Deutscher Apothekertag 2012

Steile Thesen

Christian Rotta

Der Wille war da, aber so ganz sind die Herausforderungen, die im Vorfeld des diesjährigen Apothekertags angemahnt worden waren, noch nicht von der Hauptversammlung angenommen worden: Häufig krankte die Debatte der Delegierten über Partizipation, Transparenz und Mitbestimmung an Misstrauen und Missverständnissen. Auf der einen Seite die alteingesessenen Parlamentshasen (der weibliche Part ist nach wie vor in einer ernüchternden Minderheit), die den Ruf nach verstärkter Offenheit und Diskursbereitschaft als frontalen Angriff auf die Verbandsstruktur der ABDA ansehen, auf der anderen Seite die - in sich durchaus heterogenen - Kritiker, die dem Einwand ausgesetzt sind, ihrerseits demo-kratisch nur schwach legitimiert zu sein.

Deutlich wurde der Dissens bei der Diskussion über den Antrag einiger Apotheker aus Westfalen-Lippe, in Zukunft den ABDA-Präsidenten und seinen Stellvertreter unmittelbar von den Delegierten auf der Hauptversammlung wählen zu lassen. Dagegen mag es durchaus plausible Gründe geben – aber es war doch bemerkenswert, mit welch steilen Thesen und Einwänden manche Delegierte versuchten, den Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Der Präsident eines Apothekerverbandes bezeichnete es zum Beispiel als schlichtweg unvereinbar mit der repräsentativen ABDA-Struktur ("Verband der Verbände"), die ABDA-Spitze unmittelbar von der Hauptversammlung wählen zu lassen. Das ist – mit Verlaub – absurd. Natürlich würde es nach einer entsprechenden Änderung der ABDA-Satzung bzw. der einschlägigen Wahlordnung in Einklang mit dem Prinzip der repräsentativen Demokratie stehen, wenn die ABDA-Spitze auf der Hauptversammlung bestimmt würde. Bei anderen freien Berufen ist dies auch üblicher Brauch. Die für die Hauptversammlung bestimmten Delegierten von Kammern und Verbänden sind zur Wahl des ABDA-Präsidenten und seines Vize demokratisch voll und ganz legitimiert. Ohne Friedemann Schmidt mit Angela Merkel oder Joachim Gauck vergleichen zu wollen: Auch die Bundeskanzlerin und der Bundespräsident werden vom Bundestag bzw. der Bundesversammlung gewählt! Und dann soll Entsprechendes bei der ABDA-Spitze nicht möglich sein? Wie sagte ABDA-Hauptgeschäftsführer Sebastian Schmitz in seinem Bericht zum Deutschen Apothekertag: "Eine demokratischere Organisation als die ABDA kann ich mir nicht vorstellen…"

Ich meine: Eine Wahl des ABDA-Präsidenten oder einer Präsidentin (nebst Vertreter) durch die Hauptversammlung würde zu einer Stärkung der Hauptversammlung führen und der gewählten ABDA-Spitze einen Legitimationsschub verleihen. Dem Vorwurf undurchsichtiger und basisferner Absprachen könnte überzeugender als bisher entgegengetreten werden. Und dass Kandidatinnen und Kandidaten fürs höchste Apotheker(innen)amt im Vorfeld der Wahl ihr Programm vor Ort präsentieren und zur Diskussion stellen müssten, dürfte es auch für jüngere Kolleginnen und Kollegen wieder reizvoller erscheinen lassen, sich innerhalb von Kammern und Verbänden berufspolitisch zu engagieren.

Das Petitum aus Westfalen-Lippe wurde übrigens mit einer weit weniger deutlichen Mehrheit abgelehnt als ein entsprechender Antrag vor einem Jahr (was beim Sitzungspräsidium und ABDA-Präsident Wolf kurzfristig zu einer gewissen Unruhe führte). Also doch mehr Demokratie wagen?


Christian Rotta



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DAZ 2012, Nr. 42, S. 70

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