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Wann kommt der große Ruck?

Peter Ditzel

Ja, es haben sich weitere Apothekerinnen und sogar ein Apotheker ausgezogen, um – nur mit dem Apotheken-A „bekleidet“ – gegen die Apothekenhonorar-Pläne der Bundesregierung zu protestieren. Sie machen auf diese Weise plakativ sichtbar: einer nackten Apothekerin, einem nackten Apotheker kann man nicht in die Taschen langen, da gibt es nichts mehr zu holen.

Die Apothekerprotest-Gruppe (www.apothekerprotest.de) um den Apotheker Dramburg, vor nicht allzu langer Zeit ein versprengtes Häufchen von nur wenig über zehn Apothekerinnen und Apotheker verzeichnet mittlerweile knapp 600 Mitglieder. Auf ihrer Website wird kräftig protestiert und debattiert. Nicht nur gegen das 25-Cent-Angebot, sondern auch gegen den Zwangsabschlag der Kassen, gegen unzureichende Vergütungen beim Nacht- und Notdienst, bei der Rezepturherstellung, gegen Nullretaxationen und vieles mehr. Dort findet man auch einen ständig wachsenden Friedhof von aktuell geschlossenen Apotheken. Eine laufende Umfrage fragt derzeit die Streikbereitschaft ab in Sachen Apothekenhonorar.

Doch nicht nur der persönliche Protest nimmt zu. Auch Landesapothekerverbände haben sich durchgerungen, die Bereitschaft zur Mobilisierung ihrer Mitglieder zu erkunden. Der Hessische Apothekerverband zusammen mit der Hessischen Landesapothekerkammer fragten ihre Mitglieder nach „möglichen Kampfmaßnahmen“ wie beispielsweise Großdemonstrationen, Protestaktionen bei Kunden oder einen Tag lang Dienst nur durch die Notdienstklappe. Das Wort „Streik“ allerdings kam in dieser Umfrage (noch) nicht vor. Zwischenstand der Rückläufe: Rund 26 Prozent haben sich an der Umfrage beteiligt, fast alle sprachen sich für Kampfmaßnahmen aus. Die Umfrage läuft noch bis 31. August, ebenso wie die gleich aufgebaute Umfrage des Saarländischen Apothekervereins, der diese Aktion übernommen hat.

Erste Warnstreiks hat dagegen bereits der Landesapothekerverband Baden-Württemberg angekündigt. LAV-Chef Fritz Becker will damit Druck auf das Bundeswirtschafts- und das Bundesgesundheitsministerium ausüben. Trotz solider Datenlage und intensiver Gesprächsführung habe es bisher noch keinen akzeptablen Entwurf für eine Honorarerhöhung gegeben, so Becker einer LAV-Presseinfo. Auch längerdauernde Arbeitsniederlegungen schloss Becker nicht aus – zunächst auf Landesebene.

Da drängt sich die Frage auf: Wo bleibt die Bundesebene? Warum hat sich der Deutsche Apothekerverband, dem Becker ebenfalls vorsteht, noch nicht geäußert? Sichtlich sind sich die Verbände (und Kammern) der Apotheker über zu ergreifende Kampfmaßnahmen und sogar darüber, ob überhaupt ein bisschen protestiert werden soll und vielleicht, vielleicht aber auch nicht, in keiner Weise einig. Das zeigten auch die eine oder andere Äußerung von Berufspolitikerinnen und Berufspolitiker in der vergangenen Woche. Was dadurch bei der Basis ankommt: Oben, bei der Berufsvertretung, ist das große Zögern zu spüren.

Das beeinflusst die Demo- und Streikbereitschaft immens, wie sich auch an den Rückläufen unserer DAZ-Blitzumfrage, in der wir auch die Bereitschaft für eine Demo in Berlin abfragen, ablesen lässt. Bisher haben das DAZ-Fax nur rund 800 Apothekerinnen und Apotheker zurückgesandt. Rund 90 Prozent von ihnen sind bereit, für einen Streik nach Berlin zu fahren. Das sind zu wenige, viel zu wenige. Ich kann die ABDA verstehen, die bei dieser geringen Aktionsbereitschaft der Basis Kosten und Mühen scheut, dazu aufzurufen. Es wäre blamabel, mit einem Grüppchen von 1000 bis 2000 Weißkitteln in Berlin anzutreten. Das entlockt auch den Politikern nicht mehr als ein mitleidiges Lächeln.

Aber die Uhr tickt. Wie lange wollen wir noch warten, ob man uns überhaupt hört und ernst nimmt? Politiker verschieben Gesprächstermine, halten hin, vertrösten – geht man so mit Apothekerinnen und Apothekern um? Wird man überhaupt noch ernst genommen? Ist das nicht eine Ohrfeige nach der andern? Wer glaubt da noch, mit sachlichen Gesprächen komme man weiter? Oder mit dem Schreiben von Protest-Postkärtchen? Die Ärzte haben ihn bereits angedroht, den flächendeckenden Streik in Deutschland. Sie wollen die von Kassen geforderten Honorarkürzungen nicht hinnehmen. Wir haben seit acht Jahren still gehalten und sollen mit Peanuts abgespeist werden.

DAZ-Autor und Wirtschaftsmathematiker Uwe Hüsgen hat sich die Zahlen angesehen, auf deren Grundlage die 25-Cent-Erhöhung zustande gekommen sein soll. Er kommt zu einer erschreckenden Feststellung (Das Faxformular können Sie hier als PDF-Datei herunterladen)!


Peter Ditzel



DAZ 2012, Nr. 35, S. 3

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