Arzneimittel und Therapie

NSAR verlangsamen Wirbelsäulenversteifung

Voranschreiten des Morbus Bechterew gebremst

Ankylosierende Spondylitis (AS), auch Morbus Bechterew genannt, ist eine chronische entzündliche Erkrankung der Wirbelsäule. Zur Therapie der dabei vor allem im unteren Bereich der Wirbelsäule auftretenden Schmerzen werden nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) eingesetzt. Eine aktuelle Untersuchung zeigte jetzt, dass die NSAR nicht nur Schmerzen lindern, sondern auch das Fortschreiten einer ankylosierenden Spondylitis bremsen können.

Anhaltende Entzündung in der Wirbelsäule führt beim M. Bechterew zu Rückenschmerzen, die typischerweise im unteren Bereich der Wirbelsäule auftreten, sich in Ruhe und in der Nacht verschlimmern und bei Bewegung bessern und mit einer Morgensteifigkeit in der Wirbelsäule verbunden sind. Als Reaktion auf die anhaltende Entzündung entwickeln sich knöcherne Anbauten an den Wirbelkörperkanten (sogenannte Syndesmophyten), die im Laufe der Zeit zu einer knöchernen Versteifung der Wirbelsäule führen können. Die Knochenneubildung in der Wirbelsäule findet jedoch nicht bei allen Patienten mit ankylosierender Spondylitis statt, und die Geschwindigkeit der Versteifungsprogression ist individuell verschieden. Es wurde in früheren Arbeiten gezeigt, dass bereits vorhandene strukturelle Schäden in der Wirbelsäule (Syndesmophyten) und hohe entzündliche Aktivität (gemessen an erhöhten Werten des C-reaktiven Proteins [CRP] in Serum bzw. einer erhöhten Blutsenkungsgeschwindigkeit [BSG]) ein weiteres Fortschreiten der Wirbelsäulenverknöcherung bei der AS vorhersagen können [1 – 3].

Nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) wie Diclofenac, Indometacin oder Ibuprofen gehören heutzutage zur Behandlung der ersten Wahl bei der AS. Zugleich zeigten einige vorausgegangene Untersuchungen, dass NSAR, neben einer sehr guten symptomatischen Wirksamkeit, möglicherweise eine krankheitsmodifizierende Wirkung mit Hemmung der Verknöcherungsprogression in der Wirbelsäule besitzen [4].


Progression der Wirbelsäulenschäden unter der NSAR-Behandlung bei Patienten mit ankylosierender Spondylitis mit (a) und ohne (b) Risikofaktoren. Bei Patienten, bei denen das Vorhandensein von Syndesmophyten und ein erhöhter CRP-Wert auf ein hohes Risiko für eine Verschlimmerung der Erkrankung deuten, trat unter einer regelmäßigen Einnahme von NSAR keine weitere Verknöcherung in der Wirbelsäule auf. Dagegen verschlimmerte sich die Versteifung der Wirbelsäule bei den Patienten, die NSAR seltener oder in einer kleineren Dosis einnahmen.

Keine weitere Verknöcherung in der Wirbelsäule

Die Autoren untersuchten den Einfluss von nicht-steroidalen Antirheumatika auf Progression der knöchernen Veränderungen der Wirbelsäule bei der ankylosierenden Spondylitis im Rahmen einer Beobachtungsstudie (GErman SPondyloarthritis Inception Cohort – GESPIC). Hierzu wurden 88 Patienten mit ankylosierender Spondylitis und einer Symptomdauer < 10 Jahre für die Analyse herangezogen. Für diese Patienten waren sowohl Röntgenaufnahmen der Wirbelsäule (Lendenwirbelsäule und Halswirbelsäule), die zu Baseline und nach zweijähriger Beobachtung angefertigt wurden und gemäß des mSASSS-Scoringssystems [5] ausgewertet wurden, als auch Daten zur NSAR-Einnahme verfügbar. Der Modified Stoke Ankylosing Spondylitis Spinal Score (m-SASSS) ist ein Summenmaß zur Bewertung radiologischer Wirbelsäulenveränderungen bei Spondylitis ankylosans.

