Arzneimittel und Therapie

Mukosaheilung im Blickpunkt

Neues Ziel bei entzündlichen Darmerkrankungen

Wie gut eine Therapie bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa wirkt, wurde lange Zeit im Wesentlichen an der Besserung der Symptome festgemacht. Das scheint sich zu ändern. Als neues Therapieziel wird die Abheilung der Darmschleimhaut derzeit intensiv diskutiert. Denn sie geht einher mit längeren steroidfreien Remissionen und einer verbesserten Lebensqualität. Erreichen lässt sich eine solche Mukosaheilung mit klassischen Immunsuppressiva, besser noch durch eine TNF-alpha-Blockade.

Die anhaltende Entzündung der intestinalen Mukosa bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) ist eine Gefahr für den Darm. Langfristig können sich Strikturen, Fisteln und Abszesse entwickeln. Die Funktion wird beeinträchtigt. Von einer Abheilung der Darmschleimhaut als Ausdruck einer geringen Entzündungsaktivität versprechen sich manche Wissenschaftler eine Reduktion von Rezidiven, Komplikationen, Hospitalisierung und Operationen. Dass die mukosale Heilung tatsächlich eng mit der Krankheitsaktivität assoziiert ist, zeigen verschiedene Studien. Prof. Dr. Stefan Schreiber, Kiel, verwies auf einer von der Abbott GmbH unterstützten Veranstaltung im Rahmen der 67. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten e.V. unter anderem auf Daten einer prospektiven Studie, die Patienten mit Morbus Crohn nach Ileumresektion über acht Jahre nachbeobachtete. Je stärker die Mukosa nach einem Jahr geschädigt war, umso größer war das langfristige Risiko für ein Rezidiv. So waren 80% der Patienten ohne endoskopischen Befund nach einem Jahr auch noch nach acht Jahren symptomfrei. Fanden sich endoskopisch mehr als fünf aphthöse Läsionen, waren langfristig nur noch 60% ohne Symptome. In einer populationsrepräsentativen Stichprobe, die Patienten über zehn Jahre nachbeobachtete, musste deutlich seltener krankheitsbedingt operiert werden, wenn eine Mukosaheilung erreicht worden war. Auch die Chance des Patienten auf eine steroidfreie Remission ist nach Mukosaheilung größer.

Mit TNF-alpha-Blockade Mukosa abheilen

Eine Abheilung der Mukosa lässt sich durch klassische Immunsuppressiva wie Azathioprin erreichen, besser noch durch eine TNF-alpha-Blockade. In der SONIC-Studie, die Azathioprin, Infliximab und die Kombination bei Patienten mit mäßigem bis schwerem Morbus Crohn miteinander verglich, kam es bei 16,5% der Patienten unter Azathioprin zu einer Mukosaheilung, bei 30,1% unter Infliximab und bei 43,9% unter der Kombination. Die Mukosaheilung war dabei definiert als vollständiges Fehlen mukosaler Ulzerationen; restliche Erytheme und/oder Ödeme können vorhanden gewesen sein. Mit dem TNF-alpha-Antikörper Adalimumab (Humira®) lässt sich eine mukosale Heilung sowohl bei Morbus Crohn als auch bei Colitis ulcerosa erreichen. In der EXTEND (Extend the Safety and Efficacy of Adalimumab Through Endoscopic Healing)-Studie wurden 135 Patienten mit mittelschwerem bis schwerem Morbus Crohn eingeschlossen, die zu Beginn der Untersuchung Schleimhautulzerationen im Bereich von Ileum oder Kolon aufwiesen. Die mukosale Heilung war als primärer Endpunkt definiert. Durch eine Induktionstherapie mit Adalimumab mit sich anschließender Erhaltungstherapie erreichten 27% der Patienten innerhalb von zwölf Wochen eine mukosale Heilung. Bei Patienten, die nach der Induktionsphase mit Placebo weiterbehandelt wurden, war dies nur bei 13% der Fall. Auch nach 52 Wochen war die erreichte Mukosaheilung bei den meisten Patienten der Verumgruppe noch erhalten, dagegen bei keinem Patienten unter Placebo. Bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Colitis ulcerosa erreichten in der ULTRA(Ulcerative Colitis Long Term Remission and Maintenance with Adalimumab) 2-Studie nach acht und 52 Wochen signifikant mehr Patienten unter anhaltender Adalimumabtherapie eine Abheilung der Darmmukosa als unter Placebo.

Zulassung auch für mittelschweren Morbus Crohn


Seit September 2012 steht Adalimumab (Humira®) auch zur Behandlung des mittelschweren aktiven Morbus Crohn bei erwachsenen Patienten zur Verfügung. Die Entscheidung der Europäischen Kommission basiert auf den Ergebnissen von vier klinischen Phase-II/III-Studien, in denen Sicherheit und Wirksamkeit von Adalimumab hinsichtlich der Induktion und Erhaltung einer klinischen Remission bei Erwachsenen mit mittelschwerer bis schwerer aktiver Erkrankung untersucht wurden. Bereits seit 2007 ist der TNF-alpha-Inhibitor für den schweren aktiven Morbus Crohn bei Erwachsenen zugelassen.

Früher Einstieg

Die Daten der EXTEND-Studie zeigen aber noch mehr. Sie belegen, dass eine frühe Mukosaheilung mit einer verbesserten Lebensqualität einhergeht. Und sie zeigen den Vorteil eines möglichst frühzeitigen Einsatzes von Biologika. Je früher mit der Adalimumabtherapie begonnen wurde, desto höher war der Anteil der Patienten, bei denen eine Mukosaheilung erreicht wurde. Bei einem Beginn innerhalb der ersten zwei Jahre lag der Anteil bei 44%, bei einem Beginn nach mehr als fünf Jahren nur noch bei 21%.

Stellenwert der Endoskopie steigt

Es gibt aber in Sachen mukosaler Heilung auch Diskussionsbedarf. So ist noch nicht ganz klar, wie der Begriff genau definiert werden soll. Zudem lässt sich die Abheilung der Darmschleimhaut nur endoskopisch feststellen. Wann und wie häufig also sollte der Patient endoskopiert werden, um über den Erfolg der Therapie bzw. eine Therapieeskalation zu entscheiden? Das technische Rüstzeug ist jedenfalls vorhanden. Die inzwischen zur Verfügung stehenden endoskopischen Verfahren ermöglichen den Gastroenterologen bereits eine sehr genaue Beurteilung der Darmmukosa. Sie werden nach Einschätzung von Prof. Dr. Ralf Kiesslich, Mainz, künftig einen immer größeren Stellenwert bei der Therapieentscheidung einnehmen.


Apothekerin Dr. Beate Fessler


Zum Weiterlesen


Darmentzündungen natürlich behandeln: Erfolg verspricht die Sanierung der Darmflora

DAZ 2012, Nr. 14, S. 70– 71



DAZ 2012, Nr. 49, S. 45

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