Arzneimittel und Therapie

Ultra-Langzeitinsulin Degludec

Hoffen auf seltenere nächtliche Hypoglykämien

Das neue ultra-langwirksame Basalinsulin Insulindegludec wurde in zwei Phase-III-Studien mit einem herkömmlichen Basalinsulin verglichen. Bei diesem Vergleich erwies sich Insulindegludec als ebenso wirksam wie Insulinglargin. Ein Pluspunkt für Insulindegludec ist das leicht reduzierte nächtliche Hypoglykämierisiko.

Wichtige Ziele jeder insulinbasierten Diabetestherapie sind eine zufriedenstellende glykämische Kontrolle, das Verhindern nächtlicher Hypoglykämien und Verringern diabetischer Spätfolgen. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem Vermeiden eines nächtlichen Blutzuckerabfalls, was die Bereitstellung von Insulin in einer Depotform erfordert. Daher wurden Insulinanaloga wie Insulinglargin oder Insulindetimer mit langer Wirkdauer und geringem Hypoglykämierisiko entwickelt, die allerdings den Insulingrundbedarf nicht lückenlos abdecken. Ein nächster Schritt war die Herstellung eines Insulins mit gleichmäßiger und längerer Wirkdauer. Dieses Ultra-Langzeitinsulin Insulindegludec (NN1250; Novo Nordisk) bildet nach der Injektion lösliche Multihexamere im subkutanen Depot, aus denen die einzelnen Moleküle sukzessive freigesetzt werden und so ein stabiler Insulinspiegel mit flachem pharmakokinetischem Profil aufgebaut wird. Die Halbwertszeit für Insulindegludec liegt bei mehr als 25 Stunden, die Wirkdauer beträgt mehr als 42 Stunden. Die Zulassungsanträge für Europa und für die USA wurden im September letzten Jahres eingereicht.

Nachweis der Ebenbürtigkeit

Wirksamkeit und Sicherheit von Insulindegludec wurden in zwei randomisierten, multizentrischen und offenen Phase-III-Studien untersucht. An der einen Studie nahmen Typ-1-Diabetiker, an der anderen Typ-2-Diabetiker teil. Beide Studien sind ähnlich aufgebaut und vergleichen ein herkömmliches Basis-Bolus-Insulinregime mit der Gabe von Insulindegludec. Sie sind als Nichtunterlegenheitsstudien angelegt und sollen zeigen, dass Insulindegludec dem gewählten Vergleichsregime nicht unterlegen bzw. mindestens ebenbürtig ist. Beide Studien sind nach einem Target-to-treat-Design aufgebaut, was bedeutet, dass die Insulindosen systematisch so angepasst wurden, dass gleiche Blutzuckerzielwerte erreicht wurden. Es wurde ein offenes Studienprotokoll gewählt, da eine Verblindung aufgrund unterschiedlicher Applikationshilfen nicht praktikabel war.

Primärer Studienendpunkt war in beiden Studien die Nichtunterlegenheit von Insulindegludec, ermittelt anhand der Reduktion der HbA1c-Werte nach 52 Wochen. Sekundäre Studienendpunkte ermittelten die Sicherheit der Therapie (u. a. Häufigkeit hypoglykämischer Episoden, Gewichtsschwankungen, Veränderungen im Blutzuckerprofil).

Studie mit Typ-1-Diabetikern

Für die erste Studie (BEGIN Basal-Bolus Type 1) wurden 629 Typ-1-Diabetiker ausgewählt, deren mittlerer HbA1c -Wert 7,7% betrug und die seit mindestens einem Jahr mit einem Basis-Bolus-Schema (Einsatz beliebiger Insuline) behandelt wurden. Die Probanden wurden im Verhältnis 3:1 randomisiert und erhielten neben dem schnell wirkenden Insulinaspart, das zu den Mahlzeiten appliziert wurde, entweder einmal täglich Insulindegludec oder Insulinglargin. Der Abfall des HbA1c-Wertes gegenüber dem Ausgangswert war in beiden Gruppen gleich. Der Anteil der Patienten, die bis zum Studienende einen HbA1c-Wert von < 7% erreichten, war in beiden Gruppen etwa gleich groß (40% unter Degludec vs. 43% unter Glargin). Unerwünschte Ereignisse wurden meist als leicht bis mittelschwer eingestuft und traten in beiden Gruppen gleich oft auf. Ebenfalls gleich häufig kamen schwere Hypoglykämien vor. Allerdings wurden unter Insulindegludec weniger nächtliche Hypoglykämien verzeichnet als unter Insulinglargin und die Rate nächtlicher Hypoglykämien wurde durch Insulindegludec um 25% reduziert. Die mittlere Gewichtszunahme war in beiden Gruppen vergleichbar (s. Tab).

