Arzneimittel und Therapie

Statintherapie: erhöhtes Risiko für Grauen Star?

Möglicher Zusammenhang befürchtet

Ein Zusammenhang zwischen einer Medikation mit Statinen und einem erhöhten Risiko für die Entstehung einer Katarakt (Grauer Star) ist immer wieder Gegenstand von Diskussionen. Nachdem die Ergebnisse einer australischen Studie aus dem Jahr 2007 eine Reduktion der Entstehung von Katarakten unter einer Statintherapie aufgezeigt hatten, kommt eine retrospektive kanadische Studie jetzt aufgrund von Daten zur Diagnose und Therapie von Linsentrübungen, Typ-2-Diabetes, Medikation mit Statinen und demografischen Parametern zu dem gegenteiligen Ergebnis.

Statine gehören zu den weltweit am häufigsten verordneten Medikamenten. Aufgrund der zahlreichen möglichen, zum Teil schweren unerwünschten Wirkungen hat es jedoch auch immer wieder Studien zum Nachweis der Unbedenklichkeit dieser Pharmaka gegeben. 2010 wurden die Ergebnisse einer englischen Kohortenstudie mit mehr als zwei Millionen Patienten veröffentlicht. Danach gab es ein erhöhtes Risiko für die Entstehung von Katarakten unter Statinen, das sich innerhalb eines Jahres sowohl bei Männern als auch bei Frauen nach Beendigung der Therapie normalisiert hatte. In der australischen BME-Studie (Blue Mountains Eye Study), in der 2007 die Daten von mehr als 2300 älteren Patienten ausgewertet wurden, war hingegen eine Reduktion der Kataraktentstehung um 50% ermittelt worden.

Eine aktuelle retrospektive kanadische Studie gibt neue Hinweise auf diese unerwünschte Wirkung von Statinen. Die Wissenschaftler werteten die Daten von nahezu 6400 Patienten aus, die zwischen Januar 2007 und Januar 2008 eine universitäre Augenklinik besucht hatten. Neben der Diagnose einer Linsentrübung wurden das Vorliegen eines Typ-2-Diabetes, eine Therapie mit Statinen sowie weitere mögliche Einflussfaktoren wie Geschlecht, Alter, Bluthochdruck und Rauchen in die Studie einbezogen. Etwa 740 der Patienten erhielten eine Statintherapie, etwa ein Drittel von ihnen waren Diabetiker, die aufgrund ihrer Erkrankung ein um 86% erhöhtes Katarakt-Risiko haben. Sowohl für die Gruppe der Diabetiker als auch für die sonstigen Patienten, die mit Statinen behandelt worden waren, konnte unter Berücksichtigung anderer Risikofaktoren ein um mehr als 50% erhöhtes Risiko für Grauen Star nachgewiesen werden. Die Autoren empfehlen weitere Studien zur Überwachung der Linse bei Typ-2-Diabetikern, für die diese Therapie grundsätzlich von Nutzen ist.

In einem Kommentar werden das Studiendesign und die Schlussfolgerungen bemängelt: Zum einen handele es sich um eine retrospektive Studie, aus der kein ursächlicher Zusammenhang abgeleitet werden könne. Zum anderen sei jegliche Linsentrübung als Katarakt diagnostiziert worden und das Risiko würde generell überschätzt, zumal nicht geklärt wurde, ob es zu einer Beeinträchtigung des Patienten gekommen sei oder gar ein operativer Eingriff notwendig gewesen sei. Damit würde das Risiko tendenziell eher überschätzt. Ein Verzicht auf Statine aufgrund der möglichen Risiken für eine Katarakt erscheine nach Nutzen-Risiko-Abwägung als nicht gerechtfertigt, und der Nutzen bestehe in der durch die Statine nachweislich gut gesicherten Primär- und Sekundärprävention von schwerwiegenden kardiovaskulären Ereignissen wie Schlaganfall oder Herzinfarkt. Zurückhaltung für eine Statintherapie sei hingegen jedoch bei Patienten geboten, deren Cholesterinspiegel nicht erhöht sei und der Nutzen hinsichtlich solcher Erkrankungen fehle.


Quelle

Machan, C.M.; et al.: Age-Related Cataract Is Associated with Type 2 Diabetes and Statin Use. Optom Vis Sci (2012) 89(8): 1165 – 1171.

Hippesly-Cox. J.; Coupland, C.: Unintended effects of statins in men and women in England and Wales: population based cohort study using the Research database. Brit Med J (2010) 340: c2197.

Tan, J.S.; et al.: Statin use and the long-term risk of incident cataract: the BME Study. Am J Ophthalmol (2007) 143(4): 687 – 689.


Dr. Hans-Peter Hanssen



DAZ 2012, Nr. 35, S. 35

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