Fortbildung

Schlechte Prognose und miserable Lebensqualität

Therapie der chronischen Herzinsuffizienz

Die Herzinsuffizienz ist in Deutschland die häufigste Ursache für eine Krankenhauseinweisung, sie schränkt die Lebensqualität der Betroffenen massiv ein und hat eine ausgesprochen schlechte Prognose: Die Fünfjahresüberlebensrate beträgt nur ca. 50%. Ein Wert, der mit vielen malignen Erkrankungen vergleichbar ist, so Prof. Dr. Norbert Frey, Kiel. Durch die demografische Entwicklung werde sich das in den kommenden Jahren auch nicht ändern.
Norbert Frey Foto: DAZ/wes

"Die Herzinsuffizienz ist eine Erkrankung der Älteren", so Frey. Über Achtzigjährige hätten ein Risiko von mehr als 20%, an einer Herzinsuffizienz zu erkranken.

Nach der Klassifikation der New York Heart Association NYHA wird die Herzinsuffizienz nach der Beeinträchtigung der Patienten klinisch in vier Stadien eingeteilt werden. Im Stadium I zeigen die Patienten noch praktisch keine Symptome, im Stadium IV haben sie schon in Ruhe und bei allen körperlichen Aktivitäten Beschwerden.

Die in der Tabelle gezeigte Stufentherapie der Herzinsuffizienz nach den aktuellen Leitlinien konnte die Lebenserwartung der Patienten deutlich verbessern. Dabei korreliert in allen Stadien die Compliance direkt mit der Lebenserwartung.

ACE-Hemmer beziehungsweise die AT 1 -Hemmer (Sartane), welche beide in das Renin-Angiotensin-System (RAS) eingreifen, senken die Mortalität gegenüber einer Placebobehandlung um rund ein Drittel.

Betablocker senken – in Kombination mit ACE-Hemmern bzw. Sartanen – die Mortalität um ein weiteres Drittel. Gleichzeitig heben sie die Lebensqualität der Patienten deutlich. Frey betonte, dass die Wirkung der Betablocker hauptsächlich auf der Senkung der Herzfrequenz beruhe, es solle eine Ruhefrequenz von unter 70 Schlägen in der Minute angestrebt werden. Es gebe einen direkten Zusammenhang zwischen der Herzfrequenz und der Lebenserwartung von Herzinsuffizienzpatienten.

Aldosteronantagonisten wie Spironolacton in geringer Dosis senken die Mortalität um weitere 30%. Problematisch ist dabei das Risiko einer Hyperkaliämie, wie sich eindrucksvoll zeigte, als in Kanada mit der Einführung von Aldosteronantagonisten in die Therapie der Herzinsuffizienz die Zahl der notfallmäßigen Einweisung wegen Hyperkaliämie deutlich anstieg.

Digitalisglykoside und Schleifendiuretika bewirken keine signifikante Verbesserung der Mortalität, senken aber die Hospitalisierungsrate beziehungsweise verbessern die Symptomatik und damit die Lebensqualität.

Bei einer Herzinsuffizienz des Stadium IV stehen zur Erweiterung der Therapie nur noch nicht-pharmakologische Optionen zur Verfügung. Neben der Transplantation, die aber vor allem aus "Organmangel" weltweit jährlich nur rund 4000-mal durchgeführt wird, stehen sogenannte linksventrikuläre Assist-Systeme (LVAS) zur Verfügung.


Stufenschema der Therapie bei Herzinsuffizienz.

NYHA I
NYHA II
NYHA III
NYHA IV
Transplantation
Aldosteron-
Antagonisten
Herzglykoside
Beta-Blocker
Diuretika
ACE-Hemmer (oder Sartane)
nicht-medikamentös/Behandlung der zugrundeliegenden Erkrankungen (Myokardinfarkt, KHK, Hypertonie, Diabetes …)

Innovative Therapieansätze

Der relativ neue Wirkstoff Ivabradin, der Ionenkanäle am Sinusknoten blockiert, senkt die Herzfrequenz, ohne die Muskelkraft des Herzens zu beeinflussen. Es konnte gezeigt werden, dass Ivabradin in Kombination mit ACE-Hemmern und Diuretika die Herzfrequenz von durchschnittlich 75 Schlägen auf 65 Schläge pro Minute senken konnte. Korreliert war dieses Ergebnis mit signifikant weniger Krankenhauseinweisungen. Ivabradin ist seit Februar diesen Jahres zur Behandlung der chronischen Herzinsuffizienz zugelassen.

