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ADEXA-Gehaltsumfrage 2012

Starkes Ost-West-Gefälle bei den Gehältern

Trotz geltender Tarifverträge arbeiten Angestellte in manchen Kammerbezirken für weniger als den Tariflohn. Das hat eine Umfrage der Apothekengewerkschaft ADEXA ergeben. Große Unterschiede bestehen vor allem zwischen dem Osten und dem Westen Deutschlands.

Mitarbeiter aus allen Kammerbezirken haben die Gelegenheit wahrgenommen, an einer Gehaltsumfrage von ADEXA teilzunehmen. Die Auswertung von 2000 Datensätzen zeigt: Es gibt große regionale Unterschiede.

Wo wird unter Tarif bezahlt?

In Hamburg (6%), Bremen (8%), Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz (je 9%) erhält weniger als jeder zehnte Apothekenangestellte ein untertarifliches Salär. Nordrhein (10%), Berlin (11%), Schleswig-Holstein und Thüringen (je 12%), Baden-Württemberg und das Saarland (je 13%), Westfalen-Lippe (15%) und Mecklenburg-Vorpommern (19%) liegen im Mittelfeld. Im Westen fällt Niedersachsen mit 27% Untertarif auf. Am schlechtesten sieht es in drei östlichen Bundesländern aus: in Brandenburg (38%), Sachsen-Anhalt (49%) und Sachsen (61%).

Apothekenumsatz und Entlohnung der Apothekenangestellten in den Regionen Deutschlands.

Region
Umsatz je Apotheke Durchschnitt, 2010
Übertarifliches Gehalt, 2012
Tarifgehalt
2012
Gehalt unter
Tarifniveau, 2012
Deutschland
2.107.000 Euro
63,5%
18,2%
18,2%
Baden-Württemberg
1.896.000 Euro
73%
14%
13%
Bayern
1.943.000 Euro
82%
9%
9%
Berlin
2.332.000 Euro
36%
53%
11%
Brandenburg
2.606.000 Euro
38%
24%
38 %
Bremen
2.112.000 Euro
77%
15%
8%
Hamburg
2.662.000 Euro
75%
19%
6%
Hessen
1.942.000 Euro
74%
17%
9%
Mecklenburg-Vorpommern
2.377.000 Euro
19%
63%
19 %
Niedersachsen
2.299.000 Euro
53%
20%
27 %
Nordrhein/Westfalen-Lippe
2.060.000 Euro
80/73%
9/12%
10/15%
Rheinland-Pfalz
1.896.000 Euro
69%
22%
9%
Saarland
1.703.000 Euro
63%
25%
13%
Sachsen
2.760.000 Euro
13%
25%
61 %
Sachsen-Anhalt
2.476.000 Euro
14%
38%
49 %
Schleswig-Holstein
1.893.000 Euro
67%
22%
12%
Thüringen
2.375.000 Euro
67%
22%
12%

Niedrige Gehälter im Osten

"Dass in Sachsen die meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bundesweit untertariflich bezahlt werden, ist keine neue – aber dennoch eine für die verantwortlichen Arbeitgeber beschämende – Tatsache", sagt ADEXAs Zweite Vorsitzende Tanja Kratt. "Mehr als 60% der Angestellten müssen sich hier mit Gehältern abfinden, die teilweise extrem unter dem Tarifniveau liegen."

Die Daten aus Brandenburg sind ebenfalls interessant. Kratt: "Wir können kaum nachvollziehen, warum rund 40% der Inhaber ihre Angestellten unter Tarif und weitere 40% über Tarif entlohnen." Das gleiche Phänomen tritt in Mecklenburg-Vorpommern auf: Jeweils etwa 20% der Kolleginnen und Kollegen erhalten weniger bzw. mehr als das tariflich vereinbarte Gehalt.

"Auffällig ist, dass Chefs in den meisten Kammerbezirken im Westen weitaus häufiger über als unter Tarif entlohnen – außer in Niedersachsen", gibt Kratt zu bedenken. Im Osten sei genau die gegenläufige Entwicklung zu beobachten. "Thüringen ist die rühmliche Ausnahme."


Michael van den Heuvel



Kommentar: Tarifliche und übertarifliche Zahlungen – eine Frage des Standorts?


Neue Statistiken bringen nur selten Überraschungen. Genau das ist jetzt bei der ADEXA-Gehaltsumfrage passiert. Eine derart deutliche Aufspaltung der Gehälter in Ost und West hätten wir nicht erwartet. Was steckt dahinter?

Natürlich drängt sich zuerst die Vermutung auf, entsprechende Daten korrelieren mit der Umsatzverteilung öffentlicher Apotheken im jeweiligen Kammerbezirk. Dieser Verdacht entpuppte sich hier als Irrweg: Recherchiert man bei der Gesundheitsberichterstattung des Bundes (GBE Bund*) nach dem Umsatz öffentlicher Apotheken, findet man detailliertes Zahlenmaterial. Der durchschnittliche Gesamtumsatz lag im Jahr 2010 bei 2,1 Millionen Euro pro Apotheke. Für 2011 hat die ABDA 1,9 Mio. Euro angegeben.

Hier sollen die etwas älteren Zahlen der GBE Bund als Anhaltspunkt dienen: Bundesländer wie Baden-Württemberg, Bayern oder Nordrhein-Westfalen lagen hinsichtlich ihres Umsatzes unter dem bundesdeutschen Durchschnitt. Im Vergleich dazu befanden sich Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt deutlich darüber.

Damit scheidet diese Argumentation für magere Gehälter im Osten primär aus. Gerade bei Sachsen ist zu vermuten, dass Kolleginnen und Kollegen aus Prinzip kein tarifliches oder übertarifliches Entgelt bekommen. Schließlich gilt in diesem Kammerbezirk seit 15 Jahren ohne guten Grund kein Tarifvertrag mehr. Im benachbarten Sachsen-Anhalt findet der Tarifvertrag zwischen ADEXA und dem Arbeitgeberverband Deutscher Apotheken (ADA) zwar Anwendung. Dennoch erhält jede/r Zweite weniger, als in diesem Vertrag vereinbart wurde.

Eine Sache muss Apothekenleitern auch im Osten Deutschlands langsam klar werden: Der Fachkräftemangel wird sich zuspitzen. Wie das Kölner Institut für Handelsforschung kürzlich berichtet hat, rechnen 58% aller Chefs mit Problemen, Apotheker für die eigene Nachfolge zu finden. Bereits jetzt wird vielerorts händeringend pharmazeutisches Personal gesucht. Ein generelles Problem: Angestellte aller Berufsgruppen geben sich immer seltener mit einem ihrer Qualifikation nicht angemessenen Lohn zufrieden.

Noch dazu werden in den nächsten Jahren viele PI und Apothekerassistenten in Ruhestand gehen – Berufsgruppen, die momentan in begrenztem Umfang Inhaber vertreten. Mit Nachwuchs ist bekanntlich nicht mehr zu rechnen, und die Zahl an Pharmaziestudierenden hat sich auch nicht rasant nach oben entwickelt. Es ist an der Zeit, aufzuwachen!


Tanja Kratt, ADEXA, Zweite Vorsitzende und Vorsitzende der Tarifkommission


* Gesundheitsberichterstattung des Bundes: Umsatz von Apotheken bis 2010.
www.gbe-bund.de/glossar/Umsatz_Apotheken.html



DAZ 2012, Nr. 41, S. 107

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