Gesundheitspolitik

GKV schwimmt im Geld – 28 Milliarden Euro Überschuss

Rabattverträge helfen sparen – Begehrlichkeiten wachsen

Berlin (lk). Das GKV-System hat wie erwartet das vergangenen Jahr mit einem Rücklagenrekord abgeschlossen. Wie jetzt die amtliche Statistik des Bundesgesundheitsministeriums bestätigte, liegen beim Gesundheitsfonds und bei den gesetzlichen Kassen 28,3 Milliarden Euro auf der hohen Kante – so viel wie noch nie zuvor. Die Rekordsumme weckt Begehrlichkeiten bei Politikern und Leistungserbringern.

Verantwortlich für den Rekordüberschuss sind die Sparpolitik der Bundesregierung und die anhaltend gute Beschäftigungslage, die für höhere Einnahmen sorgt. Im Arzneimittelmarkt haben die Sparmaßnahmen im vergangenen Jahr den Ausgabenanstieg der Krankenkassen in diesem Segment nachhaltig gebremst. Rabattverträge und Zwangsrabatte haben nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) den Ausgabenanstieg auf 1,1 Prozent begrenzt. Ohne diese Maßnahmen hätte der Ausgabenanstieg fast im zweistelligen Bereich gelegen.

Die insgesamt moderate Ausgabenentwicklung bei Arzneimitteln hat nach Angaben des BMG zwei wesentliche Ursachen: So verzeichneten die Krankenkassen durch die Rabatt-Vereinbarungen mit pharmazeutischen Unternehmen weitere Entlastungen. Im Vergleich zu 2011 konnten die Einsparungen durch vertraglich vereinbarte Rabatte von 1,63 Milliarden Euro um 450 Millionen Euro auf 2,09 Milliarden Euro erhöht werden. Neben den Rabattvereinbarungen im Bereich nicht patentgeschützter Arzneimittel habe auch die Einführung neuer Festbeträge zu finanziellen Entlastungen in diesem Bereich beigetragen. "Ohne das bis Ende 2013 befristete Preismoratorium und den erhöhten Herstellerrabatt für Nicht-Festbetragsarzneimittel wäre 2012 der Zuwachs im gesamten Arzneimittelbereich im fast zweistelligen Bereich gelegen", so das BMG.

Insgesamt belaufen sich die Rücklagen des GKV-Sektors nach Angaben des BMG auf den neuen Rekordwert von 28,3 Milliarden Euro. Davon hält der Gesundheitsfonds Reserven von 13,1 Milliarden Euro. Die gesetzlichen Krankenkassen haben Rücklagen von 15,2 Milliarden Euro angesammelt.

Bundeszuschuss sinkt

Die gesetzlichen Krankenkassen haben nach den vorläufigen Finanzergebnissen im 1. bis 4. Quartal 2012 einen Überschuss von rund 5,07 Milliarden Euro erzielt. Einnahmen in Höhe von 189,6 Milliarden Euro standen Ausgaben in Höhe von 184,5 Milliarden Euro gegenüber. Die Einnahmen der Kassen erhöhten sich im Vorjahresvergleich um sechs Milliarden Euro (plus 3,2 Prozent), die Ausgaben sind um 4,9 Milliarden Euro (plus 2,7 Prozent) gestiegen. Der Gesundheitsfonds erzielte 2012 einen Überschuss von rund 3,55 Milliarden Euro. Auf der Einnahmeseite machte sich – wie in den anderen Sozialversicherungszweigen – bemerkbar, dass die Entwicklung bei Beschäftigung und Löhnen im Jahresdurchschnitt 2012 trotz einer nachlassenden gesamtwirtschaftlichen Dynamik positiv verlief.

Mit einem Betrag von insgesamt 4,5 Milliarden Euro müssen sich die gesetzlichen Krankenversicherungen an der Konsolidierung des Bundeshaushalts beteiligen. Dafür werde der Bundeszuschuss um 2,5 Milliarden Euro in 2013 und um 2 Milliarden Euro in 2014 abgesenkt und aus Mitteln der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds finanziert. Ab 2015 werde der pauschale Bundeszuschuss für versicherungsfremde Leistungen wieder auf 14 Milliarden Euro ansteigen, so das BMG.