Omecamtiv ist der erste Vertreter der neuen Wirkstoffklasse der Myosin-Aktivatoren. Diese wirken positiv inotrop, verbessern also die Schlagkraft des Herzens. Das Auswurfvolumen wird erhöht, die Auswurfzeit verlängert, das Restvolumen, das in der Herzkammer verbleibt, wird gesenkt. Im Gegensatz zu anderen positiv inotropen Substanzen wird jedoch durch Omecamtiv der Sauerstoffbedarf des Herzmuskels nicht erhöht.

Eine Herzinsuffizienz geht oft mit einer Anämie einher, die die Lebenserwartung deutlich senkt. Obwohl eine Behandlung mit Darbepoetin auch bei Herzinsuffizienz-Patienten den Hämoglobin-Spiegel anhob, änderte sich die Anzahl von Myokardinfarkten oder Schlaganfällen nicht. Eisen-(III)-Carboxymaltose (Ferrinject®) verbesserte bei Patienten mit leichter Anämie die Luftnot.

Häufig ist eine Herzinsuffizienz auch mit einer Niereninsuffizienz assoziiert. Allerdings zeigten weder Nesiritid (rekombinantes humanes natriuretisches Peptid) noch Tolvaptan (Inhibitor des antidiuretischen Hormons, Antagonist des Arginin-Vasopressin-Rezeptors 2) eine der Placebotherapie überlegene Wirksamkeit. Nesiritid wurde 2011 wieder vom Markt genommen, Tolvaptan ist zur Behandlung der Hyponatriämie zugelassen.

Therapieansätze mit Knochenmarksstammzellen, die per Katheter in das Myokard eingebracht wurden, um dort neue Muskelzellen zu bilden, zeigten nahezu keine Effekte.


Diastolische Herzinsuffizienz


Die sogenannte diastolische Herzinsuffizienz kommt sehr viel seltener als die "normale" systolische Herzinsuffizienz vor. Bei ihr ist das Herz nicht vergrößert, auch die Muskelkraft des Myokards ist nicht verringert. Der diastolischen Herzinsuffizienz liegt eine Störung der Relaxation des Herzens zugrunde. Dadurch staut sich das Blut vor dem Herzen, weil zur Kammerbefüllung ein viel höherer Druck benötigt wird. Die Prävalenz der diastolischen Herzinsuffizienz steigt seit einigen Jahren an. Die Prognose ist für Patienten mit diastolischer wie mit systolischer Herzinsuffizienz ähnlich schlecht, allerdings gibt es für die diastolische keine wirklich die Lebenserwartung verbessernde Pharmakotherapie. So zeigen beispielsweise die Sartane keine der Placebobehandlung überlegene Wirkung bei der diastolischen Herzinsuffizienz.

Gentherapie

Bei der Herzinsuffizienz können ausgeprägte und spezifische Fehlregulationen der microRNAs im Herzmuskel festgestellt werden. MicroRNAs, sehr kurze einzelsträngige RNA-Moleküle, sind wichtige Regulatoren der Genexpression, unter anderem durch Steuerung des mRNA-Abbaus.

Die bei Herzinsuffizienz spezifisch auftretenden microRNAs können durch komplementäre künstliche RNA-Moleküle (antisense RNA), sogenannte Antagomirs, gebunden und so inaktiviert werden. Ein anderer Ansatz ist, künstliche microRNA (sogenannte miRNA-Mimetics) einzuschleusen, um die Expression bestimmter Proteine zu beeinflussen.


wes



DAZ 2012, Nr. 24, S. 47

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