Studiencharakteristika und einige Studienergebnisse der BEGIN Basal-Bolus-Studien 1 und 2

BEGIN Basal-Bolus Type 1
BEGIN Basal-Bolus Type 2
Studiendesign/
Studiencharakteristika
randomisiert, open-label, multizentrisch, treat-to-target
Phase-III-Studie zum Nachweis von Wirksamkeit und Sicherheit von Insulindegludec
randomisiert, open-label, multizentrisch, treat-to-target
Phase-III-Studie zum Nachweis von Wirksamkeit und Sicherheit von Insulindegludec
Sponsor
Novo Nordisk
Novo Nordisk
Dauer
52 Wochen
52 Wochen
studienrelevante
Intervention
Insulindegludec
Insulinglargin
Insulindegludec
Insulinglargin
Ergebnisse
Veränderungen des HbA1c -Wertes
(in Prozentpunkten)
- 0,40
- 0,39
- 1,10
- 1,18
schwere Hypoglykämien (Ereignisse
pro Patientenjahr)
42,54
40,18
11,1
13,6
nächtliche Hypoglykämien (Ereignisse
pro Patientenjahr)
4,41
5,86
1,4
1,8
Gewichtszunahme (kg)
+ 1,8
+ 1,6
+ 3,6
+ 4,0

Studie mit Typ-2-Diabetikern

In die zweite Studie (BEGIN Basal-Bolus Type 2) wurden 1006 Typ-2-Diabetiker eingeschlossen, die seit mindestens drei Monaten mit einem beliebigen Insulinregime (mit oder ohne zusätzlicher Gabe eines oralen Antidiabetikums) behandelt wurden. Ihr medianer HbA1c -Wert lag zu Beginn der Studie bei 8,3%. Die Studienteilnehmer wurden ebenfalls im Verhältnis 3:1 randomisiert und erhielten einmal täglich Insulindegludec oder Insulinglargin. Zusätzlich wurde zu den Mahlzeiten schnell wirksames Insulinaspart gespritzt. Hatten die Patienten bereits vor Studienbeginn Metformin und/oder Pioglitazon eingenommen, war diese Medikation weiterhin erlaubt.

Auch hier war der Abfall des HbA1c-Wertes gegenüber dem Ausgangswert in beiden Gruppen vergleichbar. Auch bei anderen Wirksamkeitsparametern zeigten sich keine signifikanten Unterschiede, dasselbe gilt für Art und Häufigkeit unerwünschter Wirkungen. Unter Insulindegludec traten weniger Hypoglykämien auf. Dies betraf alle Hypoglykämien sowie die Episoden eines nächtlichen Blutzuckerabfall, deren Häufigkeit durch Insulindegludec wiederum um 25% reduziert wurden.

Ebenbürtig ja; doch welche Relevanz für die Praxis?

In beiden Studien wurde gezeigt, dass die Blutzuckerkontrolle unter Insulindegludec und Insulinglargin gleich effektiv ist. Das Risiko für nächtliche Hypoglykämien scheint unter Insulindegludec verringert zu sein. Die Relevanz dieser Ergebnisse kann einem Kommentator zufolge derzeit noch nicht genau eingeschätzt werden, da Resultate aus klinischen Studien nicht immer die Alltagssituation widerspiegeln. So entsprachen die Ein- bzw. Ausschlusskriterien nicht den Gegebenheiten einer ambulanten Diabetesversorgung, und es bleibt abzuwarten, ob das erniedrigte Hypoglykämierisiko auch unter Alltagsbedingungen bestehen bleibt. Wenn dem so ist, können Diabetiker strenger eingestellt und Spätfolgen möglicherweise verringert werden. Dann könnte Insulindegludec zum wertvollen Baustein einer wirksamen und sicheren Diabetestherapie werden.


Quelle

Heller S., et al.: Insulin degludec vs insulin glargine in basal-bolus treatment with mealtime insulin aspart in type 1 diabetes (BEGIN basal-bolus type 1). Lancet 379, 1489 – 1497 (2012).

Garber A., et al.: Insulin degludec vs insulin glargine in basal-bolus treatment with mealtime insulin aspart in type 2 diabetes (BEGIN basal-bolus type 2). Lancet 379, 1498 – 1507 (2012).

Tahrani A., et al.: Insulin degludec: a new ultra-longacting insulin. Lancet 379, 1465 – 1467 (2012).

www.clincaltrials.gov NCT 00982228

www.clincaltrials.gov NCT 00972283


Apothekerin Dr. Petra Jungmayr



DAZ 2012, Nr. 30, S. 32

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