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Wahl ohne Auswahl

Dr. Benjamin Wessinger, Chefredakteur

Nun steht sie also fest, die neue Troika der Apotheker-Berufsvertretung. Friedemann Schmidt wird ABDA-Präsident, Andreas Kiefer Präsident der Bundesapothekerkammer und Fritz Becker bleibt Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbandes. Daran gibt es eigentlich keinen Zweifel mehr, obwohl noch keiner der Herren (und wo sind eigentlich die Damen?) gewählt ist.

Der Deutsche Apothekertag ist gerade einmal einen Monat her und schon scheinen die guten Vorsätze vergessen. Mehr Transparenz und Offenheit wurden dort gefordert, man versprach, mehr auf die Basis zuzugehen und sie besser einzubinden. Es gab auch mehrere Anträge, die sich mit dem Wahlverfahren bei der ABDA beschäftigten. So wurde gefordert, die anstehende Präsidentenwahl um ein Jahr zu verschieben und bis dahin die ABDA-Satzung so zu ändern, dass der nächste Präsident von der Hauptversammlung der deutschen Apothekerinnen und Apotheker gewählt werden kann. Zwar wurden diese Anträge abgelehnt, aber Friedemann Schmidt machte einen Anfang, als er öffentlich erklärte, dass er kandidieren werde und in einem Interview zu seinen Plänen und Ideen Stellung nahm.

Wer aber nun gedacht hatte, daraufhin würden sich weitere Kandidaten melden, es könnte sich vielleicht sogar eine Debatte um die zukünftige Ausrichtung der ABDA entwickeln, der sieht sich nun enttäuscht. Zwar weiß die Berufsöffentlichkeit jetzt, wer sich zur Wahl stellt, kann sich ein Bild machen – aber es gibt eben für jeden frei werdenden Posten genau einen Bewerber!

Wahlen leben davon, dass man auswählen kann. Sie werden zur Farce, wenn es nur einen einzigen Kandidaten abzunicken gibt. Zwar könnten noch weitere Kandidaten antreten, bei der Bundesapothekerkammer melden sich die Kandidaten offiziell erst in der Sitzung, in der gewählt wird. Aber wenn aus einer Gremiensitzung bekannt wird, man habe sich auf Kiefer als neuen Präsidenten geeinigt, dann erscheint es doch sehr unwahrscheinlich, dass in der entscheidenden Sitzung noch ein Kandidat praktisch aus dem Nichts auftaucht.

Begründet werden solche Mauscheleien um Posten meist damit, dass Geschlossenheit demonstriert werden müsse. Es stimmt ja, dass Geschlossenheit für eine Interessenvertretung wichtig ist, für die Vertretung eines so kleinen Berufsstands wie des unseren vielleicht sogar ganz besonders. Damit ist aber gemeint, dass die Organisation nach außen mit einer Stimme spricht, nicht dass intern keine offenen Auseinandersetzungen – wobei eine Wahl ja eigentlich noch nicht einmal das ist – geführt werden könnten. Eine demokratische Wahl unter mehreren Kandidaten bedeutet nicht, dass ein Verband grundlegend zerrüttet wäre, sondern ist ein ganz normaler Vorgang. Hier wird die Auseinandersetzung um die beste Person und die besten Ideen mit Zerstrittenheit und Zwietracht verwechselt.

Ein anderes oft gehörtes Argument für Absprachen ist die Kontinuität. Und es ist tatsächlich ein großer Vorteil, wenn sich ein neuer Präsident nicht erst mühsam in alle Abläufe einarbeiten muss, wenn er die handelnden Personen kennt und diese ihn. Aber Kontinuität kann auch ins Negative kippen, kann zum Nachteil werden. Man kann auch kontinuierlich in die falsche Richtung gehen. Zu viel personelle Kontinuität kann zur Erstarrung führen, dazu, dass einer Organisation, einem Team das frische Blut fehlt, dass keine neuen Akzente und Anregungen von außen gesetzt werden.

Was wäre denn so schlimm an einer "echten" Wahl unserer obersten Funktionäre? Mit mehreren Kandidaten, die vor der Wahl ihr "Programm", ihre Ziele und Vorstellungen der (Berufs-)Öffentlichkeit vorstellen. Und die sich im Fall des ABDA-Präsidenten der Hauptversammlung der Apothekerinnen und Apotheker zur Wahl stellen. Diese Delegierten sind von den Mitgliedern ihrer Kammer oder ihres Verbandes gewählt, es ist ein ganz normaler Vorgang in einer repräsentativen Demokratie, dass diese Abgeordneten wiederum wählen. Wir wählen auch unseren Bundeskanzler nicht direkt, sondern die von uns gewählten Abgeordneten des Bundestags tun dies – hoffentlich in unserem Sinne.

Ein ABDA-Präsident, gewählt von der Hauptversammlung der Deutschen Apothekerinnen und Apotheker, der vor der Wahl seine Pläne vorgestellt hat und sich gegen andere Kandidaten durchgesetzt hat, könnte tatsächlich mit Fug und Recht behaupten, für die Apothekerinnen und Apotheker zu sprechen.


Benjamin Wessinger



DAZ 2012, Nr. 45, S. 3

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