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Halbherzig

Peter Ditzel

Streiken, demonstrieren, boykottieren? Oder Postkärtchen verschicken und Plakate aufhängen? Die Apothekerinnen und Apotheker Deutschlands sind sich uneinig, wie sie ihren Unmut über die geplante und unzureichende Honoraranpassung ausdrücken sollen. Einigkeit besteht derzeit nur in einem Punkt: Jeder Apothekerverband macht auf Landesebene das, wovon er glaubt, dass es richtig sein könnte, um ein Zeichen zu setzen. Auf eine durchsetzungsstarke konzertierte Aktion hofft man (noch) vergeblich. Die Aktionen, wie sie sich derzeit darstellen:

– Baden-Württemberg führte am 5. September punktuelle Warnstreiks in zwei baden-württembergischen Städten (Esslingen und Sigmaringen) durch. Hier sollte nur durch die Notdienstklappe hindurch bedient werden.

– Rheinland-Pfalz und Saarland haben ganztägige Warnstreiks für den 12. September angekündigt. Dieser Aktion wird sich auch der Landesapothekerverband Baden-Württemberg anschließen. Der Apothekenleiter soll über die Notdienstklappe die Arzneimittelabgabe übernehmen, und das Apothekenpersonal soll für das Gespräch mit den Kunden, evtl. an einem Infostand vor der Apotheke – zur Verfügung stehen.

– Die Apotheker des Apothekerverbands Westfalen-Lippe sind in der Mehrheit (67%) streikbereit. Ob aber tatsächlich gestreikt wird oder ähnliche Maßnahmen ergriffen werden, darüber wird noch diskutiert.

– Die Landesapothekerverbände von Niedersachsen und Sachsen-Anhalt starteten am 3. September Postkarten-Protestaktionen: Apotheken sind aufgerufen, Postkarten mit dem Motiv "Wir sind MehrWert! – Weniger als 3 Cent Anpassung pro Jahr sind ein schlechter Witz" an ihre regionalen Bundes- oder Landtagsabgeordneten zu schicken.

– Hessen setzt auf Plakataktionen (Aushang von Plakaten in den Apotheken) und will dazu anregen, während des Apothekertags in München eine Demo in der Münchner Innenstadt zu veranstalten.

– Die Apothekerkammer Brandenburg droht mit der Verweigerung der Umsetzung der neuen Apothekenbetriebsordnung. Die Kammer sehe sich in der „gegenwärtigen Situation“ außerstande, „die Umsetzung der Apothekenbetriebsordnung in der gebotenen Weise zu verlangen und Nichtbefolgung zu sanktionieren“, schreibt Brandenburgs Kammerpräsident Jens Dobbert an Brandenburgs Ministerpräsidenten Matthias Platzeck.

– Der Bayerische Apothekerverband fragt derzeit noch seine Mitglieder ab, wie sich die Streikbereitschaft darstellt.

Und was macht die ABDA? Was macht unsere „Standesführung“? Sie befindet sich in einer „Findungsphase“. Bisher begrüßte man in der Jägerstraße die Vielfalt in den einzelnen Bundesländern, jeder darf streiken, demonstrieren und protestieren, wie es ihm beliebt. Hat ja auch was Nettes an sich. So kleine Volkstanzgrüppchen übers Land verteilt, die ein bisschen wollen, aber vielleicht auch nicht. Halbherzig eben.

Ich weiß nicht, wie Sie das empfinden, aber ehrlich gesagt, auf mich macht das alles bisher nicht so den Eindruck, als würden die Apotheker verbissen um ein adäquates Honorar kämpfen. Ist da schon Resignation zu spüren? Mega-Frust?

Auf der anderen Seite gibt es in der Tat auch die Wechselwirkung von der Basis nach oben: Wenn sich in Umfragen herausstellt, dass nur ein relativ geringer Prozentsatz der Kolleginnen und Kollegen sich dazu geäußert haben, ob sie sich an Protestaktionen und ähnlichem beteiligen wollen, dann dürfte dies sicher auch eine Rückwirkung auf die Findungsphase der ABDA haben. Mit einer Truppe hinter sich, die nur halbherzig bereit ist, sich an Aktionen zu beteiligen, wird man in der Politik nicht punkten können. Es wäre blamabel, wenn zu einer bundesweiten Aktion aufgerufen würde und nur wenige mitmachen.

Apropos Politik. Wenn man dann noch Meldungen liest, wie sich unser Bundesgesundheitsminister den Honorarforderungen der Ärzte annimmt und den Krankenkassen überzogene Kürzungsforderungen gegenüber den Ärzten vorwirft – spätestens dann weiß man, dass Deutschlands Apotheken in den Augen der Gesundheitspolitiker nur eine Randerscheinung sind, deren Arbeit nicht gewürdigt wird.

Das drückt sich auch darin aus, dass es nach wie vor keinen Termin gibt, an dem sich das Kabinett mit der Anpassung des Apothekenhonorars befassen will. Denkbar ist sogar, dass die Entscheidung über das Apothekenhonorar als Manövriermasse missbraucht wird im Gerangel der Koalition.

Aber aufgeben ist nicht angesagt. Die Zeit drängt. Jetzt kann, wie es der Vize des Landesapothekerverbands Niedersachsen forderte, nur noch Geschlossenheit helfen. Die Politik muss erfahren, dass die Apotheker bereit sind, Streikmaßnahmen durchzuführen und der Bevölkerung zu zeigen, dass die Politik ein Apothekensterben in Kauf nimmt und die Versorgung gefährdet.

Das Signal zu einer bundesweiten Aktion müsste allerdings aus Berlin kommen. Und nicht halbherzig. Sondern mit Herzblut. Und bald.


Peter Ditzel



DAZ 2012, Nr. 36, S. 3

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