Gesundheitspolitik

BGH: Ein-Euro-Bonus pro verordnetem Arzneimittel zulässig

Karlsruher Richter betonen: Spürbarkeitsschwelle beschränkt sich auf Wettbewerbsrecht

Karlsruhe (ks). Aus wettbewerbsrechtlicher Sicht bleibt es dabei: Apotheken, die ihren Kunden für die Einlösung eines Rezeptes Boni, Gutscheine oder Taler im Wert von einem Euro gewähren, bewegen sich im Bereich des Zulässigen. Dieser Euro darf sogar pro Rezeptposition gewährt werden, sodass sich der Bonus auf maximal drei Euro pro Rezept summieren kann. 1,50 Euro pro verordnetem Arzneimittel sind hingegen zu viel – sie überschreiten die sogenannte Spürbarkeitsgrenze. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) vergangene Woche in zwei Urteilen entscheiden. (Urteile des BGH vom 8. Mai 2013, Az.: I ZR 90/12 und I ZR 98/12)

Sämtliche Boni-Urteile des Bundesgerichtshofs vom September 2010 behandelten einen speziellen Sachverhalt – entschieden wurde immer nur der Einzelfall. Dabei blieben so manche Fragen offen: Wo genau liegt die Spürbarkeitsgrenze, bis zu der Rx-Boni zulässig sind, die die Karlsruher Richter ins Spiel brachten? Und ist sie rein nach dem Geldwert zu beurteilen – oder sind auch andere Umstände zu berücksichtigen? Etwa ob es sich um einen direkt einzulösenden Bonus handelt oder ob zunächst Punkte (im Wert von jeweils einem Euro) gesammelt werden müssen und diese erst eingelöst werden können, wenn eine bestimmte Anzahl erreicht ist. Nur mit letzterer Variante hatte sich der Bundesgerichtshof schon 2010 zu befassen. Ebenfalls ungeklärt blieb: Ist bei der Bewertung der Zulässigkeit des Bonus auf jedes Rezept oder jede Einzelverordnung auf dem Rezept abzustellen?

mycare-Bonus fällt durch

Die Versandapotheke mycare hatte einen Kundenbonus in Höhe von 1,50 Euro für jedes verschreibungspflichtige Medikament auf dem Rezept versprochen. Die Wettbewerbszentrale war hiergegen vorgegangen – das Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt folgte ihrer Argumentation und entschied, dass dieses Modell wettbewerbsrechtlich nicht mehr zulässig ist (Az.: 9 U 192/11). Apothekenleiter Christian Buse zog daraufhin vor den Bundesgerichtshof – doch dieser wies seine Revision nun zurück. Ein indirekter Preisnachlass in Höhe von 1,50 Euro beeinflusst also auch nach Auffassung der Karlsruher Richter den Wettbewerb spürbar. Die Entscheidungsgründe sind allerdings noch abzuwarten.

Bonus gilt pro Arzneimittel – nicht pro Rezept

Das Gleiche gilt für das zweite Verfahren, über das der 1. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs letzten Mittwoch zu entscheiden hatte. Hier ging es um ein Bonus-Modell, bei dem eine Apotheke pro Rezeptposition einen sofort einlösbaren Einkaufsgutschein in Höhe von einem Euro gewährt hatte – damit konnte der Bonus also bei bis zu drei Euro pro Rezept liegen. Hier hatte das Oberlandesgericht Thüringen entschieden, dies bewege sich im Bereich des Zulässigen (Az.: 2 U 864/11). Die hier ebenfalls aktive Wettbewerbszentrale ging gegen dieses Urteil in Revision – doch auch diese wies der Bundesgerichtshof zurück. Ein Euro pro Rezept ist offenbar auch dann kein Problem für die Richter, wenn er als Sofortbonus gewährt wird. Und: Sie bestätigen die Einschätzung der Thüringer Kollegen, dass die Spürbarkeitsgrenze so zu verstehen ist, dass sich die Bonusgewährung auf das jeweils verschriebene Medikament bezieht, unabhängig davon, ob auf dem Rezept ein, zwei oder drei Medikamente verordnet wurden.

Berufsgerichte losgelöst von Spürbarkeitsgrenze

Als Freibrief für Ein-Euro-Gutscheine sind die neuen Urteile des Bundesgerichtshofs allerdings nicht zu verstehen. Denn in der mündlichen Verhandlung stellte der Vorsitzende Richter abermals klar, dass die Spürbarkeitsschwelle allein eine Sache des Wettbewerbsrechts ist. Was Berufs- und Verwaltungsgerichte in ihrer eigenen Zuständigkeit entscheiden, ist eine andere Sache. Und bekanntlich entscheidet derzeit ein Berufsgericht nach dem anderen über ähnlich gelagerte Fälle. Der Trend geht klar dahin, dass diese auch bei einem Ein-Euro-Gutschein einen Verstoß gegen das Berufsrecht annehmen. Denn schließlich werde mit der Boni-Gewährung gegen die gesetzliche Arzneimittelpreisbindung verstoßen – und eine Spürbarkeitsschwelle kenne das Berufsrecht nicht. Entsprechend urteilten in letzter Zeit etwa das Berufsgericht in Berlin sowie das Berufsgericht in Gießen. Vergangene Woche gab es hierzu auch die erste rechtskräftige Entscheidung eines Berufsgerichts – und zwar des am Landgericht Dresden angesiedelten. Es bestätigte einen Rügebescheid der Sächsischen Landesapothekerkammer wegen der Bewerbung und Gewährung von Talern im Wert von 0,33 Euro pro Rezeptposition (Az.: 21 BG-Ap 3/12). Der Kammervorstand hatte wegen der Boni neben dem Rügebescheid ein Ordnungsgeld in Höhe von 1000 Euro verhängt – auch diesen ließ das Berufsgericht bestehen. Und diese Woche geht es gleich weiter im Berufsrecht: In Bayern werden zwei Fälle in zweiter – und letzter – berufsgerichtlicher Instanz entschieden. In erster Instanz waren die Boni bzw. Prämien bereits nicht durchgegangen.

Gesetzgeber könnte für Klarstellung sorgen

Angesichts dieser Situation hätte man sich bei der Wettbewerbszentrale gewünscht, dass der Bundesgerichtshof, für einen "Gleichklang" zwischen den unterschiedlichen Gerichtszweigen gesorgt hätte. Doch deren Widersprüche werden wohl vorerst nicht aufgelöst. Vor allem wird es dabei bleiben, dass ausländische Versandapotheken, die in Deutschland berufsrechtlich nicht belangt werden können, mehr dürfen als die hiesigen. Eigentlich hatte der Gesetzgeber dies so nicht gewollt – und deshalb im letzten Herbst für eine Gesetzesänderung gesorgt. Seitdem gilt die Arzneimittelpreisverordnung ausdrücklich auch für DocMorris, Europa Apotheek & Co. Die ABDA hat den Gesetzgeber mittlerweile aufgefordert, im Rahmen der jetzt noch anstehenden Novelle des Arzneimittelrechts für eine weitere gesetzgeberische Klarstellung im Heilmittelwerbegesetz zu sorgen (siehe DAZ Nr. 19, 2013, S. 16) /daz-ausgabe/artikel/articlesingle/2013/19/56184.html . Ob er diese Anregung aufgreifen wird, bleibt abzuwarten. Am heutigen Montag wäre bei der Anhörung des Gesetzentwurfs zur AMG-Novelle im Gesundheitsausschuss des Bundestages Gelegenheit, die Idee der ABDA zu hinterfragen.

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