Praxis aktuell

Immer wieder neue Details zur ApBetrO

Auslegung in Hamburg

Bei der Auslegung und Umsetzung der neuen Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) sind etliche Detailfragen noch immer offen. Dies zeigte sich auch beim sehr gut besuchten Informationsabend, den die Apothekerkammer Hamburg und die dortige Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz am 31. Oktober veranstalteten. Besonders großer Klärungsbedarf besteht offenbar in der Rezeptur und Defektur sowie bei baulichen Maßnahmen.
Auch in Hamburg war das Interesse der Apotheker an der neuen ApBetrO riesengroß und der große Hörsaal des Fachbereichs Chemie daher gut gefüllt. Foto: DAZ/tmb

Die zuständige Behörde in Hamburg hatte bereits mit einem Merkblatt über die Auslegung der ApBetrO informiert (siehe Kasten), aber einzelne Neuerungen hob eine Vertreterin der Behörde bei der Informationsveranstaltung hervor:

  • Die Soll-Vorschrift zur Barrierefreiheit bedeute, dass dies grundsätzlich umzusetzen sei, die Behörde aber Ausnahmen zulassen könne. Friktionen seien insbesondere bei Apothekenübernahmen zu erwarten.

  • Die Vorschrift zur mindestens dreiseitigen Abtrennung des Rezepturarbeitsplatzes gilt nicht, wenn dieser sich im Labor befindet. Ergänzend dazu hieß es nun, bei Neubauten sei ein eigener Raum zu bevorzugen. Eine Werkbank zur Arzneimittelherstellung sei nicht mit diesem Rezepturarbeitsplatz gleichzusetzen, sondern sie sei ein Teil dieses Arbeitsplatzes.

  • Wenn bei der Temperaturüberwachung zu hohe Temperaturen festgestellt würden, sei nicht zwangsläufig eine Klimaanlage notwendig. In manchen Fällen könne eine Schutzfolie gegen Sonneneinwirkung ausreichen, oder bei Temperaturüberschreitungen an wenigen heißen Tagen könne ein mobiles Klimagerät helfen.

  • Im Hygieneplan müssten die Art und Häufigkeit der Reinigung für die verschiedenen Bereiche der Apotheke sowie die Häufigkeit der Desinfektion und die dazu verwendeten Mittel schriftlich festgehalten werden.

  • Die ApBetrO schreibt einen "Vertretungsabgrenzungsvertrag" für alle Tätigkeiten vor, die gemäß § 11 im Auftrag ausgeführt werden. Unabhängig von der Verteilung der Aufgaben bleibt die Verantwortung beim Auftraggeber.

  • Als externe Qualitätsüberprüfungen gemäß § 2a ApBetrO werde die Hamburger Behörde Ringversuche des ZL, Pseudo-Customer-Modelle und Testkäufe der Apothekerkammer Hamburg akzeptieren.

  • Gestellte Tabletten könnten ausnahmsweise geteilt werden, wenn die Teilung keinen nachhaltigen Einfluss hat, die diesbezügliche Recherche dokumentiert wird und keine Darreichungsform mit der geringeren Dosis verfügbar ist.


Merkblatt zur ApBetrO


Die Hamburger Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz hat bereits im Sommer ein Merkblatt über "Häufig gestellte Fragen zur neuen Apothekenbetriebsordnung" ins Internet gestellt, das bereits ausführlich vorgestellt (siehe DAZ 33) und bei der jüngsten Informationsveranstaltung vielfach zitiert wurde. Das Merkblatt finden Sie unter

www.hamburg.de/pharmaziewesen

über die Klicks > Apotheken und > Merkblatt Fragen zur neuen Apothekenbetriebsordnung.


