Arzneimittel und Therapie

Potenzial supportiver und palliativer Therapien nutzen

Neues vom ASCO 2012

Der diesjährige amerikanische Krebskongress ASCO befasste sich auch mit Studien zur Supportiv- und Palliativmedizin. Auf einer von der Deutschen Krebsgesellschaft und kooperierenden Gesellschaften organisierten Veranstaltung am 22. Juni 2012 in Frankfurt wurden wichtige Studien zur Palliativ- und Supportivmedizin referiert und kommentiert.

Seitdem erste Studien einen Benefit der frühen Integration palliativmedizinischer Maßnahmen in das onkologische Betreuungskonzept gezeigt haben, gewinnt die frühzeitige palliative Betreuung an Bedeutung. So wurden auch auf dem diesjährigen ASCO in Chicago mehrere Arbeiten zu diesem Thema vorgestellt. Ein Abstract fasste die Ergebnisse einer randomisierten Studie zusammen, in der die Effekte einer früh eingeleiteten palliativen Betreuung gegen die Resultate einer späten palliativen Versorgung im Hinblick auf Lebensqualität, Symptomkontrolle und Zufriedenheit ermittelt wurden. Dabei zeigte sich, dass eine frühe palliative Betreuung die Zufriedenheit der Patienten sehr rasch verbesserte; die im Vergleich zu der Kontrollgruppe höhere Lebensqualität und bessere Symptomkontrolle setzte dagegen verzögert ein (Abstract 9003).

Eine weitere Studie zu diesem Thema befasste sich mit den Kosten, die bei einer frühen palliativen Betreuung anfallen. Die Grundlage der Kostenanalyse war eine vorausgegangene Studie, in der gezeigt worden war, dass eine frühe palliative Betreuung von Lungenkrebspatienten deren Lebensqualität, Stimmungslage und Überleben verbessert hatte. Der Vergleich der Kosten, die im letzten Lebensmonat pro Patient entstanden waren, sprach auch hier zugunsten der frühen palliativen Betreuung, da bei dieser Versorgung Kosten von etwa 2000 US-Dollar pro Patient eingespart wurden (Abstract 6004).

Prof. Dr. Norbert Frickhofen, Wiesbaden, der diese Studien vorstellte, forderte eine Integration der frühen palliativen Betreuung in die Versorgungskonzepte für schwerkranke Patienten. Dies kann etwa durch den vermehrten Einsatz von SAPV-Teams (SAPV = spezialisierte ambulante Palliativversorgung) und anderer geschulter Fachkräfte erfolgen. Vorteile dieser frühen Versorgung sieht Frickhofen in einer optimierten Information, in der interdisziplinären Betreuung und im Einbau von Routinen.

Interventionen bei Fatigue

Die Fatigue gehört mit Prävalenzraten zwischen 59 und 96% zu den häufigsten persistierenden Nebenwirkungen einer Tumortherapie. Neben moderatem körperlichem Training und psychologischer Hilfe – beides Maßnahmen mit einem gewissen mäßigen Effekt – sucht man auch nach medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten. In einer auf dem ASCO vorgestellten Studie wurde der Einfluss von Vitamin D bei Frauen unter einer postmenopausalen Letrozol-Therapie untersucht. Der Anlass dieser Untersuchung waren muskuloskeletale Probleme sowie Fatigue,

die häufig unter der Einnahme des Aromatase-Hemmers auftreten. Die Zufuhr von Vitamin D führte nicht nur zu einer Abnahme muskuloskeletaler Beschwerden, sondern auch zu einer Linderung der Fatigue (Abstract 9000). Ob die Reduktion dieser Nebenwirkungen zu einer verringerten Abbruchrate der anti-hormonellen Therapie führt, bleibt Priv.-Doz. Dr. Jens Ulrich Rüffer, Köln, zufolge abzuwarten.

