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BPI: Die Versorgung ist gefährdet

Pharmaverband wünscht Nachjustierungen und will am Image der Branche arbeiten

BERLIN (ks). Die pharmazeutische Industrie hatte sich von einer schwarz-gelben Regierungskoalition sicherlich mehr versprochen – doch die Arzneimittelpolitik liberaler Gesundheitsminister sorgt für Unruhe in der Branche. Hinzu kommt die europäische Wirtschaftskrise, die ebenfalls nicht spurlos an den Unternehmen vorbeigeht. Der Vorsitzende des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI), Dr. Bernd Wegener, appelliert daher dringend an den Gesetzgeber, im Arzneimittelbereich nachzubessern.
Neues BPI-Magazin – ein "vielschichtiges Branchenporträt, das mit typischen Vorurteilen aufräumt, aber auch kritische Aspekte nennt".

Anlässlich der BPI-Jahreshauptversammlung am 12. Juni in Berlin warnte Wegener vor Versorgungsproblemen mit innovativen Arzneimitteln, sollte der Gesetzgeber nicht handeln. Auch ein Stellenabbau in mittelständischen und kleinen pharmazeutischen Unternehmen sei dann nicht auszuschließen.

Vertrauliche Rabatte – auch für die Kassen von Nutzen

Eine der dringlichen Forderungen der Industrie ist, die Erstattungspreise vertraulich zu halten. Dies müsse gesetzlich verankert werden – am besten im Rahmen der 16. AMG-Novelle. Angesichts der vielen Länder, die auf den deutschen Preis referenzieren, würde die Veröffentlichung in Deutschland verhandelter Rabatte eine internationale Hebelwirkung entwickeln, mahnte Wegener. Damit minimierten sich die Verhandlungsspielräume für den nationalen Markt. Am Ende schade sich die gesetzliche Krankenversicherung auf diese Weise selbst – und ihren Versicherten: Schließlich könnten Unternehmen, die keine weltweite Preisreduzierung fürchten müssen, den Kassen einen höheren Rabatt anbieten. Zugleich machte der BPI-Vorsitzende deutlich, dass "vertraulich" nicht "geheim" bedeute: Alle Institutionen, die in Deutschland gesetzliche Aufgaben wahrnehmen, bei denen sie den Erstattungsbetrag kennen müssen, sollen diesen auch kennen.

Vergleichstherapie: mehr Verlässlichkeit nötig

Weiterhin ist es dem BPI ein Anliegen, bei der frühen Nutzenbewertung Klarheit und Verlässlichkeit in die Auswahl der zweckmäßigen Vergleichstherapie zu bringen. Derzeit erlebten Unternehmen bei der vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) festzulegenden Vergleichstherapie immer wieder "böse Überraschungen". Es sei ihnen nicht möglich, einen Komparator zu wählen, ohne zuvor eine (kostenpflichtige!) Beratung durch den G-BA in Anspruch zu nehmen. Und wenn sie einen wählen, der von dem des G-BA abweicht, so sei dies gut zu begründen. Dies sei umso schwerer, als dass den G-BA seinerseits keine Begründungspflicht für seine Wahl treffe. Wegener missfällt zudem, dass bereits bei der Bestimmung der Vergleichstherapie eine Verknüpfung von Kosten und Bewertungsgrundlagen geschaffen werde. Dies sei "nicht zielführend" und biete den gesetzlichen Kassen einen starken Anreiz, die zweckmäßige Vergleichstherapie vorrangig nach Kostenaspekten festzulegen. Die jetzige Praxis, so Wegener, führe dazu, dass immer mehr innovative Arzneimittel deutschen Patienten nicht zur Verfügung stehen. Bestätigung für diese Einschätzung geben ihm die bereits erfolgten Marktrücknahmen einiger Hersteller neuer Arzneimittel.

Keine Rechtfertigung für erhöhte Zwangsrabatte

Überdies forderte Wegener die Regierungskoalition erneut auf, zu begründen, warum das Preismoratorium und die erhöhten Zwangsabschläge noch immer Bestand hätten. "Sie wurden in einer Zeit eingeführt, als wir mit elf Milliarden Euro Defizit bei den Krankenkassen rechneten, jetzt haben wir 20 Milliarden Überschuss. Hier muss der Minister endlich die Berechnungsgrundlagen offenlegen", forderte der BPI-Vorsitzende.

Arbeit am Image der Branche

Ebenfalls ein Thema für den BPI ist das nach wie vor wenig schmeichelhafte Image der Pharmaindustrie. Dieses führe dazu, dass gesetzgeberische Maßnahmen gegen die Branche für gute Schlagzeilen sorgen – und damit möglicherweise auch für Wählerstimmen, beklagt Wegener. Der BPI hat sich daher auf die Fahne geschrieben, am Ruf der Pharmaindustrie zu arbeiten. Wegener räumte ein, dass die Unternehmen ihre Mitschuld an der Situation haben: "Fälle von überhöhten Preisen, Fälle von Betrug, all das hat uns in den letzten 20 Jahren sicherlich nicht gerade ein besseres Image verschafft." Es müsse aber auch klar sein, dass es sich um Ausnahmen handelte, nicht um den Standard der pharmazeutischen Industrie. Damit dies auch in der Öffentlichkeit ankommt, hat sich der BPI mit der Redaktion des Magazins "brand eins Wissen" zusammengetan. Die Idee war, die Branche unvoreingenommen, journalistisch unabhängig unter die Lupe zu nehmen. Dazu hat das Redaktionsteam mehrere Monate lang Informationen recherchiert, Betriebe und Institutionen besucht und vor Ort mit Verantwortlichen gesprochen. Nun ist die Publikation mit dem Titel "Hilfe! Zwischen Krankheit, Versorgung und Geschäft" erschienen – aus Sicht des BP ein "vielschichtiges Branchenporträt, das mit typischen Vorurteilen aufräumt, aber auch kritische Aspekte nennt". Das Magazin "Hilfe! Zwischen Krankheit, Versorgung und Geschäft" steht als pdf-Dokument unter www.bpi.de zum Download bereit.



DAZ 2012, Nr. 25, S. 35

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