Zum Botendienst im Einzelfall erwartet die Hamburger Behörde einen "verantwortungsvollen Umgang". In den Apotheken solle dazu eine Verfahrensanweisung formuliert werden. Zur Frage, ob Arzneimittel, zu denen noch keine Beratung in der Apotheke stattgefunden hat, zwingend durch pharmazeutisches Personal auszuliefern seien, hieß es, dies sei beispielsweise im Notdienst gar nicht möglich, weil der Apotheker den Notdienst weiter versehen muss. Im Einzelfall würden daher auch eine telefonische Kontaktaufnahme und ein Flyer ausreichen.

Prüfausstattung

Eine Orientierung für die nötige Prüfausstattung könne voraussichtlich ab Ende des Jahres eine elektronische Version des DAC/NRF bieten, die ausgehend von den tatsächlich durchgeführten Prüfungen eine Ausstattungsliste generiert. Demnach unterstellt die zuständige Hamburger Behörde offenbar, dass die Prüfungen des DAC für den Apothekenbedarf angemessen sind. Dagegen hatte ein Vertreter des zuständigen Landesamtes in Mecklenburg-Vorpommern kürzlich erklärt, der DAC sei keine amtliche Sammlung, und seine Prüfungen müssten ggf. um weitere Vorschriften ergänzt werden (siehe DAZ Nr. 44, S. 104).

Rezeptur und Defektur

Dieter Temme, Dörte Schröder-Dumke und Christian Hoffmann (von links) berichteten über Neuerungen der ApBetrO. Foto: DAZ/tmb

Über weitere Auswirkungen der neuen ApBetrO auf die Rezeptur und Defektur informierte Dörte Schröder-Dumke, Apothekerkammer Hamburg. Die neue Herstellungsanweisung für Rezepturen müsse Hygienemaßnahmen, die Vorbereitung des Arbeitsplatzes, die Vorgehensweise bei der Herstellung, Aspekte zur Darreichungsform, Ausrüstungsgegenstände und den Arbeitsschutz beschreiben. Bei standardisierten Rezepturen könne auf die jeweilige Vorschrift, z. B. im NRF, verwiesen werden. Indirekt bezog die Apothekerkammer Hamburg damit auch Position zum Begriff der Herstellungsanweisung. Wenn sie substanzspezifische Aspekte wie den Arbeitsschutz enthalten soll, muss eine Herstellungsanweisung typischerweise einzelne Rezepturen beschreiben und nicht nur allgemein eine Darreichungsform. Hierzu war beim Deutschen Apothekertag in einem Diskussionsbeitrag aus dem Hessischen Apothekerverband eine abweichende Auffassung vertreten worden.

Zur Kennzeichnung von Rezepturarzneimitteln betonte Schröder-Dumke, dass nicht nur Wirkstoffe, sondern auch Hilfsstoffe – also auch alle Bestandteile einer Salbengrundlage – zu deklarieren seien. Weitere neue Pflichtangaben bei der Kennzeichnung von Rezepturen seien die Gebrauchsanweisung, die taggenaue Verwendbarkeitsfrist und Hinweise auf besondere Vorsichtsmaßnahmen, zu denen auch Gefahrensymbole für leicht entzündliche Stoffe zählen.

Für Defekturen ist eine noch umfassendere Kennzeichnung erforderlich, die sich weitgehend am Industriemaßstab orientiert. Nach Einschätzung der zuständigen Hamburger Behörde muss auch für Defekturen einmalig eine initiale Plausibilitätsprüfung vorgenommen werden, wie aus dem Merkblatt zu entnehmen ist.

Geeignete Prüfungen für Defekturen werden Ende des Jahres vom NRF veröffentlicht, kündigte Schröder-Dumke an. Auf die Frage, wie eine Kamillenblüten-Defektur zu prüfen sei, wurde vonseiten der Behörde auf die bekannten Prüfvorschriften hingewiesen. Demnach könnte hier auf die bereits durchgeführte Identitätsprüfung verwiesen werden. Grundsätzlich wünsche sich die Behörde zwar quantitative Prüfungen, aber bei halbfesten Zubereitungen sei der Analysefehler durch die Extraktion aus der Zubereitung größer als der zu erwartende Fehler bei der Herstellung. Die Behörde werde nichts Unmögliches verlangen, erwarte aber die Anwendung der angekündigten NRF-Prüfungen. Unter den Referenten bestand zudem Konsens, dass das Auflösen des Pulvers bei einem Antibiotikatrockensaft keine Rezeptur, sondern eine Dienstleistung nach der Abgabe sei.

