Arzneimittel und Therapie

Corticoide nur bei Bedarf?

Asthmatiker könnten von neuer Strategie profitieren

Glucocorticoide täglich inhaliert sollen die Entzündungsprozesse bei Asthma unterdrücken. Doch viele Patienten verzichten auf die Anwendung, wenn sie keine Symptome verspüren. Möglicherweise können bei leichtem bis mittelschwerem Asthma die Therapieziele auch erreicht werden, wenn auf die tägliche Einnahme verzichtet und das Glucocorticoid zusammen mit dem Beta-Sympathomimetikum bei Bedarf angewendet wird.
Adhärenzprobleme Täglich zweimal Cortison inhalieren, damit haben viele Asthmatiker Probleme. Die Anwendung zusammen mit einem Beta-Sympathomimetikumbei einem Anfall könnte die Adhärenz steigern.  Foto: dalaprod – Fotolia.com

Der regelmäßige Gebrauch inhalativer Glucocorticoide (ICS) verbessert die Folgen von chronischem Asthma. Die Bedeutung der täglichen Anwendung dieser Inhalativa zeigt sich auch in den Empfehlungen der aktuellen Leitlinien [1 – 3]. Auch wenn diese Tatsache bekannt ist, ist es immer wieder eine Herausforderung, sicherzustellen, dass Patienten dieser Empfehlung folgen, insbesondere, wenn keine akuten Asthmasymptome vorliegen.

Problem Adhärenz

Der zeitliche Aufwand, der zur Schulung dieser Patienten verwendet wird, ist in Arztpraxen und Apotheken nicht unerheblich. Eine der hauptsächlichen Ursachen für die problematische Patientenadhärenz ist, dass die inhalativen Glucocorticoide nicht zu einer sofortigen Linderung der Asthmasymptome führen und daher, im Gegensatz zu den kurzwirksamen Beta-2-Sympathomimetika als weniger, wenn nicht sogar als unwirksam empfunden werden. Besonders zu Beginn einer Asthmatherapie, wenn viele Patienten noch nicht die Schwere der Erkrankung erfasst haben, treten diese Schwierigkeiten auf.

Problemlösung Corticoide bei Bedarf?

Es gibt Überlegungen, dieses Adhärenzproblem zu umgehen, indem man bei Patienten mit leichten bis mittleren Asthmasymptomen die ICS nicht mehr täglich anwendet, sondern stattdessen die Anwendung der Glucocorticoide mit der Inhalation der bedarfsorientierten Anwendung der Beta-Sympathomimetika kombiniert.

Vergleich von drei Strategien

Eine randomisierte Studie mit 324 Teilnehmern der University of Texas, die "Best Adjustment Strategy for Asthma in the Long Term" oder BASALT-Studie [4], hat drei verschiedene Strategien über neun Monate getestet. Eingeschlossen wurden Teilnehmer mit leichtem bis mittelschwerem Asthma bronchiale mit Bedarf für eine inhalative Steroidtherapie, bei denen entweder eine Besserung der FEV1 um 12 oder mehr Prozent nach Gabe von 360 µg Salbutamol eintrat oder eine bronchiale Hyperreagibilität (Abfall des FEV1 im Methacholintest) vorlag.

  • In der ersten Gruppe ("physician assessment-based adjustment, PABA") mit 114 Patienten bestand die Therapie aus einer Gabe von inhalativen Glucocorticoiden zweimal täglich, entsprechend der Leitlinienempfehlung [2].

  • Die zweite Gruppe (n = 115 Patienten) wurde nach den Ergebnissen des NO-Atemtestes (bei Asthma setzen Entzündungszellen in der Lunge NO frei) dosiert. Diese Art der Dosierung wurde in der Studie als "biomarker-based adjustment, BBA" bezeichnet.

  • In der dritten Gruppe mit 113 Asthmatikern verwendeten die Patienten zwei Hübe Beclomethason 40 µg nur dann, wenn sie auch ihren Salbutamol-Spray zur Symptom-erleichterung anwendeten. Diese Gruppe wurde als "symptom-base adjusted, SBA" eingeteilt.

Als primärer Endpunkt war die Zeit bis zum Therapieversagen (Exazerbation des Asthmas, eine akute Verschlechterung der Lungenfunktion in der Peakflow-Selbstmessung, eine Untersuchung in der Klinik) definiert.

Die Forscher fanden keinen signifikanten Unterschied in den drei Behandlungsgruppen bezüglich des primären Endpunktes. Die Raten für das Therapieversagen betrugen 22% für die Gruppe, die vom Arzt eingestellt wurde, 20% für die NO-Biomarker-Gruppe und 15% für die Symptom-adaptierte Gruppe. Es ergab sich ebenfalls kein Unterschied zwischen den Gruppen, wenn mehrere Episoden von Therapieversagen eingeschlossen wurden (p = 0,21).