Um die Einnahme der NSAR über zwei Jahre auszuwerten, wurde ein von der ASAS (Assessment of Spondyloarthritis International Society)-Gruppe vorgeschlagener NSAR-Index (0 bis 100) berechnet, der sowohl die Dosis als auch die Dauer der NSAR-Einnahme berücksichtigt [6]. Die Einnahme einer höheren NSAR-Dosis war als ein NSAR-Index von ≥ 50 über zwei Jahre definiert. Der NSAR-Index von 50 entspricht z. B. einer täglichen Einnahme von Diclofenac 75 mg (50% der maximal zugelassenen täglichen Dosis).

AS-Patienten mit hoher NSAR-Dosis (NSAR-Index ≥ 50, n = 24) zeigten im Vergleich zu jenen mit niedriger NSAR-Dosis (NSAR-Index < 50, n = 64) eine niedrigere Progressionsrate der Wirbelsäulenverknöcherung (gemessen an einer Verschlechterung des mSASSS-Grades nach zwei Jahren): 0,02 ± 1,39 vs. 0,96 ± 2,78, p = 0,14 [7].

Wichtig ist dabei, dass fast ausschließlich Patienten mit Risikofaktoren für eine Progression der Wirbelsäulenversteifung (bereits vorhandene Syndesmophyten und erhöhtes CRP) von einer hohen NSAR-Dosis profitierten: Bei Patienten mit beiden Risikofaktoren betrug die mSASSS-Verschlechterung 4,36 ± 4,53 in der Gruppe mit niedriger NSAR-Einnahme vs. 0,14 ± 1,80 in der Gruppe mit hoher NSAR-Dosis, p = 0,02. Bei Patienten ohne Risikofaktoren waren hingegen die Progressionsraten in beiden Untergruppen niedrig (siehe Grafik), das heißt, diese Patienten haben nicht von einer höheren NSAR-Dosis profitiert [7].

Somit konnte gezeigt werden, dass eine hohe NSAR-Einnahme über zwei Jahre mit einer geringeren Progression der Wirbelsäulenschäden bei AS-Patienten assoziiert ist, was neben dem guten symptomatischen Effekt auch eine krankheitsmodifizierende Wirksamkeit von NSAR nahelegt. Insbesondere Patienten mit hohem Risiko für eine Progression der Wirbelsäulenversteifung (bereits vorliegende Syndesmophyten und erhöhte Entzündungsparameter) können von der kontinuierlichen NSAR-Einnahme profitieren. Ein ähnliches Ergebnis wurde kürzlich auch in einer holländischen Studie berichtet [8].


Quelle

[1] Baraliakos X, et al.: The natural course of radiographic progression in ankylosing spondylitis-evidence for major individual variations in a large proportion of patients. J Rheumatol (2009) 36(5): 997 – 1002.

[2] Maksymowych WP, et al.: Serum matrix metalloproteinase 3 is an independent predictor of structural damage progression in patients with ankylosing spondylitis. Arthritis Rheum (2007) 56(6): 1846 – 1853.

[3] Poddubnyy D, et al.: Baseline radiographic damage, elevated acute-phase reactant levels, and cigarette smoking status predict spinal radiographic progression in early axial spondylarthritis. Arthritis Rheum (2012) 64(5): 1388 – 1398.

[4] Boersma JW.: Retardation of ossification of the lumbar vertebral column in ankylosing spondylitis by means of phenylbutazone. Scand J Rheumatol 1976; 5(1): 60 – 64.

[5] Creemers MC, et al.: Assessment of outcome in ankylosing spondylitis: an extended radiographic scoring system. Ann Rheum Dis (2005) 64(1): 127 – 129.

[6] Dougados M, et al.: ASAS recommendations for collecting, analysing and reporting NSAID intake in clinical trials/epidemiological studies in axial spondyloarthritis. Ann Rheum Dis (2011) 70(2): 249 – 251.

[7] Poddubnyy D, et al.: Effect of non-steroidal anti-inflammatory drugs on radiographic spinal progression in patients with axial spondyloarthritis: results from the German Spondyloarthritis Inception Cohort. Ann Rheum Dis (2012) 71(10): 1616 – 1622.

[8] Kroon F, et al.: Continuous NSAID use reverts the effects of inflammation on radiographic progression in patients with ankylosing spondylitis. Ann Rheum Dis (2012) 71(10): 1623 – 1629.


Dr. Denis Poddubnyy und Prof. Dr. Joachim Sieper

Charité Universitätsmedizin Berlin, Campus Benjamin Franklin, Med. Klinik I, Rheumatologie, Hindenburgdamm 30, 12203 Berlin



DAZ 2012, Nr. 39, S. 44

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