Arzneimittel und Therapie

Erhöhtes Blasenkrebsrisiko unter Pioglitazon

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Verdacht gegen das orale Antidiabetikum bestätigt

Die aktuelle Auswertung der britischen General Practice Research Database (GPRD) zum Blasenkrebsrisiko unter einer Therapie mit Pioglitazon wird sicherlich erneut für Diskussionen sorgen. Bereits seit längerem steht das Antidiabetikum im Verdacht, die Entstehung von Blasenkrebs deutlich zu begünstigen. Frühere Studien hatten zu unterschiedlichen Entscheidungen einzelner Arzneibehörden geführt, die später zum Teil auch wieder rückgängig gemacht wurden. In Deutschland sind Pioglitazon-haltige Arzneimittel bei strenger Indikationsstellung weiter als Reservemedikament zugelassen.

In Deutschland wurde der selektive PPARγ-Agonist Pioglitazon (Actos®) im Jahr 2000 zur Therapie des Typ-2-Diabetes eingeführt. Zwischenzeitlich sind drei Präparate des Herstellers Takeda [Pioglitazon (Actos®); Pioglitazon + Glimepirid (Tandemact®); Pioglitazon + Metformin (Competact®)] verfügbar. Bereits in der Studie zur Zulassung war ein um das Zweieinhalbfache erhöhte Risiko für Blasenkrebs nachgewiesen worden. Nach weiteren Studien, die allerdings uneinheitliche Ergebnisse zeigten, begann die amerikanische Food and Drug Administration (FDA) Ende 2010, die Sicherheit Pioglitazon-haltiger Arzneimittel zu überprüfen. Obwohl die Auswertung einen Anstieg des Blasenkrebsrisikos um 40% ergab, der allerdings erst nach zwei Jahren Therapiezeit signifikant war, wurde schließlich Mitte letzten Jahres lediglich ein Warnhinweis ausgesprochen. Das BfArM riet zunächst von einer Therapie neuer Patienten mit dem Antidiabetikum ab, Pioglitazon-haltige Arzneimittel sind aber bei strenger Indikationsstellung weiter als Reservemedikament zugelassen. Seit April 2011 ist Pioglitazon nicht mehr zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähig. In Frankreich hingegen ist Pioglitazon nach einer großen Kohortenstudie, die ein deutlich erhöhtes Blasenkrebsrisiko zeigte, verboten.

Risiko abhängig von Therapiedauer und Gesamtdosis

Eine Auswertung der Patientendaten der britischen GPRD (General Practice Research Database) bestätigt jetzt die bislang erhaltenen Ergebnisse. Es besteht ein eindeutiger Zusammenhang zwischen einem Blasenkrebsrisiko und einer Medikation mit Pioglitazon-haltigen Antidiabetika, wobei das Risiko von der Therapiedauer und der Gesamtdosis abhängig ist. Die britische Datensammlung enthält die Patientendaten von rund zehn Millionen Patienten. Danach erkrankten in den Jahren 1988 bis 2009 unter den mehr als 115.000 Patienten, die mit Antidiabetika behandelt wurden, durchschnittlich nach 4,6 Jahren 470 an Blasenkrebs. Die medikamentöse Therapie wurde mit der von jeweils zehn Kontrollen verglichen.

Signifikant wurde das Blasenkrebsrisiko erst bei einer Behandlungsdauer von 24 Monaten und einer Einnahme einer kumulativen Gesamtdosis von über 28.000 mg Pioglitazon. Bei einer geringeren Einnahme ließ sich hingegen nur ein Trend nachweisen. Das absolute Risiko ist zwar gering, da Blasenkrebs eine eher seltene Krankheit ist. Dennoch kommt es nach Angaben der Autoren zu 88 zusätzlichen Blasenkrebsfällen auf 100.000 Anwenderjahre bei einer Behandlung von 24 Monaten und zu zusätzlich 137 Blasenkrebsfällen auf 100.000 Anwenderjahre bei einer kumulativen Gesamtdosis von mehr als 28.000 mg Pioglitazon.

Im Übrigen ist ein erhöhtes Blasenkrebsrisiko offensichtlich kein gruppenspezifisches Merkmal der Glitazone, denn für Rosiglitazon konnte kein erhöhtes Blasenkrebsrisiko nachgewiesen werden. Als Pioglitazon-spezifische Ursache wird eine Kristallbildung im Harn diskutiert.


Quelle

Azoulay, L. et al.: The use of pioglitazone and the risk of bladder cancer in people with type 2 diabetes: nested case-control study. Br. Med. J. 2012; 344:e3645.

Pioglitazon (Actos® , Competact® , Tandemact®): Leitfaden für die Verordnung und das Risikomanagement. Aktualisierung vom 30. März 2012, www.bfarm.de

Kusnick, C.: Erhöhtes Blasenkrebsrisiko. Negatives Nutzen-Risiko-Verhältnis von Pioglitazon. DAZ 2011; 24:33 – 34.


Dr. Hans-Peter Hanssen



DAZ 2012, Nr. 24, S. 35

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