Arzneimittel und Therapie

Therapie der Mukoviszidose: Inhalation mit Mannitol verbessert die Lungenfunktion

Foto John ThysReportersSPLAgentur Focus
Therapien, die die Abnahme der Lungenfunktion bei Mukoviszidose-Patienten hinauszögern, haben ganz wesentlich zu einem Anstieg der Lebenserwartung der Betroffenen geführt. Ein neuer Baustein im Bereich der Sekretolyse ist inhalatives Mannitol (Bronchitol®), das die Lungen-Clearance verbessert und ergänzend zur Standardtherapie eingesetzt werden kann.

Ein wichtiges Ziel der Mukoviszidosetherapie ist der Schutz und Erhalt der Lungenfunktion, die krankheitsbedingt stetig abnimmt. Die Ursache hierfür liegt in einem genetisch bedingten gestörten Ionentransport in der epithelialen Zellmembran, was zu einer Verminderung des periziliären Flüssigkeitsfilms führt. In der Folge können sich die Zilien nicht mehr effektiv bewegen und der zähe Schleim kann nicht mehr abtransportiert werden. Der natürliche Reinigungsprozess der Atemwege ist beeinträchtigt, zudem ist zäher Schleim ein Nährboden für bakterielle Entzündungen. Die Entzündung führt wiederum zur Gewebedestruktion und zum Umbau des Lungengewebes. Um diesen Prozess zu verlangsamen, muss die pulmonale Sekretolyse gesteigert werden. Wie Prof. Dr. Helge Hebestreit vom Uniklinikum Würzburg bei einer von der Firma Pharmaxis organisierten Pressekonferenz am 23. Mai 2012 in Tübingen erläuterte, stehen hierfür mehrere Möglichkeiten zur Verfügung: Durch die Inhalation mit hypertoner NaCl-Lösung wird die Viskosität des Schleims vermindert und die Lungenfunktion verbessert. Dornase alfa (rhDNase; Pulmozyme®) spaltet die DNA der Abwehrzellen und führt so zu einer Verflüssigung des Sekrets, ist aber nur bei Vorliegen einer Entzündung wirksam. Neu im Repertoire der sekretolytisch wirksamen Substanzen ist sprühgetrocknetes Mannitol, das als Trockenpulver inhaliert wird und einen ähnlichen Wirkmechanismus wie hypertone NaCl-Lösung aufweist.


Fakten zur Mukoviszidose


  • Häufigste letale genetisch bedingte, autosomal-rezessiv vererbte Stoffwechselerkrankung, die Inzidenz beträgt in Europa und Nordamerika 1:2500 bis 1:1600. Weltweit sind rund 100.000 Patienten, in Deutschland 8362 betroffen, die Hälfte der Erkrankten ist bereits erwachsen.

  • Die mittlere Lebenserwartung lag 1980 etwa bei 18 Jahren, heute sind es 43 Jahre.
  • Die Erkrankung betrifft viele Organe, insbesondere Lunge, Pankreas, Magen und Darm; bakterielle Lungeninfektionen bestimmen den Krankheitsverlauf.

  • Die Erkrankung ist derzeit nicht heilbar. Verschiedene Therapien ermöglichen eine bessere Lebensqualität und eine höhere Lebenserwartung, so dass heute bereits 90% der Betroffenen das Erwachsenenalter erreichen.

Inhalatives Mannitol

Der Zuckeralkohol Mannitol führt über osmotische Vorgänge zu einer Rehydrierung des auf den Epithelzellen aufliegenden Flüssigkeitsfilms. Ferner werden Wasserstoffbrücken im Schleim aufgebrochen. Dies führt zu einem verbesserten Schleimtransport. Zusätzlich zeigen sich positive Effekte auf die Schlagfrequenz der Zilien. Der produktive Husten fördert die Lungenclearance. Mannitol unterstützt also den natürlichen Reinigungsmechanismus der Lunge. Um diese Effekte zu erzielen und eine effiziente Lungendeposition zu gewährleisten, muss das kristallin vorliegende Mannitol in kugelige Mikropartikel mit einem Durchmesser von ca. 3 µm überführt werden, was über ein spezielles Sprühtrocknungsverfahren erfolgt. Die Trockeninhalation erfolgt mithilfe eines Trockenpulverinhalators. Das so gewonnene Pulver wurde in zwei Zulassungsstudien eingesetzt, die in einer Metaanalyse ausgewertet wurden.


