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"Pille danach" ohne Rezept – ist die Zeit reif?

SPD beantragt Entlassung aus Verschreibungspflicht

BERLIN (jz). Seit Langem wird in Deutschland über die Vor- und Nachteile der Rezeptpflicht von Notfallkontrazeptiva diskutiert. Vor einigen Wochen erklärte der Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, Thomas Ilka, gegen eine grundsätzliche Entlassung aus der Verschreibungspflicht sprächen "keine durchschlagenden Argumente". Offenbar ein Anreiz für die Fraktion der SPD: Sie stellte nun einen Antrag, in dem sie die Rezeptfreiheit der "Pille danach" – des Wirkstoffs Levonorgestrel – fordert. Die Beratung sollen danach die Apotheker übernehmen.

"Es ist an der Zeit, dass auch in Deutschland eine Befreiung der ‚Pille danach’ aus der Verschreibungspflicht erfolgt und diese wie in mindestens 79 anderen Staaten weltweit rezeptfrei in der Apotheke verfügbar ist", schreiben Karl Lauterbach, Carola Reimann, Marlies Volkmer und weitere Sozialdemokraten in ihrem Antrag. Schließlich habe das Europäische Parlament schon im Jahr 2002 dazu aufgerufen, die Integration der Notfallverhütung in die Regelversorgung voranzutreiben – insbesondere die Abgabe der "Pille danach" zu erschwinglichen Preisen und deren rezeptfreie Verfügbarkeit.

Ein Jahr später empfahl auch der zuständige Sachverständigen-Ausschuss des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die Aufhebung der Verschreibungspflicht für den Wirkstoff Levonorgestrel in der Zubereitung 750 μg/Einheit. Und selbst die Bundesregierung habe bereits im Jahr 2004 festgestellt, so die Abgeordneten weiter, dass weder besondere gesundheitliche Risiken für die jungen bzw. erwachsenen Frauen vorliegen noch besonders leichtfertige Verhütungspraktiken zu erwarten seien, wenn Notfallkontrazeptiva aus der Verschreibungspflicht herausgenommen würden.

Ilkas Antwort als Anstoß

Möglicherweise nahmen die Sozialdemokraten die Antwort des Staatssekretärs im Bundesgesundheitsministerium als Anstoß für ihren Antrag. Ilka hatte in seiner Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion Anfang September bestätigt, dass bei einer isolierten Betrachtung des Risikoprofils des Wirkstoffs Levonorgestrel "keine durchschlagenden Argumente" gegen eine grundsätzliche Entlassung aus der Verschreibungspflicht sprächen. Aber: Die Verschreibungspflicht sei im Kontext von Schwangerschaftsverhütung und Sexualaufklärung zu sehen – gegen die Aufhebung spreche daher "die Bedeutung der ärztlichen Beratung im Falle einer Verhütungspanne".

Kritik an Zugang

Die SPD-Abgeordneten kritisieren in ihrem Antrag nun den Zugang zu dem wichtigen Mittel der Prävention ungewollter Schwangerschaften und Schwangerschaftsabbrüche, den Notfallkontrazeptiva: Sie müssten zeitnah eingenommen werden. Umfragen hätten jedoch ergeben, dass Frauen mit zahlreichen Hindernissen konfrontiert seien, wenn sie Notfallkontrazeptiva bräuchten: "So ist beispielsweise die ‚Pille danach‘ in medizinischen Einrichtungen oder Apotheken nicht überall vorrätig, gynäkologische Praxen sind abends/nachts und am Wochenende geschlossen, es gibt lange Wartezeiten in den Klinikambulanzen, es fallen abschätzige Bemerkungen durch das Personal aus den unterschiedlichen Gesundheitsberufen, Notdienstzentralen sind weit entfernt und nicht jederzeit mit dem öffentlichen Nahverkehr erreichbar."

Deutschland muss nachziehen

Nach Auffassung der Sozialdemokraten hinkt Deutschland vielen anderen Ländern hinterher. Die "Pille danach" auf Levonorgestrelbasis sei in mindestens 79 Ländern bereits rezeptfrei über die Apotheke zu erhalten – überwiegend ab dem 17. Lebensjahr. Dort habe man mit der jeweiligen Praxis gute Erfahrungen gemacht. Jetzt müsse auch Deutschland die Integration der Notfallverhütung in die Regelversorgung vorantreiben. Noch in dieser Legislaturperiode solle die Regierung daher eine Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung vornehmen, um Notfallkontrazeptiva auf Levonorgestrelbasis aus der Verschreibungspflicht zu entlassen.

Beratung in der Apotheke

Anders als noch vor einigen Jahren dürfte ein entsprechendes Vorhaben heute nicht an einer Mehrheit im Bundesrat scheitern, vermuten die Abgeordneten. "Mehrere Bundesländer streben aktuell eine Befürwortung der Aufhebung der Verschreibungspflicht für den Wirkstoff Levonorgestrel zur Notfallkontrazeption an". Die Voraussetzung ist dabei stets, dass vor der Abgabe des Arzneimittels eine Beratung in der Apotheke erfolgt.

Auch die Linksfraktion hatte in ihrer Kleinen Anfrage betont, dass die notwendige Beratung der Frauen "durch das bestehende System von Apotheken gesichert werden" könne. Ähnlich sehen es auch die SPD-Abgeordneten: "Vor der Abgabe der ‚Pille danach‘ auf Levonorgestrelbasis hat eine Beratung in der Apotheke zu erfolgen", heißt es im Antrag.



DAZ 2012, Nr. 43, S. 26

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