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200 Millionen und mehr

Peter Ditzel

Alles schläft, einsam wacht – die Nachtdienst-Apotheke. In Deutschland ist der Nacht- und Notdienst fast zu einem Gratis-Angebot der Apothekerinnen und Apotheker an die Bevölkerung, ans Gesundheitswesen geworden (s. S. 56). Die Nachttaxe von 2,50 Euro, unverändert seit Jahren, trägt die Kosten für diese Serviceleistung schon lange nicht mehr. Eine Erhöhung ist nicht in Sicht. Der eine oder andere von Ihnen kennt sicher noch die markigen Sprüche früherer Zeiten, mit denen niedrige Nachtdienstgebühren gerechtfertigt wurden: "Wer tagsüber absahnt, kann auch nachts zubuttern." Das mag vielleicht in dem einen oder anderen Fall für die 70er oder 80er Jahre des letzten Jahrhunderts zugetroffen haben, als eine Apotheke noch einen Ertrag erwirtschaftete. Doch das ist lange vorbei. Zahlreiche Kostendämpfungsgesetze, zuletzt das AMNOG, Streichungen von Einkaufsrabatten und hohe Rabatte für die Krankenkassen haben die Erträge einer Apotheke und das verfügbare Einkommen drastisch schrumpfen lassen. Eine Quersubventionierung von Serviceleistungen wie Nachtdienste ist schon lange nicht mehr drin. Nach Berechnungen der ABDA beschert allein der Nacht- und Notdienst den rund 21.000 Apotheken einen jährlichen Fehlbetrag von 200 Millionen Euro, pro Apotheke rund 10.000 Euro im Jahr.

Hinzu kommen die seit über 20 Jahren nicht angepassten Honorare für die Herstellung von Rezepturen. Auch hier war schon früher immer von einer Mischkalkulation die Rede – wer bei der Arzneimitteabgabe ordentlich verdiene, könne bei der Herstellung von Rezepturen nicht mit kostendeckenden Arbeitspreisen rechnen. Aber auch hier trifft schon seit Jahren zu, was für den Notdienst gilt: Die Erlöse aus der Arzneimittelabgabe können schon lange nicht mehr die Rezepturherstellung subventionieren. Wie Berechnungen zeigen, erwirtschaftet die Durchschnittsapotheke über die Versorgung der GKV-Versicherten mit Rx-Arzneimitteln seit Jahren nicht einmal mehr die anteiligen steuerlich abzugsfähigen Kosten. In 2010 kam es in diesem Segment zu einem durchschnittlichen Verlust je Apotheke von rund 26.000 Euro (siehe hierzu auch die Berechnungen in der Apotheker Zeitung Nr. 5).

Seit 2004 bekommt der Apotheker für seine Tätigkeit ein Honorar von 8,10 Euro pro Packung (abzüglich eines Kassenzwangsrabatts). Dieses Honorar wurde seitdem nie mehr angepasst. Löhne, Betriebskosten, Preise sind dagegen in den zurückliegenden acht Jahren ständig gestiegen. Warum erfolgte keine Anpassung? Schaut die Politik weg? Werden unsere Forderungen nach einer Erhöhung zu leise vorgetragen? Verfolgt man die Äußerungen von Gesundheitspolitikern in den letzten Tagen, dann erkennt man, dass die Forderung nach einer Honoraranpassung durchaus angekommen ist. Aber laut Ulrike Flach, parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, fehlen noch "verlässliche Daten" zur wirtschaftlichen Lage der Apotheken. "Die ABDA muss liefern, bevor die Verhandlungen beginnen", äußerte sie sich in der vergangenen Woche zu den Apothekerforderungen.

Zwar habe der Deutsche Apothekerverband bereits im vergangenen Sommer Daten vorgelegt, "aber diese Daten spiegeln nicht die Breite der wirtschaftlichen Lage der Apotheker wider", so Flach. Man traut seinen Ohren nicht: Kommen die Verhandlungen und Gespräche über eine Anpassung des Apothekerhonorars nicht in Gang, weil es an verlässlichen Daten fehlt? Kann es so schwer sein, die gewünschten Zahlen und Daten aufzubereiten und zu liefern? Welche Daten erwartet das Ministerium? Welche Daten hat der Apothekerverband geliefert? Oder ist dies nur Schikane und Hinhaltetaktik des Ministeriums? Will man das Apothekerhonorar, aus welchen Gründen auch immer, einfach nicht anpassen?

Diese Vermutung drängt sich auf, wenn man bei den Äußerungen des gesundheitspolitischen Sprechers der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jens Spahn, genau hinhört. Er ruft dazu auf, weniger über eine grundsätzliche Anpassung des Honorars nachzudenken. Es sei zu hinterfragen, ob die Apothekervergütung an die Arzneimittelabgabe gekoppelt sein müsse. Er könne sich vielmehr vorstellen, die Honorierung auch anders zu strukturieren. Auch er gibt den Ball an die Apotheker zurück: Er forderte die Apotheker, sprich ABDA auf, ihrerseits einen Vorschlag einzureichen. Es könne nicht Aufgabe der Politik sein, hier ein System zu entwickeln und sich anschließend von der ABDA kritisieren zu lassen. Da fragt man sich nur, wie lange das Ping-pong-Spiel weitergehen soll.

Dass es noch Zukunftsperspektiven und Eigen-Initiativen von Apothekerinnen und Apothekern gibt, zeigten die Preisträger des "Zukunftspreises öffentliche Apotheken" und Vorträge auf dem Zukunftskongress des Apothekerverbands Nordrhein (s. S. 66).

Und der Kooperationsgipfel-Kongress machte auf seine Weise deutlich, dass bereits die meisten Apotheken unter das Dach einer Kooperation geschlüpft sind (s. S. 77). Doch auch hier zeigt sich, dass dies allein nicht zur Zufriedenheit und Verbesserung von Betriebsergebnissen führt.

Letztlich führt kein Weg vorbei an einer Honoraranpassung – nach oben.


Peter Ditzel



DAZ 2012, Nr. 6, S. 3

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