Zwei Zulassungsstudien

In zwei randomisierten, multizentrischen, doppelblinden und kontrollierten Studien zur Wirksamkeit und Verträglichkeit von Bronchitol® (CF 301 und CF 302) nahmen 341 erwachsene Mukoviszidose-Patienten teil. Vor Studienbeginn absolvierten alle Probanden einen Initialdosis-Test, um eine bronchiale Hyperreaktivität auf inhalatives Mannitol zu testen. In der Doppelblind-Phase während 26 Wochen inhalierten Probanden der Verum-Gruppe zweimal täglich 400 mg Mannitol, die Teilnehmer der Kontroll-Gruppe eine subtherapeutische Dosis von 50 mg Mannitol (eine reine Placebo-Inhalation war aufgrund des Mannitol-Eigengeschmacks nicht möglich). Die Standardtherapie der einzelnen Studienteilnehmer wurde beibehalten, lediglich Inhalationen mit hypertoner NaCl-Lösung wurden aufgrund ihres ähnlichen Wirkmechanismus abgesetzt. Der primäre Studienendpunkt war die Veränderung des Lungenfunktionswertes FEV1 (Einsekundenkapazität) im Vergleich zur Kontroll-Gruppe nach 26 Wochen. Sekundäre Endpunkte waren die Anzahl pulmonaler Exazerbationen sowie der Einsatz von Antibiotika. In einer anschließenden Open-label-Phase erhielten die Probanden beider Gruppen 400 mg Mannitol zweimal täglich.


Bronchitol®


Bronchitol® (40 mg Hartkapseln mit Pulver zur Inhalation, Hersteller Pharmaxis) ist zugelassen zur Behandlung der Mukoviszidose bei Erwachsenen ab 18 Jahren zusätzlich zur besten Standardtherapie. Die Anwendung erfolgt durch Inhalation mithilfe eines in der Packung enthaltenen Inhalators, der nach einer Woche durch einen neuen ersetzt wird. Die Inhalation sollte morgens und abends erfolgen, wobei die abendliche Dosis zwei bis drei Stunden vor dem Schlafengehen erfolgen sollte. Die Standarddosis beträgt zweimal täglich 400 mg, das heißt zweimal täglich zehn Kapseln.

Die Zulassung durch die EMA erfolgte am 13. April 2012; Bronchitol® ist ab 1. Juni 2012 in Deutschland verfügbar.



In der Verum-Gruppe zeigte sich bereits nach sechs Wochen eine Verbesserung der Lungenfunktion. Während der 26-wöchigen Studiendauer konnte die langfristige Verbesserung der Lungenfunktion mit einer signifikanten Erhöhung des FEV1 um rund 100 ml (p < 0,001) im Vergleich zur Kontroll-Gruppe gezeigt werden. Der Effekt der Therapie blieb über den ganzen Zeitraum (Doppelblind-Phase und Open-label-Phase) hinweg bestehen. Die Probanden, die aus der randomisierten Kontroll-Gruppe in die open-label-Phase wechselten, erzielten ebenfalls eine vergleichbare Verbesserung des FEV1. Ferner konnte gezeigt werden, dass das Risiko der Exazerbation klinisch relevant vermindert wurde. Die unerwünschten Ereignisse waren leicht bis moderat und entsprachen dem Krankheitsbild der Mukoviszidose. Es gab keinen Hinweis auf ein gesteigertes Wachstum von Mikroorganismen im Bronchialraum unter der Therapie mit Mannitol.

