DAZ aktuell

"Easy-Robin Hood" gegen "gierige Traditionalisten"?

Jochen Pfeifer

Velbert ist eine Stadt in Nordrhein-Westfalen, zwischen Essen, Wuppertal und Düsseldorf gelegen. Normalerweise kommt Velbert in die Medien nur aufgrund sportlicher Höchstleistungen im Tanzsport und Boxen bzw. im Wirtschaftsteil wegen einer großen Anzahl von Unternehmen der Schließ- und Sicherheitstechnik vor. Mit etwa 30 Apotheken in Velbert und Umgebung ist die Stadt auch nicht gerade schlecht mit Apotheken versorgt.

Jetzt ist Velbert zum Schauplatz einer medialen Auseinandersetzung über die "richtige" Art und Weise eine Apotheke zu betreiben, geworden.

Die DAZ berichtete in Heft 49/2012 darüber, dass der "Spiegel" wieder für einen "Apothekenaufreger" gesorgt hatte: "Etablierte Apotheken kämpfen gegen Preiswettbewerb". Der WDR sprang auf den Zug auf und drehte hier in Velbert in mehreren Apotheken einen Film zu diesem Thema, der am 9. Dezember im WDR Fernsehen ausgestrahlt wurde.

Es ging um Frau Kollegin Susan Krieger aus Velbert, die gleich nach der Eröffnung ihrer Easy-Apotheke "Ärger mit Kollegen und der Apothekerkammer Nordrhein bekam".

Der Fall "Easy", egal wie er jetzt vor den Gerichten ausgehen wird, zeigt, dass wir die Funktion der inhabergeführten öffentlichen Apotheke ganz schnell neu definieren sollten, damit wir nicht wieder nur über den Preis der Arzneimittel, sei es OTC oder Rx, verglichen werden.

Die offizielle Apothekerschaft darf auf keinen Fall medial jetzt denselben Fehler machen, den sie schon bei DocMorris und bei den Versandapotheken gemacht hatte. Ansonsten wird die Easy-Kooperation in den Medien als "Robin Hood" der armen Rentner dargestellt und wir anderen öffentlichen Apotheker als die gierigen Traditionalisten, die den Status Quo auf Kosten der Patientinnen und Patienten mit allen Mitteln beibehalten wollen und nur in der Lage sind, Taschentücher, Kalender und "Apothekenumschau" bei überteuerten Preisen abzugeben.

In meinen Gesprächen mit dem Spiegel und dem WDR ist mir auch bewusst geworden, dass im Augenblick das mediale Interesse ausschließlich auf dem angeblichen Verbraucherinteresse nach billigen Preisen in der Apotheke - und zwar sowohl im OTC als auch im Rx-Bereich liegt. Daher werden die "üblichen" Argumente der offiziellen Apothekerschaft hier nichts bringen.

Wir befinden uns jetzt vielmehr in einer intensiven Auseinandersetzung, bei der es um die Frage geht, wie die Arzneimittelversorgung des 21. Jahrhunderts aussehen wird und welche Rolle dem Apotheker dabei zukommt.

Ich bin der festen Überzeugung, dass die Krankenkassen sich dies auch nicht mehr sehr lange mit ansehen werden. Wenn Kolleginnen und Kollegen der Meinung sind, ihre Honorierung für die Abgabe von rezeptpflichtigen Arzneimitteln aus reinen Marketinggründen den Patientinnen und Patienten noch zu bonifizieren (Easy: bis zu 3 € Gutscheine für non Rx Artikel pro Rezept), würde ich mir als Vorstand einer Krankenkasse überlegen, ob die Apotheker hier nicht zu viel Geld bekommen. Wir wissen alle, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Außerdem ist sowohl in der Politik als auch in der Rechtsprechung "herrschende Meinung", dass alle Bonifizierungen im Rx-Bereich ausschließlich den Gesetzlichen Krankenkassen zugute kommen dürfen.

Wir dürfen aber den Medien auch keine so großen Angriffsflächen bieten, wie etwa im Beitrag der ARD vom 9. Dezember über Vitaminprodukte und die angeblich nicht ganz so optimale Beratung in Apotheken geschehen.

Da hilft es rein gar nichts, den Experten, Prof. Glaeske, wie üblich wild zu beschimpfen, was die Apotheker in den entsprechenden online-Foren wieder einmal perfekt hinbekommen haben. Jede Apothekerin und Apotheker weiß, dass zusätzliche Vitaminpräparate bei gesunden und ausgewogen ernährten Erwachsenen überflüssig sind, dennoch wurden die Präparate von allen getesteten Apotheken an die Testkäuferin verkauft, anscheinend ohne nachzufragen.

Dieses Medieninteresse zeigt auch, dass wir ganz schnell eine Änderung der Honorierung der Apotheker benötigen, die unabhängig sein muss von der Anzahl der verkauften Packungen. Ohne eine solche Reform können neuartige pharmazeutische

Projekte zum Nutzen der Patientinnen und Patienten, wie etwa die Patientenorientierte Pharmazie (POP)-Reihe der DAZ, flächendeckend nicht umgesetzt werden. Es muss sich für den Apotheker auch finanziell in Zukunft lohnen, "nein" zu sagen und nichts zu verkaufen. Dies ist mit der bisherigen Honorierung nicht möglich.

Wenn wir uns weiterhin ausschließlich über den Preis profilieren wollen, prophezeie ich das baldige Ende der Apothekenpflicht, was von einigen Marktteilnehmern auch gewünscht wird. Wir Apotheker werden den Preiswettbewerb niemals gewinnen können, das können Drogeriemarktketten oder auch amazon viel besser. Allerdings kann uns keiner im Qualitätswettwerb schlagen – wenn wir uns ihm nur endlich einmal konsequent stellen würden.


Jochen Pfeifer

Jochen Pfeifer, PharmD, ist Inhaber der Adler Apotheke in Velbert, Fachapotheker für Allgemeinpharmazie und Clinical Assistant Professor an der University of Minnesota, USA.



DAZ 2012, Nr. 50, S. 22

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