Gesundheitspolitik

Taler bleiben Thema

Spürbarkeitsschwelle bleibt außen vor

BERLIN (ks) | Ob nur bei Rezepteinlösung oder bei jedem Apothekeneinkauf: Eine Apotheke, die ihren Kunden Taler gewährt, die diese gegen Einkaufsgutscheine oder Prämien eintauschen können, muss damit rechnen, dass ihre Kammer gegen sie vorgeht. Das zeigt ein aktueller Beschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen, der sich auch erstmals mit der neuen Regelung des § 7 Heilmittelwerbegesetz (HWG) auseinandersetzt. Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Beschluss vom 19. September 2013, Az.: 7 L 849/13

Die Richter hatten sich in diesem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur damit zu befassen, ob es gerechtfertigt war, dass die Apothekerkammer ihre Ordnungsverfügung für sofort vollziehbar erklärt hatte. Sie bejahten dies – dann nach ihrer summarischen Prüfung kamen sie zu dem Ergebnis, dass die Verfügung mit großer Wahrscheinlichkeit rechtmäßig ergangen war.

Die Apothekerkammer Westfalen-Lippe (AKWL) hatte der Apothekerin untersagt, „in den von ihr betriebenen Apotheken bei der Einlösung von Rezepten über verschreibungspflichtige oder sonstige preisgebundene Arzneimittel Taler (z.B. Drachentaler) zum Erhalt von Einkaufsgutscheinen ihrer Apotheken sowie von Gutscheinen oder Prämien ihrer Talerpartner zu gewähren oder gewähren zu lassen oder hierfür zu werben oder werben zu lassen“. Nach dieser Verfügung stellte die Apothekerin ihr Talerkonzept um. Während zunächst nur Kunden, die ein Rezept einlösten, „Drachentaler“ erhielten, bekommt nun jeder, der in ihren Apotheken etwas kauft, solche Taler. Daher prüften die Gelsenkirchener Richter zunächst, ob sich das Verfahren hierdurch erledigt habe. Ihr Ergebnis: Auch das neue Konzept umfasst die Taler-Abgabe an Personen, die Rezepte einlösen, die die Kammer mit ihrer Ordnungsverfügung untersagen will. Ein neuer Sachverhalt liege somit nicht vor, erledigt habe sich damit nichts.

Mit ihrem Talerkonzept verstoße die Apothekerin aller Voraussicht nach gegen § 19 Nr. 1 der Berufsordnung für Apothekerinnen und Apotheker der AKWL. Danach ist es verboten, von dem sich aus der Arzneimittelpreisverordnung ergebenden einheitlichen Apothekenpreis abzugehen – insbesondere durch Rabatte – und hierfür zu werben.

Dass durch die Gewährung derartiger Taler bei Rezepteinlösung von der gesetzlichen Preisbindung abgegangen wird, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichthofs geklärt. Ebenso, dass daneben das Heilmittelwerberecht anwendbar ist. Doch der Bundesgerichtshof wollte in seinen zivilrechtlichen Boni-Entscheidungen eine Spürbarkeitsschwelle beachtet wissen. Boni oder Taler von geringem Wert, die den Wettbewerb nicht spürbar beeinträchtigen können, waren danach wettbewerbsrechtlich nicht zu ahnden.

Vorliegend handelt es sich jedoch um ein verwaltungsgerichtliches Verfahren. Ob hier die wettbewerbsrechtlichen Erwägungen eine Rolle spielen, war bis zuletzt umstritten. Abgesehen davon, dass hier das Gericht zu der Auffassung neigt, „dass die Bestimmungen des UWG die genannten öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Heilmittelwerbe- und des Arzneimittelgesetzes nicht berühren“, hat mittlerweile auch das HWG eine Änderung erfahren. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 HWG sind seit Mitte August auch Zuwendungen und Werbemittel für Arzneimittel unzulässig, „soweit sie gegen die Preisvorschriften gewährt werden, die aufgrund des Arzneimittelgesetzes gelten“. Damit stehe fest, dass jegliche Art von Werbegabe oder Zuwendung bei preisgebundenen Arzneimitteln – unabhängig von deren Wert – die Spürbarkeitsschwelle des § 3 Abs. 1 UWG überschreite, so das Gericht.

Ob die Neuregelung gegen europarechtliche Vorgaben oder das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 des Grundgesetzes verstoße, müsse der Klärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Für die Gelsenkirchener Richter liegen derartige Verstöße jedenfalls nicht auf der Hand. 

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.