenius, Idstein

Thomas Pielenhofer, UGW Consulting GmbH, Wiesbaden

Prof. Dr. Thorsten Daubenfeld, Hochschule Fresenius, Idstein

Kontakt: daubenfeld@hs-fresenius.de 

 

Die Hochschule Fresenius bietet Studiengänge und Berufsausbildungen sowie Fortbildungen in den vier Fachbereichen Gesundheit & Soziales (z.B. PTA, Physiotherapie, Ergotherapie), Chemie & Biologie (z.B. Master of Bio- and Pharmaceutical Analysis), Wirtschaft & Medien und Design an.
www.hs-fresenius.de

Die UGW Consulting GmbH ist eine auf Marketing & Vertrieb spezialisierte Managementberatung und gehört als eine von vier Gesellschaften zur UGW AG (Unternehmensgruppe Wiesbaden). Sie unterstützt Kunden aus unterschiedlichen Branchen (OTC/Healthcare, Konsumgüter, Dienstleistung, Gebrauchsgüter) in Vermarktungsthemen entlang der gesamten Wertschöpfungskette.
www.ugw.de

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