Fortbildungskongress

Rheumatoide Arthritis

Mehr als nur eine Gelenkerkrankung

Die rheumatoide Arthritis ist nicht nur eine Erkrankung der Gelenke, sondern des gesamten Körpers. Prof. Dr. Ulf Müller-Ladner, Bad Nauheim, machte deutlich, dass die Morbidität und Mortalität dieser Erkrankung in der gleichen Größenordnung liegt wie die von Diabetes mellitus oder einer Drei-Gefäß-KHK. Der wichtigste externe Risikofaktor ist das Rauchen: Rauchen erhöht nicht nur das Risiko für die Entstehung einer rheumatoiden Arthritis, sondern auch die Gefahr für einen besonders schweren Verlauf.

Prof. Dr. Ulf Müller-Ladner Foto: DAZ/du

Zur Ursache der rheumatoiden Arthritis sind nach wie vor viele Fragen offen. Das liegt vor allem daran, dass die Krankheit einen Vorlauf hat, der sowohl mit Veränderungen im Gelenk als auch mit Veränderungen im Körper einhergeht. Dabei ist nicht klar, welche Prozesse zuerst stattfinden. Es ist zwar bekannt, dass es eine genetische Beteiligung gibt, aber es gibt kein spezifisches Rheumagen und keine direkte Vererbung.

Frühsymptom Gelenkschmerzen

Als erste Frühsymptome treten meist symmetrisch Gelenkschmerzen bevorzugt in den Händen auf, im späteren Verlauf schwellen die Gelenke an. Unbehandelt breitet sich die durch chronische Entzündungsprozesse charakterisierte Erkrankung auf weitere Gelenke aus, aber auch auf Organsysteme. Die Patienten können zusätzlich an einer sekundären Osteoporose, Arteriosklerose oder einer Lungenfibrose erkranken, aber auch an einer sekundären Amyloidose oder Malignomen.


Rauchen und rheumatoide Arthritis


Etwa 500.000 Menschen leiden in Deutschland an einer behandlungsbedürftigen rheumatoiden Arthritis. Drei Viertel der Betroffenen erkranken zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr. Raucher haben dabei nicht nur ein höheres Risiko, an einer rheumatoiden Arthritis zu erkranken, sie müssen auch mit einem deutlich schwereren Verlauf rechnen. Erklärt wird dieses besonders hohe Risiko damit, dass Bestandteile des Zigarettenrauchs die Citrullinierung von Peptiden fördern. Bei diesem Prozess wird die Aminosäure Arginin in Citrullin umgewandelt. Das entsprechend veränderte Peptid wird vom Körper als fremd erkannt, es kommt zur Bildung von Autoantikörpern, den sogenannten Antikörpern gegen cyclische citrullinierte Peptide, auch als ccP-AK oder ACPA bezeichnet. Sie spielen für den Verlauf einer rheumatoiden Arthritis eine besondere Rolle und sind ein wichtiger Biomarker.

Raucher mit rheumatoider Arthritis können durch Aufgabe des Rauchens ihre Prognose deutlich verbessern.

Diagnosekriterien

Für die Diagnosestellung wird das ACR/EULAR 2010-Klassifikationssystem herangezogen. Hier fließen die Art und Zahl der betroffenen Gelenke ein, die Serologie (Rheumafaktor, Antikörper gegen citrullinierte Peptide), Akutphase-Reaktionen und die Dauer der Symptome. Voraussetzung sind entzündete und geschwollene Gelenke. Werden mindestens 6 von insgesamt 10 Punkten erreicht, kann die Diagnose rheumatoide Arthritis gestellt werden.

Vielfältige Therapieansätze

In den letzten 20 Jahren konnten immer detailliertere Erkenntnisse zur Pathophysiologie gewonnen werden, was sich in neuen therapeutischen Strategien widerspiegelt. Potenzielle Angriffspunkte finden sich auf intrazellulärer, extrazellulärer und zellulärer Ebene, aber auch systemisch.

Intrazelluläre Angriffspunkte haben Methotrexat (Hemmung des Folsäurezyklus und der DNA-Synthese) und Leflunomid (Pyrimidin-de-novo-Synthese-Hemmung). Mit ihnen lassen sich Entzündungsprozesse eindämmen, bei Kombination der beiden Substanzen wird die Wirkung verstärkt.

Auf zellulärer Ebene sind die B-Zellen das wichtigste Ziel, da sie auf verschiedene Weise an der Pathogenese der rheumatoiden Arthritis beteiligt sind: Sie bilden zum einen entzündungsfördernde Zytokine, dann binden sie Antigene und schieben so die Antikörperproduktion an, sie bilden Autoantikörper (Rheumafaktoren, Antikörper gegen cyclische citrullinierte Peptide [ccP-AK, ACPA]) und sie können Osteoklasten direkt stimulieren. Der Anti-CD20-Antikörper Rituximab bindet an CD 20 auf der Oberfläche der B-Zellen und leitet so deren Apoptose ein. Bei Patienten, die auf Rituximab ansprechen, findet man im peripheren Blut keine B-Zellen mehr.

Im Rahmen chronischer Entzündungen findet eine rege intrazelluläre Kommunikation statt. Bei der Suche nach solchen Zellkontakten, die für die Unterhaltung des Entzündungsprozesses von herausragender Bedeutung sind, hat man den Kontakt zwischen T-Zellen und Antigen-präsentierenden Zellen (APC) über den CTLA4- Rezeptor ausgemacht und mit Abatacept (Orencia®) einen löslichen CTLA4-Rezeptorkomplex entwickelt, der die Kostimulation von T-Zellen durch APC unterbindet.

Auf extrazellulärer Ebene lässt sich ein Überangebot von TNF-alpha erfolgreich mit TNF-alpha-Antikörpern wie Infliximab, Adalimumab (Humira®), Golimumab (Simponi®), Etanercept (Enbrel®) und Certolizumab (Cimzia®) neutralisieren. Sie reichern sich in den entzündeten Gelenken an und zeigen nach sechs bis acht Wochen erste Therapieerfolge. Mit Tocilizumab (Ro-Actemra®) steht zudem ein monoklonaler Antikörper gegen Interleukin 6 zur Verfügung.

Leitlinienkonformer Einsatz von Antirheumatika [nach Müller-Ladner]

Corticosteroide werden zur systemischen Therapie eingesetzt. Mit einer niedrigdosierten Prednisolon-Therapie lässt sich vor allem die Morgensteifigkeit bessern, das Nebenwirkungsrisiko ist gering.

Eine leitliniengerechte Therapie beinhaltet eine umgehende Behandlung mit Disease modifying antirheumatic drugs (DMARDs) wie Methotrexat oder Leflunomid, bei ausbleibendem Therapieerfolg eine schnelle Umstellung auf eine andere Therapie – wobei auch der frühzeitige Einsatz von Biologicals zunehmend an Bedeutung gewinnt – sowie die Nutzung von niedrig dosierten Glucocorticoiden (s. Abb.).


du



DAZ 2012, Nr. 7, S. 66

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