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Reform des Arbeitsmarkts

Heute niedrige Löhne, morgen Altersarmut

Immer mehr Angestellte fristen ihr Dasein mit Niedriglöhnen. Daran sind Reformen der ehemaligen Bundesregierung unter Gerhard Schröder nicht ganz unschuldig. Jetzt haben Koalition und Opposition das Thema für ihren Wahlkampf entdeckt.

Im August 2002, vor rund zehn Jahren, begann die damalige Bundesregierung unter Gerhard Schröder (SPD) ihr wohl umstrittenstes Projekt: Die "Hartz-Reformen" sollten den Arbeitsmarkt grundlegend reformieren. Was ist daraus geworden?

Zwiespältiges Fazit

In der Tat geht es Deutschlands Wirtschaft besser als noch vor einer Dekade. Dem stehen schwerwiegende soziale Folgen gegenüber: So hat der Druck auf arbeitslose Bürger zugenommen. Und von 2006 bis 2008 sei zwar die Zahl geleisteter Arbeitsstunden angestiegen, nicht aber die Zahl der Arbeitnehmer, mahnt Prof. Dr. Gustav Horn vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung bei der Hans-Böckler-Stiftung.

Niedriglohnsektor wächst

Eine weitere Folge der HartzReformen: Immer mehr Beschäftigte arbeiten für einen Niedriglohn: Die Niedriglohnquote stieg im Zeitraum 2006 bis 2010 von 18,7% auf 20,6%. Bei den tarifgebundenen Beschäftigten waren nur 11,9% betroffen, bei den Arbeitnehmern ohne Tarif aber 31%.

Ähnliches zeichnet sich auch im Apothekenbereich ab: Im Kammerbezirk Sachsen besteht seit 1997 kein Tarifvertrag mehr.

Arm im Alter

Angestellte im Niedriglohnsektor haben nicht nur Schwierigkeiten, trotz Vollzeitarbeit ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. "Wer heute nur ein mageres Gehalt bekommt, rutscht später in die Altersarmut ab", gibt Barbara Neusetzer zu bedenken. Kein Wunder: Nur 6,2% der Geringverdiener nennen abgabenbegünstigte Betriebsrenten ihr eigen, während 22,4% der mittleren und sogar 36,4% der oberen Einkommensklassen Entgeltumwandlung betreiben.

Hinzu kommt, dass die Rentenansprüche gesunken sind und weiterhin sinken, was ebenfalls eine frühere SPD-Regierung beschlossen hat. Bereits heute erhalten rund 20 Millionen Senioren gerade einmal das gesetzliche Grundsicherungsniveau von 688 Euro. Jetzt sind neue Strategien gefragt.

Projekte: Von der Leyen will Zuschussrente …

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) schlägt deshalb eine Zuschussrente für Geringverdiener vor: Wer ein Leben lang gearbeitet hat und weniger als 850 Euro aus der gesetzlichen Rentenkasse erhält, soll entsprechende Zuschüsse kassieren. Zudem möchte sie über eine Kombirente die Möglichkeiten verbessern, dass Frührentner etwas hinzuverdienen. Lockerungen sind ebenfalls bei der Erwerbsminderungsrente vorgesehen. Und nicht zuletzt rät von der Leyen, den Beitragssatz zur Rentenversicherung abzusenken: von derzeit 19,6 auf 19,0 Prozentpunkte.

Kritik kommt aus den eigenen Reihen. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) moniert, der Vorschlag sei für Ostdeutschland ungeeignet, denn "die Menschen kommen nicht auf 35 ununterbrochene Erwerbsjahre."

… und Gabriel will höhere Betriebsrenten

SPD-Chef Sigmar Gabriel schlägt vor, die Betriebsrenten auszubauen sowie eine gesetzlich garantierte Mindestrente in Höhe von 850 Euro einzuführen. Die Angestellten sollen zwei Prozent ihres Gehalts für die Altersvorsorge umwandeln und der Staat diese Rücklagen mit 400 Euro pro Jahr fördern. Gabriel möchte zudem Kindererziehungszeiten stärker berücksichtigen und eine neue Teilrente ab dem 60. Lebensjahr einführen.

Die Kosten – über den Daumen gepeilt rund eine Milliarde Euro jährlich – will er aus dem Bundeshaushalt begleichen, während von der Leyen bei ihrem Entwurf Rentenbeiträge einplant.

Bei den Sozialdemokraten stieß Gabriel nicht nur auf Zustimmung: Der Arbeitnehmerausschuss sieht "erhebliche Schwächen" des Konzepts, und Juso-Mitglieder stuften es als "nicht zustimmungsfähig" ein.

Apotheken: innovativer Tarifvertrag

Barbara Neusetzer, 1. Vorsitzende von ADEXA, weist darauf hin, dass Angestellte in öffentlichen Apotheken schon einen Schritt weiter sind: "Seit Januar gilt in allen Kammerbezirken außer Nordrhein und Sachsen ein Tarifvertrag zur arbeitgeberfinanzierten betrieblichen Altersvorsorge."

Wer zusätzlich noch eigene Entgeltanteile umwandelt, erhält Arbeitgeberzuschüsse in Höhe der eingesparten Sozialversicherungsbeiträge.


Michael van den Heuvel



DAZ 2012, Nr. 38, S. 97

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