Arzneimittel und Therapie

Linagliptin ist Glimepirid nicht unterlegen

Wird das orale Antidiabetikum eingeführt oder nicht?

In einer zweijährigen Studie wurden Kombinationen aus Metformin plus Linagliptin und Metformin plus Glimepirid miteinander verglichen. Dabei führten beide Therapieregime zu einer vergleichbaren Absenkung des HbA1c -Wertes. Zudem traten unter der Linagliptin-haltigen Behandlung weniger Hypoglykämien auf. In Deutschland geht die Diskussion um die Nutzenbewertung von Linagliptin (Trajenta®) weiter.
Unter der Gliptin-haltigen Therapie traten deutlich weniger Hypoglykämien auf als unter Glimepirid. Das neue Antidiabetikum Linagliptin wirkt sich zudem positiver auf das Körpergewicht aus als andere Zweit-Linien-Medikamente bei Typ-2-Diabetes. Linagliptin scheint zudem ein günstiges kardiovaskuläres Risikoprofil zu haben.Foto: N-Media-Images – Fotolia.com

Die Kombination aus einem Sulfonylharnstoff und Metformin verbessert bei Patienten mit Typ-2-Diabetes die glykämische Kontrolle, ist aber mit Hypoglykämien und Gewichtszunahme verbunden. Daher wird nach anderen Kombinationspartnern für Metformin gesucht, die bei gleicher Wirksamkeit weniger Nebenwirkungen aufweisen. Ein möglicher Kandidat ist der DPP-4-Inhibitor Linagliptin, der selektiv an das Enzym DPP-4 (Dipeptidylpeptidase 4) bindet. DPP-4 ist an der Inaktivierung der Inkretin-Hormone GLP-1 (Glucagon-like Peptide-1) und GIP (glucoseabhängige insulinotrope Polypeptide) beteiligt. Diese Hormone werden durch DPP-4 schnell abgebaut. Beide Inkretin-Hormone sind an der physiologischen Regulierung der Glucosehomöostase beteiligt. GLP-1 und GIP verstärken die Biosynthese von Insulin und die Ausschüttung aus den Betazellen der Bauchspeicheldrüse bei normalen und erhöhten Blutzuckerwerten. Des Weiteren verringert GLP-1 die Glucagon-Sekretion aus den Alphazellen der Bauchspeicheldrüse und führt damit zu einer Reduktion der hepatischen Glucoseausschüttung. Linagliptin bindet selektiv und reversibel an DPP-4 und erhöht dadurch die Konzentrationen aktiver Inkretine.

Phase-III-Studie zum Nachweis der Gleichwertigkeit

An einer randomisierten, doppelblinden und multizentrischen Studie zum Vergleich von Linagliptin mit Glimepirid nahmen über 1500 Typ-2-Diabetiker teil, deren Blutzucker mit Metformin nur unzureichend eingestellt werden konnte (die mittleren HbA1c -Ausgangswerte lagen bei 7,69%). Sie wurden zwei Gruppen zugeteilt und erhielten eine der folgenden Therapien:

  • Metformin plus DPP-4-Inhibitor (Linagliptin, 5 mg einmal täglich); n = 777
  • Metformin plus Sulfonylharnstoff (Glimepirid, 1 – 4 mg einmal täglich); n = 775.

Die Studie war als Nicht-Unterlegenheitsstudie konzipiert, primärer Studienendpunkt waren die Veränderungen beim HbA1c -Wert nach einer zweijährigen Therapie.

Die mittlere Abnahme von HbA1c betrug unter der Therapie mit Linagliptin - 0,16 % und - 0,36 % unter der Behandlung mit Glimepirid. Mit einer durchschnittlichen Therapiedifferenz von 0,20% wurde das Kriterium der Nicht-Unterlegenheit erfüllt (vorgegeben war eine Therapiedifferenz von 0,35%). Der Vorteil der Linagliptin-haltigen Therapie zeigte sich bei der Häufigkeit von Hypoglykämien: Sie betrug in der Linagliptin-Gruppe 7% vs. 36% in der Glimepirid-Gruppe (p < 0,0001). Schwere Hypoglykämien traten in der Linagliptin-Gruppe in weniger als 1% aller Fälle auf, in der Glimepirid-Gruppe bei 2%. Ferner wurden unter Linagliptin signifikant weniger kardiovaskuläre Ereignisse registriert als unter Glimepirid (2% vs. 3%; p = 0,0213; RR 0,46). Bei mit Linagliptin behandelten Patienten zeigte sich verglichen mit dem Ausgangswert eine signifikante durchschnittliche Gewichtsabnahme (- 1,4 kg) gegenüber einer signifikanten Gewichtszunahme bei mit Glimepirid behandelten Patienten (+ 1,3 kg).


Nutzenbewertung von Linagliptin – aktueller Stand


Der gemeinsam von Boehringer Ingelheim und Eli Lilly entwickelte neue DPP-4-Inhibitor Linagliptin (Trajenta®) wurde im Herbst 2011 in der Europäischen Union zugelassen und in Deutschland bisher nicht eingeführt. In der ersten Nutzenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) mit Beschluss vom 29. März 2012 wurde den Herstellern attestiert, dass für Linagliptin ein Zusatznutzen als nicht belegt gilt. Der pharmazeutische Unternehmer habe nicht die erforderlichen Nachweise zum Zusatznutzen im Verhältnis zu der vom G-BA bestimmten zweckmäßigen Vergleichstherapie in den zugelassenen Anwendungsgebieten vorgelegt. Nun hat der Gemeinsame Bundesausschuss grünes Licht für eine erneute frühe Nutzenbewertung für Linagliptin gegeben (Einzelheiten siehe DAZ.online vom 6. 8. 2012).

Mittlerweile ist Linagliptin auch in der Fixkombination mit Metformin (Jentadueto®) in Deutschland zugelassen, ob dieses Präparat aber in Deutschland eingeführt wird, ist unklar. Der Hersteller prüft, ob ein Dossier zur frühen Nutzenbewertung beim G-BA eingereicht werden wird.

Langzeitergebnisse abwarten

Ein Kommentator sieht die Vorteile einer Therapie mit Linagliptin vor allem in dem verringerten Hypoglykämierisiko. Beachtenswert sei auch der Effekt auf kardiovaskuläre Parameter. In obiger Studie wurde eine deutliche Risikoreduktion festgestellt. Allerdings war die Untersuchung nicht primär auf diesen Parameter ausgerichtet, und eine zweijährige Behandlungsdauer sei zu gering, um Nutzen und Risiko einer Linagliptin-Therapie definitiv beurteilen zu können, so der Kommentator. Mit Spannung werden daher die Ergebnisse längerer, derzeit noch nicht abgeschlossener Studien wie etwa der Carolina-Studie (vergleicht Linagliptin mit Glimepirid) erwartet.


Quelle

Gallwitz B., et al.: 2-year efficacy and safety of linagliptin compared with glimepiride in patients with type 2 diabetes inadequately controlled on metformin: a randomised, double-blind, non-inferiority trial. Lancet (2012) 380; 475 – 483.

Scheen A., et al.: Gliptin versus a sulfonylurea as add-on to metformin. Lancet (2012) 380; 450 – 452.

www.ema.europa.eu (Zugriff 6. 8. 2012).

www.clinicaltrials.gov NCT00622284 (Zugriff 6. 8. 2012).


Apothekerin Dr. Petra Jungmayr



DAZ 2012, Nr. 33, S. 36

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