DAZ aktuell

Rheinland-Pfalz testet Visavia-Abgabeterminals

Ländliche Regionen: Hilft eine Automatisierung der Arzneimittelversorgung?

MAINZ (ks). Vor eineinhalb Jahren hat das Bundesverwaltungsgericht den Betrieb des Arzneimittel-Abgabeterminals Visavia der Firma Rowa in weiten Teilen für unzulässig erklärt. Seitdem war es in Deutschland still geworden um den Automaten, der – anders als etwa die Co-Box – direkt an der Apotheke zu finden ist. Mithilfe von Visavia sollen Kunden auch außerhalb der Öffnungszeiten Arzneimittel und andere Produkte aus der Apotheke bekommen können. Am 2. Juli startete in Rheinland-Pfalz mit dem Segen der Landesgesundheitsministerin Malu Dreyer (SPD) ein Modellprojekt mit dem Abgabeautomaten.

"Die veränderte Demografie stellt uns auch im gesundheitlichen Bereich vor allem im ländlichen Raum vor neue Herausforderungen. Diese gilt es umfassend zu gestalten, auch in Bezug auf die Medikamentenversorgung", erklärte die Ministerin das Engagement ihres Hauses. "Dabei bauen wir in erster Linie auf unsere Apotheken". Mit dem Testlauf wolle man nun herausfinden, ob ein Abgabeterminal für Medikamente in Apotheken "eine sinnvolle und qualitätsgesicherte Ergänzung für die Bürger und Bürgerinnen auf dem Land sein könnte." Über das Visavia-Terminal, so heißt es in einer gemeinsamen Pressemeldung des Ministeriums und Rowas, könnten Patientinnen und Patienten auch außerhalb der Kernöffnungszeiten der jeweiligen Apotheke ihre Arzneimittel erhalten, ohne dass sie dabei auf eine Beratung verzichten müssen. Zudem werde ihnen der oft weite Weg zur nächsten diensthabenden Apotheke erspart.

Vier Apotheken machen mit

Der Startschuss für das Projekt fiel zu Wochenbeginn in "ausgewählten Apotheken" –  vier sind es an der Zahl. Sie befinden sich verteilt über das Bundesland in Daun, Osthofen, Bodenheim und Haßloch. Das Modell soll wissenschaftlich durch die Universitäten Trier und Mainz begleitet und evaluiert werden. Aus Sicht des Ministeriums und von Rowa reicht die Anzahl von vier Apotheken hierfür aus. Tatsächlich war es auch nicht ganz einfach, mehr Apotheken zu finden, die sich an dem Projekt beteiligen. Die Akzeptanz in der Apothekerschaft sei niedrig, räumte Jens Wiegland von der Firma Rowa gegenüber der DAZ ein. Und die Apothekerkammer hatte ebenfalls kein Interesse an einer Zusammenarbeit. Dennoch: Ziel sei es gewesen, vier oder fünf Apotheken zu finden, die sich beteiligen – insofern ist man bei Rowa sehr zufrieden.

Dokumentationssicherheit durch elektronische Signatur

Im Modellprojekt startet man zunächst mit einem Betrieb des Arzneimittel-Abgabeautomaten zu den regulären Öffnungszeiten der Apotheke. So sollen die Patienten mit der neuen Technologie vertraut gemacht werden. Rezepte können am Terminal gescannt und direkt zum Zeitpunkt der Medikamentenabgabe bedruckt und abgezeichnet werden. Ein Apotheker steht während des gesamten Vorgangs – in der Regel via Bildschirm – für die Patienten zur Verfügung. Diejenigen Mängel, die das Bundesverwaltungsgericht seinerzeit gesehen hatte (siehe DAZ 2010, Nr. 36, S. 58), sieht man bei Rowa behoben. So werde den erforderlichen Dokumentationspflichten nunmehr über eine elektronische Signatur genügt. Dies sei ein "sauberer Prozess", versicherte der Apotheker Wiegland. Die Dokumentationssicherheit werde gewährleistet, ebenso eine eindeutige Zuordnung zum Apotheker.

Neue Chance? In Rheinland-Pfalz ist nun ein Modellprojekt mit dem Arzneimittel-Abgabeautomaten Visavia gestartet. Foto: Rowa

Direkte Arbeitsverträge zwischen Apothekern

Weiterhin hatte das Bundesverwaltungsgericht im Betrieb des Visavia-Automaten einen Verstoß gegen die Pflicht des Apothekenleiters zur persönlichen Leitung der Apotheke in eigener Verantwortung gesehen. Denn die Beratung am Terminal übernahm ein Apotheker, der Angestellter einer eigens hierfür geschaffenen Kapitalgesellschaft war. Nun sind es die vier Apotheker des Modellprojektes, die füreinander einspringen. Es bestehen direkte Arbeitsverträge zwischen den verschiedenen Apothekenleitern, erläuterte Wiegland der DAZ. So wird ein Apothekenleiter zum Angestellten des anderen – beispielsweise steht der Apotheker aus Haßloch Kunden am Dauner Terminal beratend zu Seite. Für den Fall der Fälle, dass ein Kunde dringend eine persönliche Beratung außerhalb der Öffnungszeiten wünscht, wird zudem sichergestellt, dass der Leiter besagter Apotheke bzw. sein approbiertes Personal hinzugezogen werden kann. Bei Rowa glaubt man zwar nicht, dass dies große praktische Relevanz haben wird – in den Jahren des Testbetriebs von 2006 bis 2010 sei danach nie verlangt worden. Doch die Möglichkeit, dass bei Bedarf die Präsenz eines Apothekers gesichert ist, soll bestehen.

Nach der nun angelaufenen ersten Projektphase im Tagesbetrieb sollen die Betriebszeiten des Terminals im September in einer zweiten Phase auf die Zeiten Montag bis Samstag von 6.00 Uhr bis 22.00 Uhr ausgedehnt werden. Nach Projektende im Herbst 2013 soll über das weitere Vorgehen entschieden werden. Sowohl bei Rowa als auch im Ministerium ist man überzeugt, dass die Änderungen im Betriebsablauf im Zweifel auch vor den Gerichten Bestand haben werden. Man habe alles rechtlich prüfen lassen.

Seit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts hatte Rowa in Deutschland nicht allzu viel Erfolg mit Visavia. Wiegland zufolge gibt es derzeit bundesweit rund 30 Apotheken, die das Terminal in Betrieb haben. Es werde in erster Linie als Abgabeterminal für in der Apotheke aufgegebene Vorbestellungen sowie für Nicht-Arzneimittel verwendet.

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