Gesundheitspolitik

Die SPD, noch grüner als die Grünen

Andreas Kaapke

Liest man das Programm der SPD direkt nach dem Wahlprogramm der Grünen (das Wahlprogramm der Grünen analysierte Prof. Kaapke in AZ Nr. 33/34 vom 12. August, S. 2) im Hinblick auf die Gesundheitspolitik haben die beiden Wahlprogramme fast schon den Charakter eines Koalitionsvertrages. Denn Unterschiede sind kaum wahrnehmbar und dann eher marginal. Sollten im Vorfeld keine Abstimmungen gelaufen sein, ist die inhaltliche Übereinstimmung beeindruckend. In den Punkten der Gesundheitspolitik passt auf jeden Fall kein Jota zwischen die beiden unabhängig bei der Bundestagswahl kandidierenden Parteien. Sollte es aber dennoch Streitpunkte ergeben, so sind diese in der Gesundheitspolitik gut auszuräumen. Kompromisse sind nicht nur gut möglich, sie dürften auch schnell umzusetzen sein.

Auch die SPD nennt Apotheken nicht, auch hier stehen die Versicherten, die Versicherungen und Krankenhäuser wie Pflegeeinrichtungen im Fokus. Auf den 120 Seiten Wahlprogramm widmet die SPD dem Thema Gesundheit ganze 7½ Seiten. Immerhin! Als Einstiegssatz liest man: "Sozialdemokratische Gesundheitspolitik orientiert sich an den Patientinnen und Patienten, nicht an Interessengruppen im Gesundheitswesen."

Ähnlich wie Bündnis 90/Die Grünen schlägt die SPD eine Bürgerversicherung vor, die als Krankenvoll- und Pflegeversicherung für alle Bürgerinnen und Bürger im Falle der Regierungsübernahme eingeführt werden soll. Für alle Neu- und bislang gesetzlich Versicherten ist dies verbindlich. Menschen, die bislang privat versichert sind, haben ein Jahr lang Zeit, um zu wählen, ob ein Wechsel gewollt ist.

Die SPD will die Zwei-Klassen-Medizin abbauen, also geht sie gegenwärtig von einer solchen aus. Bemerkenswerterweise waren gut zehn Jahre lang grüne und rote Politiker Ressortchef im Bundesgesundheitsministerium, Zeit genug, nicht nur eine Zwei-Klassen-Medizin abzubauen, sondern vielmehr deren Aufbau und Etablierung nicht zuzulassen. Geplant ist es mit der Bürgerversicherung ein einheitliches Versicherungssystem und eine einheitliche Honorarordnung für gesetzliche wie private Versicherungen zu etablieren. Und nahezu im Wortlaut gleich zum Grünen-Programm: "Das Gesamthonorarvolumen wird dabei nicht geschmälert, sondern gerechter verteilt."

Zudem soll ein stärkeres Gewicht auf Prävention gelegt werden. Schließlich moniert die SPD das Nebeneinander von medizinischer Unter-, Fehl-, aber auch Überversorgung und will diese Fehlallokation von Ressourcen überwinden. Messen lassen möchte sich die SPD an der Alltagstauglichkeit der Maßnahmen: "Der Erfolg unserer Gesundheitspolitik hängt davon ab, ob Verbesserungen in der medizinischen Versorgung für alle Menschen im Alltag spürbar werden."

Auch die SPD will die flächendeckende hausarztzentrierte Versorgung sowie Vernetzung zwischen Leistungserbringern der verschiedenen Gesundheitsberufe stärken. "Die Primärversorgung ist das Rückgrat einer starken, wohnortnahen Versorgung."

Es soll nur noch Anwendung finden, was nützt. Dagegen ist wenig einzuwenden, deshalb liest man konsequenterweise, dass der Nutzengedanken in der Versorgung der Patientinnen und Patienten mit Arzneimitteltherapien, diagnostischen und therapeutischen Verfahren sowie Medizinprodukten gestärkt werden soll.

Schließlich setzt die SPD auf eine verlässliche und gerechte Krankenhausfinanzierung. "Zehn Jahre nach Einführung der Fallpauschalen werden wir Unter- und Überdeckungen beseitigen, damit Krankenhäuser sich nicht auf finanziell attraktive Leistungen beschränken, Das dient dem fairen Wettbewerb und der bedarfsgerechten Versorgung."

Das Wahlprogramm der SPD überrascht im Bereich der Gesundheitspolitik nicht. Aus Sicht der Apotheken ist auch bei der SPD enttäuschend, dass Apotheken nicht explizit angesprochen werden. Auch die wenigen Kommentare zu Arzneimitteln sind nicht so aussagekräftig, als dass Apotheken daraus etwas ableiten könnten. Damit steht aber auch kein dramatischer Flächenbrand zu befürchten, wiewohl dies in einem Koalitionspapier noch kommen könnte. Gegebenenfalls will die SPD hier abwarten, ob ein denkbarer Koalitionspartner CDU/CSU oder Bündnis 90/Die Grünen heißt. Zweites ist für die Umsetzung der eigenen Vorstellungen völlig unproblematisch.

Die SPD und ihr Kanzlerkandidat haben ein Kompetenzteam benannt, für Gesundheit ist Karl Lauterbach zuständig. Seine bisherigen Ausführungen zu Apothekenthemen lassen dabei Schlimmstes befürchten. Ob ein Kompetenzteammitglied automatisch Minister wird, hängt von vielen Faktoren ab, aber er ist sicher erster Kandidat. Besetzt die SPD die Regierung und das Gesundheitsressort, spräche viel für Lauterbach, allein dies könnte Anlass für eine von der SPD abweichende Wahlentscheidung sein.


Andreas Kaapke


Andreas Kaapke ist Professor für Handel-management und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Standort Stuttgart, und Inhaber des Beratungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte. E-Mail: a.kaapke@ kaapke-projekte.de

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