DAZ aktuell

Kassenabschlag: Protest schon vor zweiter Verhandlungsrunde

Fronten verhärtet – Ausgang ungewiss – Zeichen stehen auf Schiedsverfahren

BERLIN (lk). Schon vor der zweiten Verhandlungsrunde über den Kassenabschlag zwischen DAV und GKV-Spitzenverband haben einige regionale ABDA-Mitgliedsorganisationen mit Protestaktionen auf die starre Haltung der Krankenkassen reagiert. Alle Zeichen deuteten auf ein Scheitern der Gespräche und das Einschalten der Schiedsstelle hin. Zu Redaktionsschluss dieser DAZ-Ausgabe lag noch kein Ergebnis vor.
Proteste in den Ländern In Brandenburg wurde am Mittwochnachmittag nur durch die Notdienstklappe versorgt. Foto: Imago

Bereits seit Wochenbeginn schicken Apotheker aus Baden-Württemberg, dem Saarland, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern Faxe an den GKV-Spitzenverband. Der Apothekerverband Baden-Württemberg und der Apothekerverein Saarland cancelten laufende Vertragsverhandlungen mit den Kassen. In Brandenburg blieben Mittwochnachmittag die Apotheken geschlossen. Unmittelbar nach dem Ende der zweiten Runde will die ABDA auf eine Pressekonferenz über das weitere Vorgehen informieren. Für den Fall des Scheitern hat sich die ABDA auf eine bundesweite Protestkampagne vorbereitet. Unterstützt werden sollen die zentral geplanten Maßnahmen von regionalen Protestaktionen der ABDA-Mitgliedsorganisationen. Am Freitag, den 2. November, hatte das Berliner Apothekerhaus bei allen ABDA-Mitgliedsorganisationen die regionale Kampfbereitschaft abgefragt: Aber nur zwölf Verbände und sieben Kammern antworteten – 19 von 34 Mitgliedsorganisationen. Daher existiert kein zuverlässiges Bild über regionale Unterstützung.

Protest mit größtmöglicher medialer Präsenz

Nach den Vorstellungen des Berliner Apothekerhauses soll die Protestkampagne in einem Zeitraum von zehn bis 14 Tagen ab dem Scheitern der Verhandlungen stattfinden, um dem Protest eine größtmögliche mediale Präsenz und Nachhaltigkeit zu verleihen. Für die zentrale Medienkampagne stehen im Berliner Apothekerhaus 500.000 Euro zur Verfügung. Geplant und vorbereitet sind folgende Maßnahmen: Anzeigen in Berliner Printmedien, Anzeigen in bundesweiten Printmedien wie FAZ und Süddeutsche Zeitung. Auf stark frequentierten News- und Unterhaltungsportalen wie Spiegel Online sollen Hinweisbanner mit Verlinkungen zur Extra-Kampagnen-Website geschaltet werden. Auf der Website wird es eine interaktive Infografik zum Thema Kassenabschlag geben. Den Apotheken werden als Download zusätzlich Handzettel zur Kundeninformation angeboten.

Geschlossene Apotheken in Brandenburg

Angesichts der verhärteten Fronten haben jedoch schon vor der zweiten Verhandlungsrunde einige ABDA-Mitgliedsorganisationen auf eigene Faust Protestaktionen vorgezogen. So blieben am Mittwochnachmittag in Brandenburg viele Apotheken geschlossen: Die Mitgliederversammlung des Apothekerverbandes Brandenburg e.V. (AVB) hatte auf der Jahrestagung am 10. November einstimmig beschlossen, die Apothekerinnen und Apotheker im Land Brandenburg dazu aufzurufen, ab zwölf Uhr die Arzneimittelversorgung der Patienten ausschließlich von den Notdienst-Apotheken über die Notdienstklappe sicherzustellen. "Die Apotheker und Apothekerinnen in Brandenburg sehen keine andere Möglichkeit, als mit dem Schließen der Apotheken auf die skandalöse Verhandlungsverweigerung des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenkassen bei der ersten Verhandlungsrunde über den Kassenabschlag für 2013 hinzuweisen", hieß es in einer Mitteilung des Verbandes. Der Protest richte sich gegen die fehlende Bereitschaft des GKV-Spitzenverbandes, ernsthaft über strittige Punkte zu diskutieren und verstehe sich als Aufruf an die Gesetzlichen Krankenkassen, die Verhandlungen nicht weiter zu blockieren, sondern sich konstruktiv daran zu beteiligen.

"Wir sind empört über das jegliche Verhandlungen von vornherein untergrabende Verhalten der Vertreter des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherung", so Andrea Lorenz, Vorsitzende des AVB, "und wir befürchten, dass dies wohlkalkulierte Taktik ist und der GKV-Spitzenverband versucht, uns die erst kürzlich von der Politik errungene und nach wie vor völlig unzureichende 25 Cent Honoraranhebung über den Kassenabschlag wieder wegzunehmen." Die Position der GKV, sämtliche Zahlen zur wirtschaftlichen Entwicklung der Apotheken, die der DAV als Verhandlungsgrundlage vorgelegt habe, nicht anzuerkennen, verstärke die Einschätzung, dass der GKV-Spitzenverband an einer Einigung von vornherein nicht interessiert sei: "Es kann doch nicht sein, dass testierte Zahlen und Fakten zur wirtschaftlichen Entwicklung der Apotheken, die sowohl das Bundesgesundheitsministerium, als auch das Bundesministerium für Wirtschaft noch diesen Sommer zur Honorarberechnung herangezogen haben, nun von der GKV strikt abgelehnt werden", äußert Michael Klauß, Geschäftsführer des AVB, sein Unverständnis.

