Gesundheitspolitik

Bahr will PKV für alle öffnen

Opposition und Ersatzkassen reagieren ablehnend

Berlin (jz/ks). Vor einigen Wochen sprach sich der Verbandschef der Privaten Krankenversicherungen, Uwe Laue, für eine deutliche Senkung der Versicherungspflichtgrenze aus. Mehr Menschen sollten frei entscheiden dürfen, ob sie gesetzlich oder privat krankenversichert sein möchten. Die gesetzliche Versicherung sei ursprünglich schließlich nur für besonders Schutzbedürftige eingeführt worden, erklärte Laue. Der Bundesgesundheitsminister geht noch weiter: Daniel Bahr (FDP) will allen Bürgern die Wahlfreiheit zwischen einer privaten und einer gesetzlichen Krankenversicherung eröffnen.

Seine Vision sei es, so Bahr in der "Rhein-Zeitung", dass "alle Menschen selbst entscheiden können, wie und wo sie sich versichern wollen". Notwendig sei, dass jeder die Grundleistung versichert habe.

Rechnungen an alle Versicherten

Damit würde letztlich die Versicherungspflichtgrenze – eigentlich "Jahresarbeitsentgeltgrenze" – kippen. Als Jahresarbeitsentgelt gilt entweder das Zwölffache des vereinbarten Monats- oder das vereinbarte Brutto-Jahresgehalt. Derzeit dürfen sich nur Bürger mit einem Bruttoeinkommen von 4350 Euro im Monat bzw. 52.200 Euro im Jahr privat krankenversichern. Außerdem sollen nach Bahrs Vorstellungen künftig alle Versicherten eine Rechnung von ihrem Arzt bekommen. Bislang ist dies nur in der privaten Krankenversicherung Pflicht. Gesetzlich Versicherte haben zwar das Recht, sich eine Rechnung ausstellen zu lassen – genutzt wird dieses jedoch selten.

Opposition: Vorschlag zulasten der Bürger

Dem Vorschlag Bahrs kann die Opposition nichts abgewinnen. Dieser sei ein "Wahlgeschenk an die private Krankenversicherung zulasten der Bürgerinnen und Bürger", kritisierte Karl Lauterbach, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Für Geringverdiener und mittlere Einkommen wäre die private Krankenversicherung "ein großes Armutsrisiko", da die Prämien im Alter oft höher seien als die gesamte Rente. Zudem würden Einkommensschwache der "Risikoselektion und der Vorkasse" ausgesetzt.

"Schlechter Wein in neuen Schläuchen" – das fällt Martina Bunge, gesundheitspolitische Sprecherin der Linksfraktion, zu Bahrs Äußerungen ein. Schon 2009 habe die FDP kurz vor der Wahl die GKV als Vollversicherung abschaffen wollen. In Wahrheit erhielten die meisten Bürger durch die von Bahr vorgeschlagene freie Wahlmöglichkeit "lediglich die Freiheit, ohne vernünftiges soziales Netz durchs Leben zu gehen und im Krankheitsfalle eine Minimalversorgung zu erhalten". Das führe zu einer "doppelten Zwei-Klassenmedizin", warnt Bunge.

GKV: Solidarsystem in Gefahr

Auch bei den gesetzlichen Kassen stößt der Vorschlag des Ministers auf wenig Gegenliebe: "Ein Hilfsprogramm für die private Krankenversicherung auf Kosten von Millionen von Beitragszahlern lehnen wir ab", erklärte Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes. Echten Wettbewerb von GKV und PKV könne es nur zu gleichen Bedingungen geben: "Die gesetzliche Krankenversicherung steht dafür, allen Menschen unabhängig von ihrem Einkommen und Vorerkrankungen eine gute medizinische Versorgung zu bieten. Hier hat die PKV noch einiges nachzuholen", so Pfeiffer.

Christian Zahn, Vorsitzender des Ersatzkassenverbands vdek, erklärte, bei einer freien Wahl zwischen privaten und gesetzlichen Krankenkassen entziehe man der GKV die solidarische Finanzierungsbasis. Diese beruhe auf dem Ausgleich zwischen einkommensstarken und einkommensschwachen Mitgliedern. Auch die Familienversicherung stünde vor dem Aus. "Das kann nicht der richtige Weg sein", so Zahn.

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