Arzneimittelrecht

16. AMG-Novelle in Kraft

Relevante Änderungen im Arzneimittelgesetz und BtM-Gesetz

Kerstin Brixius | Am 26. 10. 2012 ist das 2. Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften, umgangssprachlich als 16. AMG-Novelle bezeichnet, in Kraft getreten. Die Änderungen im Bereich Arzneimittelfälschungen und Heilmittelwerberecht sind bereits in zwei vorangegangenen Beiträgen aufbereitet worden [1, 2]. Im Folgenden geht es um weitere relevante Änderungen.
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Das 2. Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften ist als Artikelgesetz ausgestaltet, das sich Änderungen unterschiedlicher Gesetze und Verordnungen zuwendet.

Umfassende Änderungen im Arzneimittelgesetz sind über die Artikel 1 und 2 vorgesehen. Artikel 4 zielt auf Änderungen des Betäubungsmittelgesetzes ab. Artikel 10 ändert die Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung.

Änderungen des Arzneimittelgesetzes

Die Änderungen im Arzneimittelgesetz betreffen überwiegend die Bereiche Pharmakovigilanz und Arzneimittelfälschung. Doch der klassische Begriff der Pharmakovigilanz, verstanden als die laufende Überwachung eines Arzneimittels, ist in diesem Kontext zu kurz gegriffen. Gegenstand der Novelle ist die Arzneimittelsicherheit im weiteren Sinne.

Zunächst erfolgt eine Ausweitung des Begriffs der Nebenwirkungen. Nach aktueller Rechtslage sind Nebenwirkungen schädliche und unbeabsichtigte Reaktionen auf ein Arzneimittel; bislang waren nur solche Vorkommnisse als Nebenwirkungen zu qualifizieren, die "bei bestimmungsgemäßem Gebrauch" auftraten. Bedingt durch den Wegfall dieses Zusatzes werden künftig auch Fälle des Fehlgebrauchs, des Missbrauchs (dieser bislang nur meldepflichtig, wenn häufig oder im Einzelfall mit erheblichen Auswirkungen) und Vorkommnisse im Rahmen eines zulassungsüberschreitenden Einsatzes eindeutig meldepflichtig.

Eine höhere Meldedichte zu Nebenwirkungen soll u. a. über einen standardisierten Text in der Gebrauchsinformation erzielt werden, mit dem Patienten ausdrücklich zur Meldung von Verdachtsfällen aufgefordert werden. Und ein weiterer standardisierter Text ist für die äußere Umhüllung vorgesehen: Arzneimittel, die einer besonderen Überwachung unterliegen, werden mit einem schwarzen Symbol – vermutlich einem auf dem Kopf stehenden Dreieck – und dem Text: "Dieses Arzneimittel unterliegt einer zusätzlichen Überwachung" gekennzeichnet.

Auf eine erhöhte Transparenz zielen auch die weitreichenden Veröffentlichungspflichten der Bundesoberbehörde ab. Die Behörde muss künftig ihre Entscheidungen zu Arzneimittelzulassungen öffentlich machen. Dies erfasst neben der Erteilung einer Zulassung auch den Fall der Rücknahme, des Widerrufs oder auch der Versagung, und zwar unabhängig von deren Bestandskraft. Weiterhin werden Pharmakovigilanz-Bedenken der Bundesoberbehörde und Zusammenfassungen von Risikomanagement-Plänen einzelner Arzneimittel veröffentlicht.

Die Änderungen aus dem Bereich der Pharmakovigilanz im engeren Sinne betreffen bestehende Überwachungspflichten der pharmazeutischen Unternehmen. Die Verpflichtung, der zuständigen Behörde regelmäßig arzneimittelindividuelle Sicherheitsberichte ("Periodic Safety Update Reports") zu übermitteln, wird künftig individueller ausgestaltet. Die bislang für alle Arzneimittel gleichlautenden, gesetzlich vorgesehenen Intervalle sollen durch individuelle Vorgaben in der jeweiligen Zulassung ersetzt werden. Weiterhin sollen bekannte Stoffe ("well-established use") und Generika von der Berichtspflicht ausgenommen sein.