Massenfax-Aktionen in mehreren Ländern

Proteste gab es auch schon in Baden-Württemberg, dem Saarland, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern: Die dortigen Landesapothekerverbände forderten zu einer Massenfax-Aktion an Krankenkassen in Bund und Land auf. Zudem kündigten Baden-Württemberg und das Saarland an, andere Vertragsverhandlungen mit den Krankenkassen – etwa über Blutzuckerteststreifen – bis auf Weiteres auszusetzen. Fritz Becker, Präsident des LAV Baden-Württemberg, aber auch als DAV-Vorsitzender Chef der Verhandlungskommission, sagte: "Es kann nicht sein, dass die gesetzlichen Krankenkassen trotz ihrer milliardenschweren Finanzrücklagen die Apotheken auch 2013 gegen den Willen des Gesetzgebers finanziell unverändert hoch belasten wollen. Dies, obwohl viele Apotheken unter den Sparmaßnahmen leiden und jede Woche in Deutschland sechs Apotheken schließen müssen." Mit ihrer Verweigerungshaltung zeigten die Kassen, dass sie nicht bereit seien, für die Versorgung ihrer Versicherten einen angemessenen Preis zu bezahlen. Der LAV-Präsident forderte faire Verhandlungen mit einem gerechten Ergebnis.

Zu einer Massenfax-Aktion forderte auch der Saarländische Apothekerverein seine Mitglieder auf: "Um den am 14. November 2012 stattfindenden Verhandlungen zum Zwangsabschlag Nachdruck zu verleihen, dürfen wir Sie daher vorliegend aufrufen, das in Anlage beiliegende Protest-Fax dem AOK-Bundesverband und GKV-Spitzenverband zu faxen", hieß es bereits letzte Woche in einer Information an alle Apotheker des Landes. Die Faxnummern lieferte der Verband gleich mit. "Wir bitten alle Apotheken, sich dieser Aktion anzuschließen." Wichtig sei, das Protest-Fax so oft wie möglich zu faxen, verteilt über drei Tage. Nur so könne sichergestellt werden, dass die Adressaten "nicht kurzzeitig ihr Fax abstellen und unsere berechtigte Forderung auf eine faire Vergütung verhallt". Sollte das Protest-Fax nicht "durchgehen", so könne man natürlich auch zum Beispiel auf die Telefon-Nummer des GKV-Spitzenverbandes faxen, riet der Verband und gab die Telefonnummern für "Fragen zur Krankenversicherung" und "Fragen zur gesundheitlichen Prävention" an. "Der Kreativität sind insofern keine Grenzen gesetzt", hieß es weiter.

Ergebnis: Rund 1000 Faxe

Rund 1000 Faxe aus Baden-Württemberg und dem Saarland gingen bis zum Redaktionsschluss der DAZ am Dienstag beim GKV-Spitzenverband ein. Verbandssprecher Markus Lanz gab sich davon nicht beeindruckt: "Da in der täglichen Arbeit des GKV-Spitzenverbandes die etwas veraltete Fax-Technik keine große Rolle mehr spielt, wurden wir durch diese Fax-Aktion auch nicht ernsthaft bei unserer Arbeit behindert."

Der GKV-Spitzenverband bewerte die Faxaktion jedoch als deutlichen Hinweis darauf, dass viele Apotheker mit ihrer individuellen Ertragssituation unzufrieden seien. Deshalb sei vor der zweiten Verhandlungsrunde der Hinweis wichtig, "dass über die Höhe der Apothekervergütung weder der DAV noch der GKV-Spitzenverband entscheiden, sondern dass die Vergütungshöhe von der Bundesregierung über die Arzneimittelpreisverordnung festlegt wird."


Apothekenschwund geht weiter


Die neuesten Zahlen aus dem dritten Quartal belegen: Der Apothekenschwund geht weiter – derzeit gibt es nur noch 21.010 Apotheken bundesweit (Stand: 30.9.2012). Darauf wies der DAV angesichts der Verhandlungen über den Kassenzwangsabschlag am 13. November hin. Bis Jahresende dürfte die Zahl sogar noch unter den Schwellenwert von 21.000 fallen – das wären 300 Apotheken weniger als ein Jahr zuvor (Ende 2011: 21.238). Damit wäre der niedrigste Stand seit 1994 erreicht. Derzeit schließen pro Woche sechs Apotheken. Regional betrachtet ergibt sich folgendes Bild: Nordrhein-Westfalen als größtes Land musste 65 Schließungen verkraften. Dahinter folgt zunächst Baden-Württemberg (45), dann erst Bayern (27). Auf Platz vier steht Niedersachsen mit 25 Schließungen. Den fünften Platz teilen sich Hessen und Rheinland-Pfalz mit je 18 Schließungen per Saldo. DAV-Chef Fritz Becker mahnte angesichts der Zahlen: "Deutschlands Apothekerinnen und Apotheker schauen dieser Tage gespannt nach Berlin, denn für viele sind diese Verhandlungen überlebenswichtig".



DAZ 2012, Nr. 46, S. 18

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