Aus Kammern und Verbänden

Resolution gegen Retaxwelle

BtM-Rezepte zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Am 17. Januar fand in Wuppertal eine von der Apothekerkammer und dem Apothekerverband Nordrhein organisierte Veranstaltung zum Retaxationsverhalten einiger Krankenkassen statt. Mehr als 150 Ärzte und Apotheker protestierten gegen die Nullretaxation aufgrund von Formfehlern und verfassten eine entsprechende Resolution (siehe Textkasten weiter unten).

Apotheker in Nordrhein wehren sich gegen die Retaxwelle Dr. Ursula Schultz-Borchard, Dr. Klaus Quinke, Marlene Langenberg-Nüsser, Dr. Holger Goetzendorff, Heike Kraft (von links).
Foto: Andreas Hausmann

Retaxation wegen "Patientensicherheit"?

Dr. Holger Goetzendorff, Amtsapotheker der Stadt Wuppertal, berichtete über die verfahrene Situation. So behauptete der Sprecher der Betriebskrankenkasse Novitas in der Fernsehsendung "defacto" des Hessischen Rundfunks, dass mit diesem "Appell" die Patientensicherheit verbessert werden soll, während Prof. Theodor Dingermann, Frankfurt, diese Retaxationen aufgrund kleiner Formfehler als "pharmazeutisch verheerende Aktion" bezeichnete.

In der BtMVV sind Vorschriften für den täglichen Umgang mit Betäubungsmitteln niedergelegt; insbesondere ist geregelt, welche Angaben das BtM-Rezept aufweisen muss. Nach Auffassung der Bezirksregierung Düsseldorf sind die Krankenkassen für die BtM-rechtliche Prüfung nicht zuständig, sondern die Bundesopiumstelle und regional in NRW die Amtsapotheker.


Resolution für Rechtssicherheit


Die Teilnehmer der Veranstaltung "Betäubungsmittelrezepte zwischen Anspruch und Wirklichkeit" am 17.1. 2012 in Wuppertal fordern ein Ende der ungerechtfertigten Retaxationen durch bestimmte Krankenkassen sowie die Wiederherstellung der Rechtssicherheit bei der Belieferung von Betäubungsmitteln für Patienten, Ärzte und Apotheker. Verbraucherschutz ist unteilbar, bitte helfen Sie uns.

Beanstandungen der Kassen

Bestimmte Betriebskrankenkassen haben Abweichungen wie "laut" statt "gemäß" oder "Anordnung" statt "Anweisung", Abkürzungen wie "gem." oder "Anweis." und die Umrechnung von Tagen in Stunden als gravierende Formfehler ausgelegt (weitere Beispiele in der Tabelle). Ob dies rechtens ist, müssen die Gerichte entscheiden; bisher wurde dies niemals von den Aufsichtsbehörden thematisiert.

Der Verordnungsgeber und seine Vollzugsorgane können Abweichungen im semantischen Bereich für zulässig erklären (z. B. durch ein "Synonymverzeichnis" der Bundesopiumstelle). Auch über Änderungen des Verordnungstextes könnte nachgedacht werden.

Fehler bei Stempel, Arztunterschrift und Datum

Bei Unstimmigkeiten sind Änderungen auf dem BtM-Rezept möglich. In der Arztpraxis liegen noch alle drei Teile vor, und der Arzt kann durch einfaches Abzeichnen Mängel beheben. Ein Stempel zur Bekräftigung ohne Paraphe kann allerdings zu Retaxationen führen. Ist das Rezept erst einmal in der Apotheke, muss bei Korrekturen sichergestellt werden, dass der in der Arztpraxis verbleibende Teil auch korrigiert wird. Obwohl der Apotheker nach Rücksprache mit dem Arzt Änderungen vornehmen kann, empfiehlt sich nach den jüngsten Vorfällen eine Änderung durch den Arzt mit dessen Unterschrift und Datum.

Die "Fehlerquelle Stempel" ist weit gefasst; so können die fehlende Facharztbezeichnung oder Telefonnummer, der nicht unterstrichene Arzt einer Gemeinschaftspraxis oder schlichtweg der "falsche" Arzt zu Retaxationen führen. Vorsicht, wenn der blau unterstrichene Arzt mit schwarzer Tinte unterschreibt!

Falsche Einnahmeanweisungen

Entweder enthält das Rezept den Zusatz "gemäß schriftlicher Anweisung" und diesen ohne jede Veränderung (s. Tabelle) oder eine Gebrauchsanweisung für den Patienten.

Der Referent musste einräumen, dass "1-1-1" nicht gleichbedeutend mit "dreimal täglich eine Tablette" ist.

Es sei nur am Rande vermerkt, dass Betäubungsmittelhersteller in ihren Dosierungsempfehlungen "alle 36 Stunden" der Bezeichnung "alle anderthalb Tage" vorziehen. Normale Rezepte mit zahlenmäßiger Gebrauchsanweisung wurden bisher nicht beanstandet.


Gründe für die Retaxation von BtM-Rezepten (Beispiele)

Falsch
Richtig
alle 72 Stunden
alle drei Tage
laut
gemäß
3 x tgl.
3 x 1 Tablette täglich
Alle 72 Stunden wechseln
alle drei Tage wechseln
gem. schriftlicher Anordnung
gemäß ärztlicher Anweisung
Einnahme laut Verordnung
lt. schriftlicher Anweisung
gemäß schriftlicher Einnahmeverordnung
gem. schriftl. Anw.
gemäß schriftlicher Anweisung
1 x 1/d
1 Tablette täglich
1-1-1
3 x täglich eine Tablette
1-0-1/tägl.
morgens und abends je eine Tablette

Verhältnismäßigkeit

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist bei vielen Retaxationen nicht mehr gewährleistet, "wenn es sich um geradezu lächerliche Fehler handelt", so Prof. Dingermann.

Nach Aussage der beteiligten Krankenkassen sollen sich bereits 60.000 Rezepte in Prüfung befinden; damit könnte sich der Schaden für die Apotheken auf mehrere Millionen Euro belaufen. Diese Beträge werden, wenn die Gerichte entschieden haben, nur zurückgezahlt, wenn zuvor Einspruch erhoben worden ist. Auch dass für die Rücksendung der Verordnung, soweit überhaupt zugesagt, 50 Euro verlangt werden, kollidiert mit dem Gebot der Verhältnismäßigkeit. Völlig unverhältnismäßig ist auch der den Patienten aufgebürdete Zusatzaufwand durch die nicht zeitgerechte Belieferung der vorgelegten Verschreibungen.


Holger Goetzendorff, Pulheim



DAZ 2012, Nr. 4, S. 88

Das könnte Sie auch interessieren

Dosierungsangaben auf dem Rezept

Wann dürfen Apotheker selbstständig ergänzen?

Formfehler bei BtM-Rezepten führen oft zu Retaxationen

Die Form muss stimmen

Reicht „Gemäß schriftlicher Anweisung“ auf dem BtM-Rezept?

Methadon-Rezeptur retaxsicher beliefern

Welche Stolperfallen drohen? Was darf in der Apotheke ergänzt werden?

Dosierung oder „Dj“ aufs Rezept

DAZ-Fresh-Up – Was Apotheker wissen müssen

Betäubungsmittelrezepte – was ist erlaubt?

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.