Der GKV-Spitzenverband bewertete die Rücklagen als notwendige Reserve für den in den kommenden Jahren erwarteten Ausgabenschub. "Ich kann nur davor warnen, den Bundeszuschuss noch weiter zu kürzen. Der Bundeszuschuss ist kein Almosen, das das Finanzministerium je nach Kassenlage vergibt. Er dient vor allem der verlässlichen Finanzierung eines Teils der familienpolitischen Leistungen, die die gesetzliche Krankenversicherung für den Staat erbringt. Auf diese Finanzierung sollten sich die 70 Millionen gesetzlich Versicherten verlassen können. Die Überschüsse bei den Krankenkassen und im Gesundheitsfonds kommen aus den Portemonnaies der Beitragszahler. Dieses Geld muss für die Versorgung der Versicherten zur Verfügung stehen, nicht zum Stopfen von Haushaltslöchern", so die Vorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Dr. Doris Pfeiffer.

Angesichts der heute vom Bundesgesundheitsministerium veröffentlichten Zahlen zu den GKV-Finanzen 2012 fordert der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) die Politik auf, den erhöhten Herstellerzwangsabschlag sowie das Preismoratorium sofort abzuschaffen. Auch aus Sicht des Verbands forschender Pharmaunternehmen (vfa) zeigt die gute Finanzlage der Kassen, dass ein weiteres Sonderopfer zulasten der Industrie nicht nötig ist.

"Krankenkassen oder Sparkassen?"

BAH-Hauptgeschäftsführer Dr. Martin Weiser erinnert daran, dass die schwarz-gelbe Koalition die Maßnahmen seinerzeit in der Erwartung einer desolaten Finanzlage der gesetzlichen Krankenkassen eingeführt habe. "Wenn die Krankenkassen heute Rekordüberschüsse und ein Finanzpolster von mehr als 28 Milliarden Euro vermelden, muss die Politik handeln und das Preismoratorium sowie den erhöhten Herstellerzwangsabschlag endlich zurücknehmen", fordert Weiser nun. Nach den gesetzlichen Vorgaben werden die beiden Sparmaßnahmen erst Ende 2013 auslaufen.

Die Hauptgeschäftsführerin des vfa, Birgit Fischer erklärt: "Die gute Finanzlage der Krankenkassen ist eine positive Nachricht für Patienten und zeigt, dass die stabilen Finanzen der Kassen keines Notopfers der Industrie bedürfen. Angesichts der Überschüsse, Rücklagen und Reserven bei der G-KV müsse man aber kritisch hinterfragen, "ob wir es noch mit Krankenkassen oder eher mit Sparkassen zu tun haben". Fischer ist überzeugt, dass die Begründung für den Zwangsrabatt der Pharmaindustrie "nie schwächer als heute" war.

Sowohl BAH als auch vfa verweisen darauf, dass der Herstellerzwangsabschlag die Unternehmen mit jährlich rund 2,5 Milliarden Euro belaste. Der BAH betont ferner, der Preisstopp verwehre den Unternehmen seit fast drei Jahren jegliche Möglichkeit, Steigerungen der Herstellungskosten zu kompensieren. Zugleich habe der Gesetzgeber aber die regulatorischen Anforderungen im Bereich der Pharmakovigilanz und der Fälschungssicherheit von Arzneimitteln erhöht.

"Die fortgesetzten Kürzungen bei den Krankenhäusern von insgesamt 2,1 Milliarden Euro bis 2014 haben nun jede Rechtfertigung verloren. Im Gegenteil: Es ist der Beweis erbracht, die Kassen sind saniert. Alle Prognosen, die einen überdurchschnittlichen Anstieg der Krankenhausausgaben vorausgesagt haben, sind erneut widerlegt worden. Der langfristige Trend ist und bleibt: Die Ausgaben der Krankenkassen für die Kliniken steigen nur so stark wie die Ausgaben der GKV für die anderen Leistungserbringer. Die Krankenhäuser brauchen jetzt dringend Hilfe, um die steigenden Tariflöhne zahlen zu können. Zudem müssen die Kliniken im Einsatz für eine verbesserte Hygiene unterstützt werden", so der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Alfred Dänzer.



AZ 2013, Nr. 11, S. 8

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