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EPO jetzt auch künstlich

Erythropoietin (EPO), das für Dialyse- und Krebspatienten unverzichtbar sein kann und von Sportlern gerne missbräuchlich zur Leistungssteigerung eingesetzt wird, konnte bislang nur aus natürlichen Ausgangsmaterialien gewonnen werden. Nun ist amerikanischen Wissenschaftlern erstmals die Totalsynthese von EPO gelungen.

Das Hormon Erythropoietin wird vor allem in der Niere gebildet. Es bringt die Stammzellen im Knochenmark dazu, sich in Erythrozyten weiterzuentwickeln und ist mit dieser Funktion z. B. für Dialysepatienten, bei denen die Blutbildung infolge eines Nierenversagens gestört ist, unverzichtbar.

Chemisch betrachtet ist Erythropoietin eigentlich kein einzelnes Molekül, sondern stellt eine ganze Familie von Glykoproteinen dar. Es ist aus einem Proteinanteil und vier Kohlenhydrat-Domänen zusammengesetzt. Der Proteinteil ist konstant, ebenso die Andockstellen der Kohlenhydrat-Domänen. Letztere treten in natürlichem Erythropoietin jedoch mit breiter Varianz auf. Das machte es so schwierig, EPO als einheitliches Molekül rein zu gewinnen. Der Wirkstoff musste bislang biotechnologisch mithilfe von Mikroorganismen gewonnen werden. Nun erzielte ein Team um Samuel J. Danishefsky vom Sloan-Kettering Institute for Cancer Research in New York endlich den Durchbruch. Mithilfe ausgeklügelter neuer Synthesestrategien konnten die Wissenschaftler "Wildtyp"-EPO in Reinform zugänglich machen. Es weist die natürliche Aminosäurensequenz und vier Kohlenhydrat-Domänen mit definierter Struktur auf.

Ausgehend von diesem Wildtyp lassen sich nun unterschiedliche Versionen des Moleküls mit verschiedenen Kohlenhydrat-Domänen herstellen. Die Struktur des synthetischen EPO wurde massenspektroskopisch belegt. Versuche mit Stammzellen zeigten zudem die Wirksamkeit des vollsynthetischen EPO: So wie die natürliche Sorte regt es Stammzellen dazu an, zu roten Blutkörperchen zu differenzieren.


ral


Quelle: Mitteilung der Gesellschaft Deutscher Chemiker e.V. vom 15.10.2012



DAZ 2012, Nr. 42, S. 8

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