QMS – mit oder ohne Zertifizierung?

Christian Hoffmann, stellvertretender Geschäftsführer der Apothekerkammer Hamburg, stellte die Anforderungen an das Qualitätsmanagementsystem (QMS) dar. Gemäß § 2a ApBetrO muss ein QMS nach Art und Umfang der pharmazeutischen Tätigkeiten betrieben werden. Welche Tätigkeiten das QMS beschreiben soll, ergebe sich damit aus der Definition der pharmazeutischen Tätigkeiten in § 1a (3) ApBetrO, folgerte Hoffmann. Zur Personalunterweisung gemäß § 3 (1) erklärte er, diese könne formlos sein, aber das Personal müsse tätigkeitsbezogen unterwiesen werden, wobei er eine Anlehnung an die Gefahrstoffunterweisung empfahl.

Hoffmann warb für das QMS-Konzept der Apothekerkammer Hamburg, zu dem ein elektronisches QM-Handbuch mit Musterprozessen gehört. Er ging jedoch nicht darauf ein, inwieweit ein weniger umfangreiches Konzept ausreichen könnte, die Anforderungen der ApBetrO zu erfüllen. Vielmehr empfahl er eine Zertifizierung, weil diese einen gewissen Druck aufbaue. Außerdem müssten zertifizierte Apotheken jährlich ihre Prozesse intern überprüfen, während die Hamburger Behörde in ihrem Merkblatt ein dreijähriges Intervall für die Selbstinspektion vorsieht.

GMP – der Hintergrund

Dieter Temme, Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz, beschrieb die Hintergründe der ApBetrO und hinterfragte einige neue Regelungen kritisch – dies sei aber seine persönliche Meinung und nicht die Position der Behörde. Nach Einschätzung von Temme ist die Verordnung "überfrachtet", einige Regelungen seien "realitätsfern". Einerseits gehe die Verordnung von der Einheit der Apotheke aus, andererseits schreibe sie vor, diverse Funktionen abzutrennen.

Zur Herstellung verwies Temme auf die Geschichte der GMP-Regeln, die in den 1960er Jahren entstanden, weil für die Industrie bis dahin Vorschriften fehlten. Im Gegensatz zur Herstellung in Apotheken nach etablierten Regeln ging es bei den GMP-Regeln um die Massenproduktion mit ungelernten Kräften. Auch die heute maßgebliche EU-Richtlinie 2001/83/EG gelte nicht für Rezepturarzneimittel, sofern nationale Regelungen dies nicht ausdrücklich vorschreiben. Allerdings seien Rezeptur und Defektur gemäß der Europarats-Resolution vom 19. Januar 2011 nur vertretbar, wenn sie nach Industriestandard hergestellt werden oder wenn keine adäquaten Fertigarzneimittel existieren. Dies sei zwar keine Rechtsvorschrift, habe aber als anerkannte pharmazeutische Regel Rechtscharakter.

Einige für die Industrie konzipierte Regeln sind jedoch nach Einschätzung von Temme in Apotheken nicht praktikabel. Insbesondere der Begriff Validierung könne sehr weit ausgelegt werden. Doch unabhängig von der Kritik an manchen Formalitäten könne die GMP auch als eine Philosophie verstanden werden, die Spielräume lässt – und in dieser Form könnten und müssten die Regeln auch in Apotheken umgesetzt werden. Temme mahnte eindringlich: "Wer seine Prozesse nicht beherrscht, wird untergehen."


tmb



DAZ 2012, Nr. 45, S. 73

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