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Uns fehlt ein Weißbuch!

Peter Ditzel, Herausgeber der DAZ

In welche Richtung soll sich der Apothekerberuf entwickeln? Welchen Platz soll der Apothekerberuf im Jahr 2020 oder 2030 in unserem Gesundheitswesen einnehmen? Wie würden Sie, wie würde unsere Berufsvertretung diese Fragen beantworten? Haben Sie eine Ahnung, wie die "offiziellen" Antworten auf diese Fragen lauten könnten?

Seien Sie nicht beunruhigt, wenn Ihnen dazu aus dem Stegreif wenig oder nur die üblichen Floskeln einfallen wie "Der Apotheker als Berater", "Der Apotheker als Mittler zwischen Arzt und Patient" oder, jetzt neu, "Der Apotheker als Medikationsmanager". Ich möchte unserer Berufsvertretung nicht unterstellen, dass sie sich keine Gedanken dazu macht. Aber: Ein offizielles Papier, das kommuniziert wird, gibt es nicht. Ein Dokument, dem die Berufsöffentlichkeit, aber auch die Politik und die Bürgerinnen und Bürger entnehmen können, in welche Richtung sich Apothekerinnen und Apotheker Deutschlands entwickeln wollen, ist nicht zugänglich. Fehlanzeige. In den Tiefen der ABDA-Internetseite findet sich lediglich ein Berufsbild des Apothekers aus dem Jahr 2004, das einen Status quo darstellt, ohne Visionen und Ziele.

Auf den Apothekertagen der letzten Jahre wurden zwar immer wieder Zukunftsthemen angesprochen, aber jeweils nur einzelne Facetten, Teilgebiete des Apothekerberufs. Die große Richtung für ein mittel- bis langfristiges Zukunftskonzept des Apothekerberufs, für eine klar ausgerichtete Strategie mit einem Ziel fehlt.

Meine Forderung: Wir brauchen ein Weißbuch, in dem niedergelegt ist, wie sich unser Beruf entwickeln soll, wo wir uns in zehn, zwanzig Jahren in diesem Gesundheitswesen positionieren und wiederfinden wollen – ein Weißbuch als Niederschrift von Vorschlägen, die die Marschrichtung für den Apothekerberuf darlegt.

In die Zukunft denkende Unternehmen geben sich einen Business-Plan, eine Strategie, die sie verfolgen. Jede Tätigkeit des Unternehmens ist darauf ausgerichtet, dieses Ziel zu erreichen.

Eine gute Führung selbst kleiner (Apotheken-) Teams gibt sich Ziele und Richtungen vor, wo’s lang gehen soll, was man erreichen möchte, z. B.: wir wollen die freundlichste Apotheke der Stadt sein oder wir wollen die Lieferfähigkeit um x Prozent steigern. So wissen alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Bescheid, von welchen Vorgaben, Zielen und Visionen ihr Handeln getragen sein soll.

Fehlanzeige auf berufspolitischer Ebene. Dabei wäre es gerade in unserem Beruf von großer Bedeutung, diese Ziele ausformuliert zu haben, zumal der Apotheker in den letzten dreißig Jahren eine Sinnsuche durchlebte: Nicht mehr das Arzneimittel allein, seine Herstellung, Prüfung, Beschaffung, Vorratshaltung und Abgabe stehen im Mittelpunkt seines Tuns, sondern der Patient und seine Arzneimitteltherapie. Die Information zum Arzneimittel, zu seiner richtigen Anwendung, zur Complianceförderung sind die vorrangigen Aufgaben des Apothekers. Ein Weißbuch könnte diese Aufgaben und Tätigkeiten beschreiben und die Richtung für die nächsten Jahre vorgeben. Hier könnte z. B. verankert werden: Der Apotheker soll in Zukunft der Medikationsmanager sein, seine Honorierung soll stärker vom Arzneimittel, von der Packungsanzahl abgekoppelt werden, der Apothekerberuf soll sich noch weit mehr als heute in Richtung Dienstleister entwickeln – so man das will.

Anhand eines solchen Weißbuches ließe sich beispielsweise die Ausbildung neu strukturieren. Noch heute kommt der Patient in der Ausbildung kaum vor, allenfalls im Fach der Klinischen Pharmazie. Jungen Leuten, die sich für Pharmazie und den Apothekerberuf interessieren, könnte ein aktuelles Papier an die Hand gegeben werden, wie sich der Apotheker heute versteht und wo er in Zukunft hin will. Ganz wichtig: Der Politik, der Öffentlichkeit, den Medien könnte man mit einem solchen Weißbuch schwarz auf weiß verdeutlichen, welche Rolle der Apotheker im Gesundheitswesen spielt und in Zukunft spielen will.

Die niederländischen Apothekerinnen und Apotheker haben sich Ende Mai des vergangenen Jahres ein solches Weißbuch gegeben. Wer einen Blick hineinwerfen möchte: Geben Sie "White Paper on Pharmacy in the Netherlands" in die Suchmaschine ein (http://www.knmp.nl/downloads/over-de-knmp/knmp-vereniging/Witboek_eng.pdf). Es beschreibt, was Apotheker heute schon tun, und erklärt, was die Apotheker in Zukunft tun wollen. Während der erste Teil des Weißbuches eine Vision der zukünftigen Rolle des Apothekers darlegt, die Strategie und das, was getan werden muss, um dies zu erreichen, bringt der zweite Teil die Hintergrund-Ideen zur Strategie und Vision – er definiert die neue Rolle des Apothekers. Anhand dieses Weißbuchs können sich auch die anderen Berufe im Gesundheitswesen über die Position und die Ausrichtung des Apothekerberufs informieren.

Wissen, wos lang geht – ich denke, das wäre auch für die deutsche Pharmazie nicht verkehrt.


Peter Ditzel



DAZ 2012, Nr. 43, S. 3

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