Arzneimittel und Therapie

Ruxolitinib gegen Myelofibrose

EU-Zulassung für den ersten JAK-Inhibitor

Jetzt hat die Europäische Kommission den neuen Wirkstoff Ruxolitinib (vorgesehener Handelsname Jakavi®) zur Behandlung der lebensbedrohlichen Myelofibrose zugelassen. Wie Novartis mitteilte, beruht die Entscheidung auf den positiven Daten einer klinischen Studie.
Pyrrolopyrimidinpyrazol-Derivat Ruxolitinib ist der erste Hemmstoff der Janus-Proteinkinase. In den USA ist er bereits seit 2011 zugelassen, in Deutschland hat die EU-Kommission erst jetzt grünes Licht gegeben.

Ruxolitinib ist als Orphan Drug für die Behandlung von Erwachsenen mit einer Myelofibrose zugelassen. Außerdem wird Ruxolitinib in klinischen Studien auch für weitere Anwendungsgebiete untersucht, beispielsweise zur Behandlung von soliden Tumoren, Pankreaskarzinom, rheumatoider Arthritis und Psoriasis.

Störungen der Blutbildung

Die Myelofibrose ist eine chronisch myeloproliferative Erkrankung, die tödlich verlaufen kann. Bei der seltenen Knochenmarkerkrankung werden die blutbildenden Zellen im Knochenmark durch faserreiches Bindegewebe ersetzt (Fibrosierung), das später vernarben kann. In Folge kommt es zu einer Verlagerung der Blutbildung in Milz und Leber (extramedulläre Blutbildung), die sich daraufhin vergrößern (Spleno- und Hepatomegalie).

Insgesamt kommt es zu einer beeinträchtigten Hämatopoese mit Anämie, Thrombozytopenie und Leukozytopenie.

Unbemerkter Beginn

Eine Myelofibrose kann primär oder sekundär als Folge einer anderen Krankheit auftreten. Sie beginnt schleichend und ohne Symptome. Oft werden bei routinemäßigen Untersuchungen zunächst nur Veränderungen des Blutbildes festgestellt, am häufigsten eine Thrombozytose und/oder eine Anämie. Körperliche Beschwerden sind zunächst eher selten.

Später kommt es zu den typischen Symptomen: extreme Müdigkeit und Erschöpfung, Fieber, Nachtschweiß, Bauchschmerzen, Schmerzen unter den Rippen, Knochenschmerzen, Appetit- und Gewichtsverlust sowie Juckreiz. Die Symptome hängen von der Phase der Erkrankung ab, also wie weit die Verfaserung des Knochenmarks bereits fortgeschritten ist.

Nach der Diagnose haben Patienten mit Myelofibrose nur noch eine mittlere Lebenserwartung von 5,7 Jahren.

Heilung nur durch Blutstammzelltransfusion

In der EU betrifft die Krankheit jährlich rund 1,5 von 100.000 Personen, vorwiegend ältere Menschen (durchschnittlich 60 bis 65 Jahre). Insgesamt sind etwa 90% der Erkrankten älter als 40 Jahre. Myelofibrose tritt bei Männern und Frauen gleich häufig auf.

Derzeit gibt es nur wenige Therapiemöglichkeiten. Meist wird die Myelofibrose mit verschiedenen Wirkstoffen (Hydroxycarbamid oder Glucocorticoiden) und Bluttransfusionen behandelt. Eine Heilung ist nur durch eine Blutstammzelltransplantation möglich. Diese Transplantation wird jedoch nur bei Patienten empfohlen, bei denen die Erkrankung schnell fortschreitet beziehungsweise bei denen ein hohes Risiko besteht, an der Myelofibrose zu sterben.

Hemmstoff der Januskinase

Ruxolitinib ist der erste Hemmstoff der Janus-Proteinkinase, der auf den Markt kommt. Ruxolitinib hemmt die Januskinasen JAK 1 und JAK 2 (Janus Associated Kinase), welche bei der Blutbildung und im Immunsystem eine wichtige Rolle spielen. Januskinasen sind an der Signalübertragung von Zytokinen und Wachstumsfaktoren beteiligt, die für die Hämatopoese und Immunfunktionen wichtig sind.

Die Zulassung basiert auf zwei randomisierten Phase-III-Studien (COMFORT-I und COMFORT-II) mit 528 Patienten, die auf eine Therapie nicht ansprachen oder für eine allogene Stammzelltransplantation nicht infrage kamen. Verglichen mit Placebo oder der derzeit am besten geeigneten Therapie (Hydroxycarbamid oder Glucocorticoide) konnte die Größe der Milz in der Ruxolitinib-Gruppe um 35% reduziert werden. Außerdem besserte sich im Vergleich zu Placebo bei einem höheren Anteil der Patienten die Allgemeinsymptomatik.

In den USA ist Ruxolitinib als Tablette in Stärken von 5 bis 25 mg auf dem Markt und wird zweimal täglich eingenommen.

Ruxolitinib kann Veränderungen im Blutbild auslösen und Infektionen begünstigen. Häufigste Nebenwirkungen sind Thrombozytopenie, Neutropenie, Anämie und Blutungen. Zu den weiteren unerwünschten Wirkungen gehören Schwindel und Kopfschmerzen. Bei schwerwiegenden Nebenwirkungen auf die Blutbildung kann die Dosis reduziert oder die Behandlung unterbrochen werden. Vorsichtsmaßnahmen wie Messung der Blutwerte vor und während der Therapie mit Ruxolitinib sowie sofortige adäquate Behandlung einer Infektion sind angezeigt. Auch kann eine Bluttransfusion erforderlich werden.

Ruxolitinib wird von CYP3A4 metabolisiert, daher sind entsprechende Arzneimittel-Wechselwirkungen möglich. Bei der gleichzeitigen Anwendung mit starken CYP-Inhibitoren muss die Dosis von Ruxolitinib reduziert werden.


hel



DAZ 2012, Nr. 36, S. 46

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