Fortbildung

Erbanlagen beeinflussen die Wirkung von Arzneimitteln

Genetische Polymorphismen berücksichtigen

Die genetische Ausstattung eines Patienten bestimmt nicht nur seine Empfänglichkeit für bestimmte Erkrankungen, sondern auch die Wirkung eines applizierten Arzneimittels, das heißt, sie nimmt darauf Einfluss, ob ein Medikament hilft oder nicht. Welche Rolle die Pharmakogenomik bereits heute spielt und wie ihre zukünftige Entwicklung aussehen kann, erläuterte Prof. Dr. Matthias Schwab, Stuttgart.
Matthias Schwab Foto: DAZ/pj

In der Praxis gibt es keine ideale Beziehung zwischen der Dosis eines Arzneimittels und dessen Ansprechen. So kommt die gewünschte Wirkung nur in 60 bis 80% aller Fälle zustande und unerwünschte Wirkungen können in stärkerem Ausmaß als erwartet auftreten. Ein Grund hierfür liegt in der genetischen Ausstattung des Patienten bzw. in dem Auftreten genetischer Polymorphismen. Für eine sinnvolle Pharmakotherapie sollte demnach im Vorfeld erkannt werden, welche Patientenpopulation von einer Therapie profitiert, ohne dabei schwere Nebenwirkungen zu erfahren. Dieser Aufgabe stellt sich die Pharmakogenomik. Mit ihrer Hilfe soll eine individualisierte Arzneimitteltherapie entwickelt werden, bei der der Patient das für seinen Genotyp maßgeschneiderte Medikament in der richtigen Dosierung erhält.

Pharmakogenomik in der Praxis

Das Berücksichtigen pharmakogenomischer Besonderheiten hat bereits Einzug in die praktische Arzneimitteltherapie genommen. So wurde von der FDA eine Tabelle mit mehr als 70 Arzneimitteln publiziert, für die pharmakogenomische Informationen vorliegen. Im Einzelfall kann diese Information Aufschluss darüber geben, ob ein genetischer Test vor der Therapie erforderlich ist, empfohlen wird oder ob er eine zusätzliche Information für Risikopatienten darstellt.

Ein Beispiel für eine individuelle Dosisfindung ist Warfarin, dessen Wirksamkeit ebenfalls durch Genvarianten beeinflusst wird. Diese Varianten werden neben weiteren Parametern bei der Dosierung berücksichtigt (www.warfarinDosing.org).

Schwab hob hervor, dass die Umsetzung des pharmakogenomischen Wissens in die klinische Pharmazie sehr komplex ist. Neben genetischen Faktoren und klinischen Parametern spielen unter anderem auch epigenetische Faktoren, das Metabolom (das Metabolom fasst alle charakteristischen Stoffwechsel-Eigenschaften einer Zelle bzw. eines Gewebes oder Organismus zusammen) sowie die Zeit eine wichtige Rolle.

Tamoxifengabe: Testung ja oder nein?

Hohe Wogen schlägt derzeit die Diskussion um eine Testung vor der Gabe von Tamoxifen zur endokrinen Therapie postmenopausaler Brustkrebspatientinnen. Tamoxifen ist ein Prodrug und wird über Cytochrom P450 CYP2D6 in seine wirksame Form Endoxifen umgewandelt. Dieses Enzym weist eine hohe genetische Variabilität auf, was dazu führt, dass Tamoxifen unterschiedlich stark oder gar nicht in seine aktive Form umgewandelt wird. Eine 2009 publizierte Studie sah einen Zusammenhang zwischen der Häufigkeit von Rückfällen in Abhängigkeit des CYP2D6-Polymorphismus, eine 2012 veröffentlichte Studie sah keinen Zusammenhang. Wie erklärt man sich diese unterschiedlichen Ergebnisse? Möglicherweise liegt es daran, dass für die Untersuchungen unterschiedliche DNA (DNA des Tumors oder DNA der Patientin) verwendet wurden. Die Diskussion über die Ursachen der divergierenden Studienergebnisse wird derzeit geführt und es bleibt abzuwarten, wie dann die Empfehlungen – Testung vor Tamoxifen-Gabe: ja oder nein – aussehen werden.


pj



DAZ 2012, Nr. 24, S. 59

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