  • PABA: 0,43 Ereignisse/Personenjahr (97,5% CI 0,23 bis 0,64)

  • BBA: 0,27 Ereignisse/Personenjahr (97,5% CI 0,14 bis 0,39)
  • SBA: 0,25 Ereignisse/Personenjahr (97,5% CI 0,10 bis 0,39)

Auch die Werte für die Lungenfunktion und die Asthmasymptome unterschieden sich nicht in den drei verschiedenen Behandlungsansätzen. Interessanterweise lag die Anzahl der Fehltage in der Schule bzw. im Beruf bei der Biomarkergruppe signifikant höher verglichen mit den beiden anderen Gruppen. (OR 2,0, 95% CI 1,1-3,8 p = 0,01 und OR 4,3, 95% CI 1,9-9,6, p < 0,001).

Diese Studie kann als eine Ergänzung zu bereits früher durchgeführten Studien gesehen werden, bei denen eine bedarfsabhängige intermittierende Therapie mit oralen oder inhalativen Steroiden bei Patienten mit persistierendem Asthma ebenfalls vergleichbare Ergebnisse erzielte wie eine starre Dosierung von inhalativen Steroiden oder einem Leukotrien-Antagonisten [5]. Ein Aspekt, der in der Diskussion nicht weiterverfolgt wurde, ist, dass in der PABA- und BBA-Gruppe die Patienten mehr Beclometason (1610 µg/1617 µg vs. 832 µg) inhaliert haben, dass aber bei ca. 40% dieser Teilnehmer die Asthmasymptome vollständig ohne inhalative Glucocorticoide ausreichend kontrolliert waren. Dieser Aspekt könnte darauf hindeuten, dass mit den entsprechenden Untersuchungen die Asthmatherapie genauer angepasst werden kann. Das spiegelt sich auch in der höheren Anzahl der Arztbesuche in der PABA- und BBA-Gruppe wider.

Konsequenzen für die Praxis

Um die Ergebnisse in die klinische Praxis zu überführen, ist die BASALT-Studie deutlich unterpowert. Auch lässt die Dauer von nur neun Monaten keine Aussage zu, inwieweit sich eine symptombasierte Behandlung auf weitere Sicht auf die Entwicklung des Asthma bronchiale auswirkt.

Interessant könnte diese Untersuchung im Hinblick auf die Therapieeinstellung mithilfe von NO-Messungen sein. Diese Messung wird im Allgemeinen in Deutschland nur als eine IgEL-Leistung angeboten und kostet etwa 20 €. Die BASALT-Studie zeigt, dass sich mit dieser Messung keine besseren Behandlungsergebnisse erzielen lassen als mit einer Therapie gemäß den entsprechenden Leitlinien.

Abschließend lässt sich sagen, dass eine symptombasierte Therapie, gerade zu Beginn, dem Patienten einfacher zu vermitteln ist und sich dieser Ansatz nicht notwendigerweise negativ für den Patienten auswirkt. Auch versetzt dieser Therapieansatz Asthmapatienten in die Lage, ihre Therapie eigenverantwortlich zu kontrollieren, was letztendlich zu mehr Selbstbestimmung und unter Umständen zu weniger Arztbesuchen führt und verhindert, dass sich leichte Beschwerden zu schweren Asthmaanfällen entwickeln.


Quellen

[1] Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Nationale VersorgungsLeitlinie Asthma, 2. Auflage – Leitlinien-Report. Version 1.0, 2012 [erfasst am 25.09.2012]. Available from: http://www.asthma.versorgungsleitlinien.de

[2] National Asthma Education and Prevention Program Expert Panel. Report 3: Guidelines for the Diagnosis and Management of Asthma. Rockville, MD: National Heart, Lung and Blood Institute; 2007. NIH Publication 08 – 4051

[3] Global Initiative for Asthma. Global strategy for asthma management and prevention. http://www.ginasthma.org/guidelines-gina-report-global-strategy-for-asthma-management.html [erfasst am 25.09.2012]

[4] Calhoun WJ, et al. Comparison of physician-, biomarker-, and symptom-based strategies for adjustment of inhaled corticosteroid therapy in adults with asthma. JAMA 2012(10); 308: 987 – 997

[5] Boushey HA, Sorkness CA, King TS, et al. Daily versus as-needed corticosteroids for mild persistent asthma. N Engl J Med, 2005; 352(15): 1519 – 1528


Apothekerin Isabel Waltering, PharmD



DAZ 2012, Nr. 41, S. 56

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