Gesundheitspolitik

Seit‘ an Seit‘?

Dr. Benjamin Wessinger, DAZ-Chefredakteur

Die Brisanz des Reklamezettels einer privaten Krankenversicherung erschließt sich erst auf den zweiten Blick. Auch der empörte Leser, der den Werbeflyer an die Redaktion schickte, war vor allem wegen der Werbung einer Krankenversicherung für eine ausländische Versandapotheke erbost. Dort nämlich sollen die Versicherten ihre Arzneimittel "diskret und bequem" bestellen. Besonderer Clou: Wenn sie bei dieser Versandapotheke bestellen, müssen sie die Arzneimittel nicht bezahlen und dann das Rezept einreichen – wie bei gesetzlich Versicherten rechnet die Apotheke direkt mit der Versicherung ab.

Direkt daneben steht das Angebot der deutschen Apotheken: Auch hier können die Versicherten dieser privaten Kasse Arzneimittel direkt abrechnen lassen, ohne in Vorkasse gehen zu müssen. Aber nur, wenn "der Wert aller gleichzeitig eingereichten Rezepte insgesamt mindestens 750 Euro beträgt".

Wer nun aber denkt, die Interessenvertretung der deutschen Apotheken, der Deutsche Apothekerverband (DAV), werde schon etwas gegen solche Werbeaktionen für ausländische Versandapotheken unternehmen, der täuscht sich gewaltig.

Der Werbeflyer sei mit dem DAV abgesprochen, teilt die Versicherung mit. Schließlich werde dieser Service erst möglich durch eine Kooperation mit dem DAV und einer Partnerschaft mit der Versandapotheke. Dass nun gemeinsam mit der Versandapotheke Werbung gemacht wird, stört den DAV offensichtlich nicht weiter. Man freue sich, dass die erste Kooperation zur Direktabrechnung hochpreisiger Arzneimittel zustande gekommen sei, heißt es auf Anfrage. Natürlich sei bekannt gewesen, dass diese Möglichkeit auch bei einer Versandapotheke eingeräumt worden sei. So aber sei wenigstens kein Versicherter gezwungen, aus finanziellen Gründen im Internet zu bestellen.

Der DAV ist diese Kooperation also eingegangen, wohl wissend, dass der andere Kooperationspartner im direkten Wettbewerb mit seinen Mitgliedern steht.

Aus Angst, dass der Versender das Geschäft alleine machen könnte, adelt man diesen noch, indem man das gemeinsame Modell der Direktabrechnung unter der Überschrift "Stimmen zum Arzneimittelservice" als einen "Service, der sie (die Versicherten, die Redaktion) in dieser belastenden Situation etwas entlastet" lobt. Direkt darunter jubelt die Versandapotheke: "Eine unterstützende und komfortable Lösung."

Da kann man durchaus geteilter Meinung sein.


Benjamin Wessinger



AZ 2013, Nr. 12, S. 1

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