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"Pflege trifft Frauen doppelt"

Barmer GEK legt Pflegereport vor

Im Schnitt müssen Frauen rund 45.000 Euro für ihre Pflege aus eigener Tasche bezahlen, so der Pflegereport 2012 der Barmer GEK. Bei Männern sind es aufgrund kürzerer Lebenserwartung weniger als die Hälfte (21.000 Euro). Von den rund 6 Millionen Deutschen, die ihre pflegebedürftigen Angehörigen zumindest teilweise selbst zu Hause betreuen, sind zwei Drittel weiblich, so eine weitere Studie. Dafür treten die Frauen häufig beruflich kürzer, mit negativen Folgen für die eigene Altersvorsorge.

Von den Frauen, die Familienangehörige pflegen, sind nur 42% berufstätig – überwiegend in Teilzeitstellen, denn jede zweite wendet mehr als drei Stunden täglich für die Betreuung auf. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der R+V Versicherung. Die "typische Pflegende" ist 61 Jahre alt, verheiratet, hat zwei erwachsene Kinder und pflegt schon länger als drei Jahre.

Da die Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung auf 67 Jahre steigt, lässt sich absehen, wie sich die Pflegetätigkeit dieser Frauen auf deren eigene Altersabsicherung auswirkt. Dabei haben sie im Vergleich zu Männern ohnehin einen höheren Bedarf: Fünf Jahr mehr an Lebenserwartung führen zu einem durchschnittlich mehr als doppelt so hohen Eigenanteil bei den Pflegekosten.


Aus dem Pflegereport


  • Der Anteil der zu pflegenden Menschen an der Bevölkerung beträgt 2,4% (Stand: 2010).

  • In den östlichen Bundesländern, insbesondere in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, ist der prozentuale Anstieg der Pflegefälle wesentlich höher als im Westen.

  • Von 1998 bis 2011 stieg die Zahl der Pflegebedürftigen um 20%, darunter die Personen in der Pflegestufe 1 um 35%. Der Bedarf an Kurzzeitpflege hat sich verdreifacht.


Quelle: Barmer GEK, Pflegereport 2012


Bei Frauen summieren sich die privaten und gesetzlichen Pflegekosten auf knapp 84.000 Euro, bei Männern auf 42.000 Euro.

Insgesamt zahlen die Pflegekassen im Schnitt für eine bzw. einen von rund 2,46 Millionen Pflegebedürftigen rund 33.000 Euro, dazu kommen 31.000 Euro aus der eigenen Tasche.

Für Barmer GEK-Chef Rolf-Ulrich Schlenker belegen diese Zahlen, "dass die Pflegeversicherung immer eine Teilkaskoversicherung war, ist und bleiben wird".


Barbara Neusetzer

Kommentar

Ein gesamtgesellschaftliches Problem


Frauen sollen und müssen besser ins Arbeitsleben integriert werden, darüber besteht weitgehend Konsens. Eine Folge: Vor Eintritt des Rentenalters werden sich die zeitaufwendige private Pflege von Angehörigen künftig immer weniger Arbeitnehmerinnen leisten können, wenn sie keine existenzgefährdenden Abschläge bei der Altersvorsorge riskieren wollen.

Blickt man gleichzeitig auf die wachsende Lücke bei den professionellen Pflegekräften, wird ein massives Problem deutlich, das nur mit gemeinsamen Anstrengungen von Staat, Arbeitgebern und Familien zu bewältigen sein wird: bessere Arbeitsbedingungen für die Pflegeberufe, stärkere Förderung für die häusliche Pflege, mehr Verständnis sowie Unterstützung und flexiblere Rahmenbedingungen für pflegende Mitarbeiter (Frauen und Männer!) in den Betrieben. Eine Möglichkeit zur Mitarbeiterbindung könnten beispielsweise Arbeitgeberbeiträge zur privaten Pflegeversicherung sein.


Barbara Neusetzer

Hilft der "Pflege-Bahr"?

Als Tropfen auf den heißen Stein kritisiert Schlenker die 60 Euro staatlichen Zuschuss für die private Pflegeversicherung, auf die ab Jahresbeginn 2013 Anspruch hat, wer selbst mindestens 10 Euro monatlich in eine solche Zusatzversicherung steckt. Viele Niedrigverdiener werden sich aber nicht einmal diese 120 Euro im Jahr leisten können.

Die "Verordnung zur Durchführung der Zulage für die private Pflegevorsorge" wurde Ende November vom Bundeskabinett verabschiedet und tritt zusammen mit dem Pflegeneuausrichtungsgesetz in Kraft.


Dr. Sigrid Joachimsthaler



DAZ 2012, Nr. 50, S. 92

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