Fachmedien

Gesund durch Bienen?

Karsten Münstedt und Sven Hoffmann, Bienenprodukte in der Medizin Apitherapie nach wissenschaftlichen Kriterien bewertet, 216 Seiten, 27 Abbildungen, 26,80 Euro, Shaker Verlag, Aachen 2012, ISBN 978-3-8440-1129-6

Wer dieses interessante Fachbuch in die Hand nimmt, sollte sich nicht von der äußeren Form abschrecken lassen. Die Aufmachung erinnert eher an Doktorarbeiten in frühen Zeiten moderner Textverarbeitungssysteme, das Cover zeigt nach wenigen Benutzungen erste Auflösungserscheinungen und ein profes-sionelles Lektorat hätte dem Buch sicherlich gut getan. Doch bietet das Buch eine enorme Fülle von gut recherchierten Informationen über ein spezielles Wissensgebiet, die sonst nicht so schnell und übersichtlich zu finden sein dürften. Es fällt angenehm auf, dass sich die Autoren deutlich von jedem pseudowissenschaftlichen Hokuspokus abgrenzen. Sie beschreiben kritisch den Ansatz der sogenannten Apitherapie, die Bienenprodukte als Heilmittel gegen praktisch alle Krankheiten propagiert, ohne dafür wissenschaftliche Belege anzuführen. Im Gegensatz dazu werden die Aussagen in dem vorliegenden Buch konsequent belegt. Daher ist der Untertitel des Buches mit dem Wort „Apitherapie“ unpassend gewählt, denn die Autoren wollen sich gerade von solcher Pseudomedizin abgrenzen und fordern selbst einen eigenständigen Begriff für den wissenschaftlich belegten Einsatz von Bienenprodukten.

Die ersten Kapitel vermitteln die Geschichte der Imkerei, rechtliche Grundlagen und Qualitätsanforderungen an Bienenprodukte. Für Apotheker herausragend ist das Kapitel über Arzneimittelanwendungen bei Bienen, die stets lebensmittelliefernde Tiere sind. Die einzige zugelassene Indikation ist demnach die Bekämpfung der Varroa-Milbe, doch diese Anwendung hat enorme Bedeutung für die Praxis. Denn in Deutschland sind praktisch alle Bienenvölker befallen und müssen regelmäßig behandelt werden. Dies ist sehr wichtig, weil Bienen die drittwichtigsten Nutztiere in Deutschland sind, die für die Bestäubung zahlreicher wichtiger Nutzpflanzen sorgen. Da die einschlägigen Wirkstoffe gegen die Varroa-Milbe nicht verschreibungspflichtig sind, ist der Apotheker als Bezugsquelle und Berater gefordert. Das diesbezügliche Kapitel enthält kompetente Informationen über den praktischen Einsatz der Mittel zur Milbenbekämpfung.

Ein großes Kapitel gibt Auskunft über die Gewinnung und Zusammensetzung der Bienenprodukte. Neben Honig sind dies insbesondere Gelée royale, Pollen, Propolis, Wachs und Bienengift. Der Blick auf die Inhaltsstoffe relativiert viele Thesen über angebliche Wunderwirkungen – auch dies wird deutlich herausgearbeitet. Das größte Kapitel stellt „angebliche und tatsächliche Heilwirkungen“ von Bienenprodukten vor. Die Autoren untersuchen diverse Behauptungen, verweisen auf diesbezügliche Studien und zeigen deren Stärken und Schwächen. Untersuchungen mit hohem Evidenzgrad existieren zu den wenigsten Fragen, doch die Stärke des Buches liegt darin, auch obskuren Theorien nachzugehen. Die Ergebnisse sind allerdings meist ernüchternd. Eine gute Datenlage gibt es offenbar nur für Honig als Wundheilungsmittel und für Bienengift zur Desensibilisierung bei einer diesbezüglichen Allergie. Außerdem sei der Einsatz von Propolis bei Mundfäule zu erwägen. Spannend erscheint den Autoren der Einsatz von Bienengift bei muskuloskeletalen Schmerzen und für Honig bei Heuschnupfen. Anlass für mehr Studien sehen sie für Pollen gegen Wechseljahres- oder Prostatabeschwerden. Doch die Autoren widmen auch den Risiken und unerwünschten Wirkungen ein eigenes Kapitel, das erstaunlich viele Aspekte anspricht, insbesondere Allergien, aber auch Botulismus durch Honig und spezielle giftige Honige.

In einem weiteren Kapitel geht es um die Anwendung von Honig in der Veterinärmedizin. Koch- und Backrezepte runden das Buch ab. Gerade der letzte Aspekt macht deutlich, dass das Buch für eine heterogene Leserschaft geschrieben ist. Angesprochen werden Hobbyimker und Naturliebhaber, die geschickt in die Denkweise der Medizin und das Konzept medizinischer Studien eingeführt werden. Ebenso werden pharmazeutische und medizinische Fachkreise angesprochen, die sich einerseits nicht an einigen laiengerechten Passagen, andererseits aber auch nicht an den mitunter vorausgesetzten Fachbegriffen aus der Imkersprache stören sollten. Der Spagat, beide Lesergruppen anzusprechen, gelingt erstaunlich gut. Für Leser ohne naturwissenschaftlichen Hintergrund wird der Mythos eines vermeintlichen Wundermittels entzaubert. Die fachkundigen Leser können sich zugleich über eine akribisch zusammengetragene Sammlung von Quellen zu den sonderbarsten möglichen Anwendungen von Bienenprodukten freuen. Vielleicht verdient irgendeine obskur anmutende Idee doch noch mehr Beachtung. Ingesamt vermittelt das Buch eine kompakte und doch erstaunlich umfassende Übersicht über ein wichtiges, aber oft verkanntes Nutztier und seine Produkte.

Dr. Thomas Müller-Bohn, Süsel/Holstein


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DAZ 2012, Nr. 32, S. 101

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