Besonderes Gewicht erlangen mit der Novelle Risikominimierungsmaßnahmen. So ist künftig für jedes Arzneimittel unternehmerseitig ein Risikomanagement-System erforderlich; die Zusammenfassung des Risikomanagement-Plans wird ebenfalls von der Bundesoberbehörde veröffentlicht. Jenes Risikomanagement-System umfasst Tätigkeiten im Bereich der Pharmakovigilanz und Maßnahmen, durch die Risiken im Zusammenhang mit einem Arzneimittel ermittelt, beschrieben, vermieden oder minimiert werden sollen. War das Risikomanagement-System bislang neuartigen oder biotechnologisch hergestellten Arzneimitteln vorbehalten, ist es künftig für alle Arzneimittel Pflicht.

Im Sinne eines Arzneimittelmonitoring erweitert die Novelle weiterhin die Auflagenbefugnisse der Bundesoberbehörden. Unbedenklichkeits-, aber auch Wirksamkeitsstudien können künftig mit und nach Zulassungserteilung, je nach Ermessen der Bundesoberbehörde, gefordert werden. In welchem Umfang die Behörde von den weitreichenden Ermächtigungsgrundlagen in der Praxis Gebrauch machen wird, bleibt abzuwarten.

Änderung des Betäubungsmittelgesetzes

Bei den Änderungen des Betäubungsmittelgesetzes sticht die in § 13 Abs. 1a BtMG neu eingefügte ärztliche Befugnis zur Abgabe von Betäubungsmitteln der Anlage III hervor.

Demnach darf ein Arzt unter restriktiven Bedingungen und zur Deckung eines unaufschiebbaren Betäubungsmittelbedarfs einem ambulant versorgten Palliativpatienten Betäubungsmittel überlassen, wenn der Bedarf des Patienten durch eine Verschreibung nicht rechtzeitig gedeckt werden kann, etwa weil das Arzneimittel in einer dienstbereiten Apotheke nicht vorrätig ist oder vom Patienten nicht selbst beschafft werden kann.

Die dem Patienten überlassene Menge darf dessen Dreitagesbedarf nicht überschreiten; weiterhin hat der Arzt über die ordnungsgemäße Anwendung des Betäubungsmittels aufzuklären und eine schriftliche Gebrauchsanweisung auszuhändigen. Vor Abgabe des Betäubungsmittels hat der Arzt beim Apotheker eine Anfrage zu platzieren; apothekerseitig ist diese Anfrage zu dokumentieren.

Änderung der Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung

Die Änderungen der Verordnung zielen auf die Minimierung von Fälschungsrisiken ab. Hervorzuheben sind hier erhöhte Prüf- und Kontrollpflichten für Arzneimittelhersteller zu Ausgangsstoffen einschließlich der Hilfsstoffe.

So soll für Ausgangsstoffe und Verpackungsmaterialien künftig die ordnungsgemäße Herstellung durch Vor-Ort-Überprüfungen des Herstellers (Audits) sichergestellt werden. Für Hilfsstoffe muss ein Verfahren einer formalisierten Risikobewertung durch den Arzneimittelhersteller vorgesehen werden, wobei zugleich der Begriff des Hilfsstoffs im Sinne der Verordnung erweitert wird: Hilfsstoff ist nunmehr jeder Bestandteil eines Arzneimittels mit Ausnahme des Wirkstoffs und des Verpackungsmaterials.

Fazit

Die 16. Novelle führt zu weitreichenden Änderungen im Arzneimittelrecht, und wie für alle umfassenden Neuerungen im Arzneimittelsektor gilt auch hier, dass erst die bevorstehende Umsetzung zeigen wird, ob die Änderungen den sorgfältigen und aufgeklärten Umgang mit Arzneimitteln – ein maßgebliches Ziel bestehender Regularien – eher fördern oder behindern.

Mit Spannung bleibt insbesondere abzuwarten, wie der Patient in der Praxis mit dem erhöhten Informationsangebot der Zulassungsbehörden umgeht. Im besten Fall profitiert der Patient, im ungünstigsten Fall wird er zulasten der Patienten-Compliance überfordert.


Literatur

[2] Brixius K. Werbung für Arzneimittel – Was ändert sich durch die 16. AMG-Novelle? Dtsch Apoth Ztg 2012; 152 (40):78 – 81.

[2] Frohn A. Neue Sicherheitsmerkmale gegen Fälschungen – Was ändert sich durch die 16. AMG-Novelle. Dtsch Apoth Ztg 2012;152 (43):64 – 66.


Autorin

Rechtsanwältin Dr. Kerstin Brixius
Kanzlei am Ärztehaus, Frehse Mack Vogelsang, Köln

www.kanzlei-am-aerztehaus.de



DAZ 2012, Nr. 45, S. 70

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