In einer weiteren Studie wurde die Wirkung von amerikanischem Ginseng (Panax quinquefolius) bei tumorassoziierter Fatigue untersucht. Die Probanden, vorwiegend Brustkrebspatientinnen unter einer Tamoxifen-Therapie erhielten entweder täglich zwei Gramm amerikanischen Ginseng oder ein Placebo. Nach acht Wochen waren die generalisierten und körperlichen Aspekte der chronischen Fatigue unter der Ginseng-Therapie weniger stark ausgeprägt als nach der Placebogabe; Toxizitäten nach der Ginseng-Einnahme wurden nicht beobachtet (Abstract 9001). Ob sich diese Effekte auch durch die Einnahme anderer Ginseng-Arten einstellen, bleibt abzuwarten. Dasselbe gilt für die Hoffnung, dass dank einer Ginseng-Einnahme weniger anti-hormonelle Therapien abgebrochen werden, so Priv.-Doz. Dr. Jens Ulrich Rüffer, Köln. Geklärt werden müssen ferner die phytoestrogenen Eigenschaften von Ginseng sowie mögliche Interaktionen.


Duloxetin bei chemotherapieinduzierten Polyneuropathien?

Mehrere Zytostatika rufen Polyneuropathien hervor, die dosislimitierend sein können und in ein chronisches Stadium übergehen. In einer Studie wurde untersucht, ob Duloxetin, das unter anderem bei der diabetischen Polyneuropathie eingesetzt wird, diese Beschwerden lindern kann. Die Probanden, die sich einer Chemotherapie mit Oxaliplatin oder Taxanen unterzogen hatten, erhielten entweder Duloxetin oder ein Placebo. Unter der Verum-Therapie kam es zu einer signifikanten Verringerung der Schmerzintensität und zu einem Anstieg der Lebensqualität; die Nebenwirkungen waren moderat (Abstract CRA9013). Wie Prof. Dr. Hans Helge Bartsch, Freiburg, zusammenfasste, wurde der Benefit einer Duloxetin-Gabe nur für Taxan- und Platin-haltige Therapieregime gezeigt, so dass die derzeitige Praxis zur Therapie der chemotherapieinduzierten Polyneuropathie wie z. B. die Gabe von Pregabalin noch nicht geändert werden sollte.

Spezialisierte ambulante Palliativversorgung In die Versorgungskonzepte für schwerkranke Patienten sollte eine palliative Betreuung früh integriert werden. Geschulte Fachkräftekönnen optimiert informieren sowie den Alltag durch eine interdisziplinäre Betreuung undden Einbau von Routinen erleichtern.

Hohes Brustkrebsrisiko nach Strahlentherapie im Kindesalter

Kinder und Jugendliche, die aufgrund einer Tumorerkrankung strahlentherapeutisch behandelt wurden, haben als Erwachsene ein erhöhtes Risiko für ein Zweitmalignom. Eine Arbeitsgruppe untersuchte nun genauer, wie hoch das Mammakarzinomrisiko nach einer Brustbestrahlung aufgrund eines Hodgkin Lymphoms oder anderer Krebserkrankungen ist. Von mehr als 1200 Frauen, die zwischen 1970 und 1986 bestrahlt worden waren, hatten 20,8% im medianen Alter von 38 Jahren ein Mammakarzinom entwickelt. Dieses Risiko stieg mit höherem Alter noch an und ist bei ehemaligen Morbus-Hodgkin-Patientinnen vergleichbar mit dem Risiko für Trägerinnen einer BRCA-1-Genmutation. Bei Frauen, deren Brust im Kindesalter aufgrund einer anderen Krebserkrankung bestrahlt worden war, ist das Brustkrebsrisiko vergleichbar mit dem Risiko für Trägerinnen einer BRCA-2-Genmutation (Abstract CRA9513). Daraus folgt, dass Frauen, die als Kinder oder Jugendliche bestrahlt worden waren, sehr engmaschig kontrolliert werden sollten, so Prof. Dr. Hartmut Link, Kaiserslautern.


Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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