Diese Studienergebnisse führen zu folgendem Fazit: Unter der Inhalationstherapie mit Mannitol wird die Lungenfunktion verbessert. In Prozentpunkten ausgedrückt ist der Anstieg der FEV1 mit 3 bis 4% nicht überwältigend, Hebestreit gab aber zu bedenken, dass bereits ein mäßiger Anstieg der Einsekundenkapazität die krankheitsbedingte Abnahme der Lungenfunktion für mehrere Jahre kompensiert, der Benefit liegt also in einem Zeitgewinn. Der sekretolytische Effekt von Mannitol setzt rasch ein und bleibt erhalten. Die Inhalation mit einem Pulverinhalator ist weniger zeitaufwendig wie eine Nassinhalation und kann zu einer verbesserten Compliance beitragen. Mit Mannitol kann ein Zusatznutzen zur Standardtherapie erzielt werden. Allerdings kann diese Therapieform nicht bei allen Mukoviszidosepatienten eingesetzt werden. Es ist bekant, dass Mannitol bei Personen mit überempfindlichen Atemwegen eine Bronchokonstriktion auslösen kann. Deshalb wird inhalatives Mannitol auch als indirekter bronchialer Provokationstest als ein Diagnostikum zur Erkennung von bronchialer Hyperreaktivität angewendet. Vor einer Anwendung bei Mukoviszidosepatienten muss daher abgeklärt werden, ob die Patienten überempfindlich reagieren.


Inhalation mit hypertoner Kochsalzlösung bei Mukoviszidose

Salzwasser-Inhalation bei kleinen Kindern wirkungslos


Die Inhalation hypertoner Kochsalzlösung kann die Mukusclearence unterstützen und bakterielle Entzündungen verhindern. Bei erwachsenen Patienten mit Mukoviszidose können die Beschwerden so gelindert werden. In einer randomisierten klinischen Studie mit Kindern konnte dagegen die Rate der schweren Atemwegsinfektionen durch hypertone Salzlösung nicht gesenkt werden.

Ein Ziel bei der Mukoviszidose-Therapie ist es, die respiratorisch aktive Oberfläche in den Lungen zu erhalten und zu verbessern. Die Inhalation mit hypertoner Kochsalzlösung soll Sekrete lösen und das Abhusten erleichtern. Allerdings müssen die Patienten die Inhalationen mehrmals am Tag wiederholen, was vor allem für Kinder nicht einfach ist. In der Infant Study of Inhaled Saline in Cystic Fibrosis wurde nun untersucht, ob die Inhalationen kleinen Kindern nutzen. 321 Kinder im Alter von 4 bis 60 Monaten wurden auf zweimal tägliche Inhalationen mit einer 7-prozentigen hypertonen oder einer 0,9-prozentigen isotonen Kochsalzlösung randomisiert. Endpunkt war die Zahl der Exazerbationen von Ateminfektionen, die den Einsatz von Antibiotika erforderlich machten. Die Inhalationen wurden von den Kindern zwar gut vertragen. Ein klinischer Vorteil der hypertonen Lösungen war nach 48 Therapiewochen jedoch nicht erkennbar. Es könne zwar nicht ausgeschlossen werden, so die Studienautoren, dass die Inhalationen dem einen oder anderen Kind nutzen, doch sollten sie den Kindern nicht unnötigerweise aufgezwungen werden.


Quelle: Rosenfeld, M.; et al.: Inhaled Hypertonic Saline in Infants and Children Younger Than 6 Years With Cystic Fibrosis. JAMA. 2012;():1-9. doi:10.1001/jama.2012.5214


ck


Quelle

Fachinformation Bronchitol® , Stand Mai 2012.

Bilton D., et al.: Inhaled dry powder mannitol in cystic fibrosis: an efficacy and safety study. Eur Respir J 38, 1071 – 1080 (2011).


Apothekerin Dr. Petra Jungmayr



DAZ 2012, Nr. 23, S. 38

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