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Von Talern und pharmazeutischen Bedenken

Peter Ditzel

Nun ist es amtlich, jedenfalls in Niedersachsen: eine Zugabe von 50 Cent in Form von Talern gehört zu den "geringwertigen Kleinigkeiten" und darf auch für preisgebundene Arzneimittel, also verschreibungspflichtige Arzneimittel gewährt werden. Das Verwaltungsgericht Braunschweig gab mit dieser Entscheidung einem Apotheker Recht, der sich gegen eine Verfügung der Apothekerkammer wehrte, die ihm dies untersagen wollte. 50 Cent pro Arzneimittel auf Rezept als Dankeschön für den Kunden, 1,50 Euro für drei Arzneimittel auf Rezept – keine Frage, das verlockt den einen oder anderen Kunden, seine Rezepte in dieser Apotheke einzulösen.

Motivation dieses Apothekers für die Talerausgabe sind u. a. die ausländischen Versandapotheken, die mit Boni um die Gunst der Kunden werben dürfen – eine Ungleichbehandlung, die den deutschen Apotheken eindeutig Wettbewerbsnachteile bringt. Das Bundesgesundheitsministerium hat diese Ungleichbehandlung erkannt und arbeitet bereits daran, diesen Wettbewerbsvorteil für die ausländischen Apotheken zu unterbinden. Mit der AMG-Novelle soll klargestellt werden, dass die Arzneimittelpreisverordnung auch für ausländische Versandapotheken gilt, Boni dürfen dann nicht mehr gewährt werden.

50 Cent weniger pro Arzneimittel – damit schrumpft das effektive Apothekerhonorar von 6,05 Euro auf 5,55 Euro. Apotheker, die Taler gewähren, kommen demnach mit 5,55 Euro Honorar aus. Da muss die Frage erlaubt sein, welches Signal ein solches Wettbewerbsverhalten an die Politik aussendet. Während die Mehrheit der Apothekerinnen und Apotheker sowie die Berufspolitiker für eine Honorarerhöhung kämpfen, verzichten Kolleginnen und Kollegen auf einen Teil des Honorars. Reichen also 8,10 Euro abzüglich 2,05 Euro für den Kassenabschlag aus, um auch noch 50 Cent für Kundenwerbung auszugeben?

Natürlich kann man argumentieren, dass auch andere Werbemaßnahmen wie Kundenzeitschriften und andere Zugaben das Honorar schmälern, und es dem Apotheker freigestellt sein sollte, ob, wie und womit er wirbt. Aber mit Boni und Talern wird der Wert der Zugabe augenfällig.

Was Werbemaßnahmen wie Talern, Boni und Rabattaktionen wie Happy Hour und ähnlichen anhaftet, ist das Image des Krämerladens: die Apotheke stellt sich und die Ware Arzneimittel auf die Stufe von Läden und Ketten, die mit Rabattvorteilen, Schnäppchen und Billigpreisaktionen auf Kundenfang sind. Wie wirkt das auf Kunden? Auf die Politik? Wie passt das mit dem Anspruch des Apothekers zusammen, Heilberufler zu sein? Wie passt das zur Richtung, Medikationsmanager sein zu wollen? Wie glaubhaft ist eine Apotheke, in der der Talerkult gepflegt wird, wenn es um die Beratung geht? Ist wirklich noch Zeit vorhanden, neben den Erklärungen zu Talern und dem Talersystem, Prämieneinlösungen und Hinweisen auf Talerkooperationspartner (Bäcker, Eisdiele, Elektromarkt und anderen) auch pharmazeutisch zu beraten? Die Antworten dazu kann sich jede Apotheke selbst am besten geben – es ist eine Frage, wie man sich, seinen Beruf und seine Apotheke positionieren will.

Eine erfreuliche Entwicklung im Bereich des Pharmazeutischen zeichnet sich mit einem Änderungsantrag zur 16. AMG-Novelle ab. Werden starke BtM-Schmerzmittel verordnet, sollen sie zukünftig nicht mehr ausgetauscht werden müssen. Der Patient soll das Arzneimittel erhalten, das der Arzt für ihn ausgewählt hat, aut idem muss nicht angewandt werden. Auch die Deutsche Schmerzliga forderte dieser Tage über eine Petition, die Austauschpflicht für starke Schmerzmittel aufzuheben. Trotz gleichen Wirkstoffs und gleicher Dosierung seien bei diesen Arzneimitteln Wirkunterschiede aufgrund unterschiedlicher Arzneimittelzubereitungen häufig. Eine Umstellung störe das Therapiegleichgewicht und führe zu Nebenwirkungen. Der Austausch von solchen Präparaten sei de facto mit einer Neueinstellung des Patienten zu vergleichen, der Kosten wie weitere Umstellungen und zusätzliche Konsultationen nach sich ziehen könne.

Neben den starken Schmerzmitteln sollte ein Austauschverbot auch für weitere Arzneimittel Wirklichkeit werden, wie beispielsweise Antiepileptika, Antidepressiva und Antiasthmatika. Und für alle anderen kritischen Fälle steht dem Apotheker immer noch das Instrument der "pharmazeutischen Bedenken" zur Verfügung, das viel zu wenig genutzt wird. Wäre es nicht sinnvoller, sich mit solchen Fragen auseinanderzusetzen als neue Taler- und Boni-Aktionen auszutüfteln?


Peter Ditzel



DAZ 2012, Nr. 22, S. 3

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